Gehirnmonitor aus Spanien meldet Anfälle eine Minute im Voraus
Von Chris Welsch
MJN Neuroserveis wurde von einem Ingenieur gründet, der seiner Tochter helfen wollte. Denn sie leidet an einer Art von Epilepsie, die nicht mit Medikamenten behandelt werden kann.
Für David Blánquez kamen die Anfälle seiner Tochter Marina immer völlig überraschend. Und das zum Teil in sehr heiklen Situationen.
Deshalb machte sich der Ingenieur an die Arbeit. Nach mehreren Jahren hatten er und sein Team von MJN Neuroserveis eine Lösung, die wie ein Hörgerät aussieht, aber keins ist. Das Gerät überwacht die Gehirnaktivität, erstellt ein Elektroenzephalogramm (EEG) und ist an ein Smartphone gekoppelt. Nach einem individuellen Algorithmus – ebenfalls von MJN Neuroserveis entwickelt – erkennt das Gerät bevorstehende Anfälle und sendet dann mindestens eine Minute im Voraus eine Warnmeldung. So kann sich die betreffende Person rechtzeitig eine sichere Position einnehmen.
„Das Wort Epilepsie kommt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie ‚Überraschungsangriff‘“, erklärt Jordina Arcal, Chief Strategic Officer von MJN Neuroserveis. „Mit unserem Gerät nehmen wir das Überraschende aus der Gleichung heraus.“
Mehr Lebensqualität
Das Gerät erleichtert nicht nur Epilepsiekranken das Leben, sondern auch denen, die sich um sie kümmern. Eine App leitet die Warnmeldung an Betreuungspersonen weiter – oder bei Kindern an ihre Eltern. Das verringert die Sorge um geliebte Menschen.
Das Gerät, das kontinuierlich Informationen über die Gehirnaktivität sammelt, könnte künftig bei der Erforschung und Behandlung der Krankheit helfen. Denn bisher müssen Patientinnen und Patienten noch mühsam herumprobieren, bis sie ein geeignetes Medikament finden. Unerquicklich für die Betroffenen, bedauert Jordina.
Seit Mai trägt das Gerät das CE-Zeichen, das die Einhaltung der europäischen Standards bescheinigt. Im Juni soll das Warnsystem auf den Markt kommen. Inzwischen arbeitet das Unternehmen auch an der Zulassung für den Vertrieb in den Vereinigten Staaten.
MJN Neuroserveis stand in der Endrunde des Wettbewerbs für Soziale Innovation, mit dem das EIB-Institut alljährlich Unternehmerinnen und Unternehmer für ihr soziales, ethisches oder ökologisches Engagement auszeichnet.
Anpassung an die Krise
Die Coronakrise hat das in Girona ansässige Unternehmen ausgebremst.
„Da die Krankenhäuser überfüllt waren, mussten wir die klinischen Studien aussetzen“, erklärt Jordina. Auch die Suche nach Geldgebern für die Wachstumspläne verzögerte sich. Doch mit der allmählichen Rückkehr zur Normalität sind die klinischen Studien und andere Aktivitäten wieder angelaufen.
Unter anderem will das Unternehmen sein Gerät gegen Covid-19 und andere Gesundheitsprobleme einsetzen. „Letztlich ist es ein EEG, das sich mit unseren Algorithmen vielseitig nutzen lässt“, meint Jordina. „Nun suchen wir nach Wegen, wie wir mit unserer Technologie und unserem Wissen in dieser Krise helfen können.“