Ein Start-up reduziert Müll mit bunten Mehrwegbechern und schafft Jobs für Menschen mit Behinderung
Der Coffee-to-go oder der Tee im Büro – pro Jahr fallen Milliarden von Einwegbechern an. Auch an der Uni im französischen Rennes lagen diese Becher überall herum. Caroline Bettan und ihren Kommilitonen kam bei diesem Anblick eine Geschäftsidee.
2014 sollten Bettan und drei weitere Studierende des Master-Studiengangs „Unternehmertum und Innovation“ ein hypothetisches Start-up gründen. „Letztlich wurde das erfundene Projekt Wirklichkeit: Wir haben das Unternehmen geplant und nach dem Studium einfach weitergemacht“, erzählt Bettan, die in Rennes aufgewachsen ist.
Ein Mitglied des Teams hatte für einen Veranstalter gearbeitet, der wiederverwendbare Becher verwendete.
Die Idee: Büroangestellte sollten einen Becher verwenden und ihn am Ende des Arbeitstags in einen Sammelbehälter werfen. „Wir holen die Becher ab, spülen sie und bringen sie wieder zurück“, erklärt Bettan. Die Kunden können so ganz einfach ihren Müll reduzieren.
Nach ihrem Abschluss an der Rennes School of Business 2015 perfektionierten die vier ihren Becher und das dazugehörige Angebot und gründeten ein Jahr später ihre Firma Newcy.
Mehr als 39 Millionen Einwegbecher ersetzt
Zunächst machten sie sich ein Bild von der Lebensdauer des Produkts. Das Team wollte sichergehen, dass der Becher-Service tatsächlich Abfall reduziert. „Wir wollten kein Greenwashing betreiben“, so Bettan.
Nachdem sie die Lebensdauer kannten, wählten sie das geeignete Material für die Becher – Polypropylen, ein Kunstharz. Die Becher werden in mehreren Farben in Frankreich produziert. Obwohl das Material auf Erdöl basiert, schneidet es in Sachen Nachhaltigkeit am besten ab. „Wir haben uns für Polypropylen entschieden, weil es lange Zeit wiederverwendet werden kann“, meint Bettan. „Wir brauchen etwas, das in Automaten passt und nicht zerbrechlich ist.“
Die Becher von Newcy passen in alle Automaten oder Wasserspender und eignen sich für heiße und kalte Getränke. Sie halten mindestens zwölf Jahre und sind am Ende einfach zu recyceln. Newcy hat ein industrielles Spülverfahren entwickelt, bei dem nur rund sieben Zentiliter Wasser pro Becher und wenig Seife verwendet werden.
Ausgehend von der Lebensdauer schätzt das Unternehmen, dass bislang 39 Millionen Einwegbecher ersetzt, 567 Tonnen CO2 vermieden und 3 Millionen Liter Wasser gespart wurden. Newcy bietet auch Zero-Waste- und andere Schulungen für Kunden.
2022 belegte die Firma den zweiten Platz in der allgemeinen Kategorie des Wettbewerbs für Soziale Innovation. Damit zeichnet das EIB-Institut jedes Jahr Unternehmen für ihr soziales, ethisches oder ökologisches Engagement aus.
Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung
Das Start-up arbeitet auch mit Firmen zusammen, die Menschen mit Behinderung beschäftigen. Alle zwei Wochen sammeln diese benutzte Becher aus den Büros und reinigen sie in Newcys Spülstationen. Dafür sind momentan 36 Mitarbeitende im Einsatz.
Newcy hat rund 100 Kunden in Frankreich, darunter große Unternehmen wie EDF, Orange, der französische Bahnbetreiber SNCF und Vinci. Hinzu kommen staatliche Behörden und Schulen.
Weil das Start-up ein Abonnement anbietet, konnte es die Coronapandemie überstehen. Bestandskunden blieben ihm erhalten, und Newcy musste niemanden entlassen.
Dennoch werden die Mehrwegbecher immer etwas mehr kosten als Einwegbecher. Laut Bettan liegt die größte Herausforderung darin, den Fokus der Kunden von den Kosten hin zum größeren Nutzen zu lenken – die Reduzierung ihres CO2-Fußabdrucks und die Schaffung von Arbeitsplätzen.
„Die Menschen, die zu uns finden, wollen etwas verändern. In einem großen Unternehmen haben jedoch viele Menschen ein Wörtchen mitzureden, bevor Neues umgesetzt wird“, meint Bettan. „Außerdem geht jede Krise erstmal zulasten der Umwelt. Deshalb muss man dranbleiben und Menschen immer wieder neu überzeugen.“
Wer einmal an Bord ist, sieht, dass sich die Investition lohnt. Céline Obejero, Direktorin für Corporate Social Responsibility bei Orange Ouest, einem der ersten Kunden von Newcy, meint: „Damit unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei unserer Energie- und ökologischen Wende mitziehen, müssen sie sie täglich vor Augen haben.“
„Die Becher dienen als gute Erinnerung.“