Der Bürgermeister von Melitopol beschreibt, wie EIB-Kredite der Bevölkerung halfen, sich gegen die russischen Besatzer zu wehren

Nach dem Überfall auf die Ukraine behauptete Moskau, die russischen Truppen seien im Land willkommen. Vor allem in Grenzregionen, wo hauptsächlich Russisch gesprochen wird, viele ethnische Russinnen und Russen leben und starke kulturelle Bindungen bestehen.

Doch Menschen wie Iwan Fedorow haben dafür gesorgt, dass der Empfang alles andere als freundlich war.

Der 34-Jährige ist der bisher jüngste Bürgermeister von Melitopol, einer Stadt nördlich der Krim, wo zu 90 Prozent Russisch gesprochen wird: „Im Moment tue ich alles, um den Menschen zu helfen. Die Ukraine muss möglichst schnell siegen.“ Fedorow, für den die Russen von Anfang an „Besatzer“ waren, ließ die ukrainische Flagge so lange wie möglich wehen und rief offen zum Widerstand auf.

Melitopol wurde gleich nach Kriegsbeginn besetzt und gehört zu den vier Gebieten, die Russland im September annektierte. Fedorow versichert den Menschen regelmäßig live in den sozialen Medien, die Stadt tue alles, um weiter zu funktionieren. In Videos ruft er sie auf, ruhig zu bleiben, und verspricht ihnen, im Zentrum wieder die ukrainische Flagge zu hissen. „Hier kann nur unsere Flagge wehen“, erklärte er in einer Ansprache.

Aus Liebe zu ihrer Stadt

Der Krieg macht das Leben in Melitopol schwer. Vor dem Krieg lebten etwa 150 000 Menschen in der Stadt. Jetzt ist sie auf ein Drittel geschrumpft. Das Gebiet geriet gleich am ersten Tag unter heftigen Beschuss. Am 24. Februar zerstörten russische Raketen den Flugplatz, und schwere Militärfahrzeuge rollten durch die Straßen. Melitopol gehörte zu den ersten Städten, die eingenommen wurden.

Am 11. März drangen russische Soldaten in Fedorows Büro im Stadtzentrum ein, stülpten ihm einen Sack über den Kopf und nahmen ihn mit. Nach einer Woche kam er durch einen Gefangenenaustausch frei. Er selbst wurde nicht gefoltert, aber Mitgefangene waren beim Verhör misshandelt worden. Manche hatten gebrochene Hände.



Die Kreditreferenten und Ingenieurinnen der Europäischen Investitionsbank kennen Fedorow. Denn die Bank unterstützt die Stadt und die Oblast Saporischschja bereits seit der russischen Invasion von 2014. Sie half, Kitas, Schulen und Sporteinrichtungen ebenso wie ein Krankenhaus für Infektionskrankheiten oder Pflegezentren in Melitopol wieder aufzubauen. Durch die vielen Jahre der Partnerschaft hatten sich die Menschen schon in Richtung Europa orientiert, als die russischen Truppen kamen.  

„Es geht um mehr Lebensqualität“, begründet Fedorow die Zusammenarbeit mit der Europäischen Investitionsbank. „Die Bank hilft unseren Unternehmen, dem Tourismus und in der Logistik. Dadurch können wir den Wiederaufbau planen, ohne Korruption. Denn die Menschen lieben ihre Stadt und wollen sie wieder aufblühen sehen.“

Immer wieder werden Menschen in Melitopol verhaftet, um den Widerstand zu brechen. Auch der Lehrplan an Schulen ist in russischer Hand. Die Stadt zu verlassen ist gefährlich. Doch die, die es schaffen, finden in Saporischschja, dem Verwaltungszentrum der Oblast etwa 170 Kilometer nördlich von Melitopol, kostenlose Unterkunft. Von dort aus arbeitet Fedorow online.



Mehr Mut und mehr Widerstandskraft seit der Invasion

„Jeder Tag bringt viele neue Probleme“, beschreibt Fedorow das Leben unter der Besatzung. „Meine Stadt und ihre Menschen tun mir so leid. Aber wir alle sind in dieser Zeit auch mutiger und stärker geworden.“

Die Ukraine wird den Krieg gewinnen, daran glaubt er fest.

„Ich bin überzeugter Optimist“, erklärt er. „Die Menschen in der Ukraine wollen leben. Und das zeigen sie jeden Tag – an der Front und auch im Hinterland.“