Von den dichten Wäldern Transsilvaniens mit ihren mittelalterlichen Dörfern und Burgen, die Bram Stoker zu seinem Vampirroman Dracula inspirierten, bis zu den landestypischen Weingütern – Rumänien ist ein Land voller Abenteuer. Aber die Fahrt von einem Ort zum anderen ist nochmal ein Abenteuer für sich. Bei Rumäniens Verkehrsinfrastruktur muss sich dringend etwas tun.

Im Rahmen des Projektberatungsvertrags PASSA hilft die EIB dem Land, Geld zu sparen und wichtige Verkehrsprojekte auf den Weg zu bringen, damit deren Umsetzung nicht auch einer Achterbahnfahrt gleichkommt.

Rumänien hat mit die schlechteste Verkehrsinfrastruktur in der Europäischen Union.  

2018 beklagten sich in einer landesweiten Umfrage 93 Prozent der Befragten über die Straßen, 85 Prozent über das Schienennetz. Kein Wunder: 

In den ersten sechs Monaten 2019 summierten sich die Verspätungen aller Züge auf über drei Jahre. Güterzüge sind derzeit im Schnitt mit 15 Kilometern pro Stunde unterwegs, Personenzüge mit knapp über 40. Hauptgrund dafür ist der schlechte Zustand des Schienennetzes, weil jahrelang zu wenig in die Instandhaltung investiert wurde. Deshalb gelten auf einigen Strecken heute Geschwindigkeitsbeschränkungen, und mancherorts fahren die Züge langsamer als vor 100 Jahren. 

Rumänien hat eines der kleinsten Autobahnnetze in der Europäischen Union. Es erstreckt sich auf kaum mehr als 900 Kilometer und ähnelt einem Puzzle, in dem viele Teile fehlen. Nur etwas mehr als 20 Prozent des Straßennetzes sind Autobahnen oder Nationalstraßen. Dadurch kommt es häufig zu Staus, und auf den meistbefahrenen Strecken quält sich der Verkehr mit 10 bis 20 Stundenkilometern voran.

Windungen und Extraschleifen

Obwohl Rumänien Geld aus den EU-Kohäsionsfonds erhalten kann, baut das Land pro Jahr im Schnitt nur 45 Kilometer Autobahn. In den letzten Jahren haben die rumänischen Behörden das Problem in Angriff genommen und mit der Planung großer Bau- und Sanierungsprojekte begonnen. Mittlerweile geht es vorwärts, aber es wird noch dauern, bis die Menschen sich über neue und bessere Straßen und Bahnstrecken freuen können.

Auch, weil die rumänischen Behörden nicht genug Fachleute für das Projektmanagement haben. Die Gehälter im öffentlichen Dienst sind eben recht unattraktiv. Die Folge sind fehlende Verantwortlichkeiten und schwerfällige Entscheidungsprozesse, was die Vorhaben weiter verzögert. Viele Straßen- und Bahnprojekte beispielsweise kommen nicht voran, weil es bei den Verfahrensschritten klemmt – weil etwa Baugenehmigungen, Grundstücksenteignungen, geografische Analysen, archäologische Untersuchungen und Umweltverträglichkeitsgutachten nicht rechtzeitig vorliegen. Die Crux ist: EU-Gelder müssen innerhalb fester Fristen abgerufen werden. Deshalb gehen Projekte in die Ausschreibung und Auftragsvergabe, die gar nicht die Mindestanforderungen für eine termingerechte Umsetzung erfüllen. 

Das hat dazu geführt, dass die rumänischen Behörden mit immer mehr Vertragsstreitigkeiten zu tun haben oder Auftragnehmer eine finanzielle Entschädigung für jahrelange Verzögerungen fordern. So gingen bei der Straßen-, der Bahn- und der U-Bahn-Gesellschaft zwischen 2007 und 2019 insgesamt Forderungen von 2,2 Milliarden Euro ein. Einige Auftragnehmer haben damit ein gutes Geschäft gemacht und Entschädigungen erhalten, die ihre tatsächlichen Einbußen überstiegen. 

Entspannung in Sicht

Auf Anfrage der rumänischen Regierung berät die EIB die Behörden nun im Rahmen von PASSA im Vertrags- und Forderungsmanagement. 

Das EIB-Team prüfte Forderungen und Stapel von Belegen wie Projektunterlagen, Vertragskorrespondenz, technische und finanzielle Berichte, detaillierte Zeitpläne, Bauprotokolle und Tausende von Rechnungen. Ergebnis: Die verzögerungsbedingten Ansprüche waren zwar grundsätzlich berechtigt, nicht aber die finanziellen Forderungen. Die lagen in vielen Fällen weit über den Kosten, die den Auftragnehmern tatsächlich entstanden waren. 

Dank des PASSA-Teams konnten die Behörden die Forderungen im Schnitt um 39 Prozent nach unten drücken. Im Verlauf eines Jahres wurden von den ursprünglich geforderten 85 Millionen Euro schließlich 50 Millionen Euro beglichen. 

Neben der praktischen Hilfe im Umgang mit Forderungen beraten die Expertinnen und Experten der EIB die rumänischen Behörden auch darin, wie sich zusätzliche Kosten vermeiden lassen. Das gesparte Geld kann in wichtige andere Projekte gesteckt werden. 

Rumänien hat jetzt große Pläne für seine Verkehrsinfrastruktur und will unter anderem 1 700 neue Autobahnkilometer bauen. 17 Milliarden Euro sind im Zeitraum 2021–2027 dafür eingeplant, einschließlich mehrerer Milliarden von der Europäischen Union. 118 Millionen Euro genehmigte die EU vor Kurzem unter der Connecting-Europe-Fazilität für Verkehrsinfrastruktur.

„Der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur ist die Grundlage dafür, dass sich unsere Wirtschaft wieder erholt“, so der rumänische Präsident Klaus Johannis. „Mit den EU-Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, haben wir in den kommenden Jahren eine große Chance, diesen Ausbau voranzubringen.“