Das sonst so innovative, hoch technisierte Gesundheitswesen in Europa stand 2020 vor einem Problem: Überall fehlte es an Basisprodukten und einfachen Lösungen, um Covid-19 einzudämmen
Kiskunhalas, Südungarn, im März 2020: Die Corona-Infektionsrate in der Stadt droht außer Kontrolle zu geraten. Um die Lage in den Griff zu bekommen, beschließt die Regierung, ein mobiles Krankenhaus zu errichten.
„Es musste in wenigen Wochen fertig sein, weil die Krankenhausfälle in der Gegend nach oben schnellten“, erinnert sich Gabor Kiss, der als Kreditreferent bei der Europäischen Investitionsbank das Projekt in Kiskunhalas und andere Covid-19-Projekte in Ungarn betreute.
Das im April 2020 fertiggestellte Krankenhaus ist für 150 Coronapatienten ausgelegt und speziell auch für Intensivpatienten. „Es hilft auch dabei, das Virus unter Kontrolle zu halten“, betont Tunde Szabo, Gesundheitsökonomin bei der EIB. „Coronakranke können so von anderen Patienten getrennt werden, was das Ansteckungsrisiko im Krankenhaus deutlich senkt.“
Normalerweise finanziert die Europäische Investitionsbank medizinische Innovationen, von Krankenhausinfrastruktur über medizinisches Gerät bis hin zu neuen Biotechnologien und Covid-19-Impfstoffen. Aber 2020 war kein normales Jahr. Was gerade in den ersten Monaten der Pandemie weltweit händeringend gebraucht wurde, waren keineswegs modernste Technik und Geräte. Vielmehr fehlte es an grundlegender medizinischer Schutzausrüstung und an Infrastruktur und dem nötigen Personal, um schwere Coronafälle zu behandeln. Kurzum: Die Europäische Investitionsbank finanzierte 2020 sehr viel mehr medizinische Basisausstattung als sonst.
Die Länder brauchten schnellstens Masken, Handschuhe und Desinfektionsmittel für ihre Krankenhäuser und Gesundheitszentren, dazu Intensivbetten und Beatmungsgeräte für Coronapatienten.
Ungarn zählte im März 2020 zwar nicht zu den am stärksten betroffenen EU-Ländern; der Staat musste aber trotzdem die Infektionsraten drücken, um die Bevölkerung zu schützen. Auch wollte man auf eine mögliche zweite Welle vorbereitet sein. Wie wichtig das war, zeigte sich gegen Jahresende, als die Pandemie das Land mit voller Wucht traf.
Damit Ungarn seine Notmaßnahmen finanzieren konnte, half die Europäische Investitionsbank mit einem Kredit über 162,5 Millionen Euro. Sie finanzierte fast 500 verschiedene Artikel, die im Gesundheitssektor gebraucht wurden, um das Virus einzudämmen und Kranke zu behandeln.
„Das war ein besonderes Projekt für die Bank“, sagt Szabo. „Normalerweise finanzieren wir im Gesundheitswesen innovative Verfahren und die Modernisierung von Krankenhäusern, aber in Zeiten wie diesen ist es eben anders. Wir mussten den EU-Ländern dringend helfen, die Krise in den Griff zu bekommen, egal wie.“
Atemschutzgeräte, Desinfektionsmittel, Masken, Beatmungs- und Überwachungsgeräte – dies und mehr konnte Ungarn mit dem Kredit beschaffen. „Fast das gesamte Geld wurde in medizinisches Gerät und Material gesteckt, das die Versorgungszentren in der Pandemie für den täglichen Betrieb benötigten“, so Szabo.
Die neue Ausrüstung wurde in ganz Ungarn verteilt.
Einfache Lösungen gegen Covid-19 in Tschechien
Das Covid-19-Projekt in Ungarn ist nur eines von vielen, die die EIB letztes Jahr unterstützte. Insgesamt finanzierte die Bank dreimal so viele Gesundheitsprojekte wie im Vorjahr, aber nicht nur zur Krisenbewältigung. Trotz der außergewöhnlichen Umstände behielt sie auch ihre langfristigen Ziele für die Gesundheitsinfrastruktur im Blick.
Die Coronakrise hat den Sektor an die Belastungsgrenze gebracht und die Schwachstellen aufgezeigt. Unzulänglichkeiten in älteren Krankenhäusern wurden sichtbar und zwangen die Kommunen zum Handeln.
Daher unterstützt die EIB in Tschechien die Region Mittelböhmen mit einem Kredit über 48 Millionen Euro. Damit will die Region die Notfallvorsorge verbessern und die Infrastruktur in den Bereichen Gesundheit, Verkehr, Sozialfürsorge und Bildung modernisieren.
Über die Hälfte des Geldes fließt in die Sanierung und Modernisierung von fünf Krankenhäusern und in den Rettungsdienst der Region. Knapp 1,4 Millionen Menschen bekommen dadurch leichter Zugang zu einer besseren Gesundheitsversorgung. „Die Einrichtungen werden effizienter, auch energieeffizienter, und können ihre Versorgung und Notfallvorsorge verbessern“, erklärt Szabo.
„Es geht es nicht um mehr Betten, sondern darum, die Krankenhäuser krisenfester zu machen.“
Künftigen Pandemien schon heute vorbeugen
„Am besten bekommen wir Pandemien in den Griff, wenn wir die bestehenden Gesundheitseinrichtungen verbessern“, weiß Szabo. „Dabei geht es nicht um mehr Betten, sondern darum, die Krankenhäuser krisenfester zu machen.“ Das geht recht einfach, etwa mit besseren Belüftungssystemen, um Krankenhausinfektionen zu reduzieren – eine Lösung, die in Tschechien umgesetzt wurde.
„Außerdem müssen wir unser Gesundheitssystem überdenken“, fordert Szabo. „Wir brauchen mehr Zentren für chronisch Kranke. Ihre Versorgung ist besonders aufwendig und sollte nicht den Akutkrankenhäusern aufgebürdet werden. Spezialisierte Einrichtungen für chronisch Kranke sind wesentlich effizienter und lassen sich leichter anpassen, um Infektionen unter Kontrolle zu halten.“
Die Coronapandemie hat hier den Handlungsdruck erhöht. Sie zwingt uns zu überprüfen, wie gut wir mit unseren Krankenhäusern wirklich vorbereitet sind. Und sie hat gezeigt: Jetzt ist die beste Zeit, uns für die nächste Pandemie zu rüsten.