Das Biotech-Unternehmen Jennewein stellt synthetische Muttermilchzucker her – so erfolgreich kann Venture Debt sein
Nach der Geburt brauchen Babys Zuckerstoffe für ihre Entwicklung, die es nur in Muttermilch gibt. Damit die Organe eines Babys wachsen können, müssen es genau die richtigen Zucker im genau richtigen Verhältnis sein. Bei Unternehmen gilt das Gleiche: Nur mit der richtigen Finanzierung können sie sich weiterentwickeln.
Auf das deutsche Unternehmen Jennewein Biotechnologie trifft das voll zu. Das innovative und noch junge Unternehmen hat ein Verfahren zur Synthetisierung der Zucker in menschlicher Muttermilch entwickelt. Damit profitieren auch Babys, deren Mütter nicht stillen können oder wollen, von den Vorzügen der Muttermilch.
Jennewein erhielt als eines der ersten Unternehmen eine Venture-Debt-Finanzierung der Europäischen Investitionsbank. Venture-Debt-Darlehen helfen Unternehmen beim Wachstum, ohne ihren Cashflow zu belasten. Mit Venture Debt, auch Quasi-Eigenkapital genannt, konnte die Bank der EU das Risiko eingehen und vergab 2015 und 2018 Darlehen für die junge Technologie von Jennewein. Und zwar mit Erfolg: Nach der Übernahme durch ein größeres dänisches Unternehmen geht Jennewein jetzt in die industrielle Massenproduktion.
„Europa hat eine sehr starke Forschungskultur, aus der faszinierende Technologien hervorgehen. Jennewein ist ein gutes Beispiel dafür“, meint der Präsident der Europäischen Investitionsbank Werner Hoyer. „Die Technologien aus der Wissenschaft in die Wirtschaft zu bringen, daran hapert es in Europa allerdings. Hier spielt die Europäische Investitionsbank eine wichtige Rolle, wie etwa bei Jennewein. Darauf sind wir stolz.“
Den Multis einen Schritt voraus
Muttermilch ist wichtig für Babys, da sie komplexe Zuckerstoffe enthält – sogenannte humane Milch-Oligosaccharide. Diese besonderen Zucker senken das Risiko von Infektionskrankheiten bei Kindern um bis zu 50 Prozent und fördern die Entwicklung der Organe, auch des Gehirns. Was Muttermilch so einzigartig macht, ist ihr hoher Anteil an Oligosacchariden.
Mehrere Weltkonzerne haben bereits versucht, Oligosaccharide zu einem für den Massenmarkt verträglichen Preis herzustellen – ohne Erfolg. „Jennewein ist es dann gelungen: durch ein maßgeschneidertes biotechnologisches Fermentationsverfahren von hoher Qualität und zu vertretbaren Kosten“, erklärt Auvo Kaikkonen, Experte für Biowissenschaften bei der Europäischen Investitionsbank. Er war an der Prüfung der Darlehen für Jennewein beteiligt.
„In manchen Fällen braucht das Baby eine Zufütterung, etwa wenn die Mutter Medikamente einnimmt oder ihr Körper nicht genug Milch produziert.“ Aber auch soziale Faktoren spielen eine Rolle, so Kaikkonen: In einigen ostasiatischen Ländern denken viele, dass nur Frauen aus der Unterschicht ihre Kinder stillen.
Der nächste Schritt: die industrielle Massenproduktion
Jennewein ist bereit für die nächste Stufe: Das Unternehmen hat sich mit Chr. Hansen zusammengeschlossen. Chr. Hansen verfügt über industrielle Fertigungskapazitäten und kann daher Produkte in ausreichender Menge für den großen ostasiatischen Markt herstellen. Das Bioscience-Unternehmen mit Sitz im dänischen Hørsholm hat alle Jennewein-Anteile erworben und plant, bis 2025 200 Millionen Euro in neue Produktionsanlagen zu investieren. Das dänische Unternehmen will „Weltmarktführer für humane Milch-Oligosaccharide“ werden.
Jennewein wurde 2005 in Rheinbreitbach südlich von Bonn gegründet. 2015 vergab die Europäische Investitionsbank ein Darlehen über zehn Millionen Euro aus der InnovFin-Wachstumsinitiative für mittelgroße Unternehmen. Mit dem Geld baute das Unternehmen sein erstes Werk. Daraufhin erhielt Jennewein die bisher schnellste Zulassung für ein neuartiges Lebensmittel in den USA. Die Zulassung in Europa folgte kurze Zeit später. Danach konnte das Unternehmen die großen internationalen Hersteller von Babynahrung in aller Welt beliefern.
2018 erhielt Jennewein ein zweites Darlehen der Europäischen Investitionsbank, diesmal aus dem Europäischen Fonds für strategische Investitionen (EFSI). Bei einem EFSI-Kredit werden EIB-Gelder mit einer Haushaltsgarantie der EU kombiniert. Das Unternehmen stand erst am Anfang seiner Entwicklung, es gab also kaum Aussicht auf einen klassischen Bankkredit. Die Finanzierung der EIB war als Venture Debt ausgestaltet und wird ähnlich wie Quasi-Eigenkapital vergütet. So wird ein junges Unternehmen nicht mit einem hohen Schuldendienst belastet. Da es sich aber um keine Eigenkapitalinvestition im eigentlichen Sinne handelt, können Gründer und frühzeitige Investoren ihren Anteil behalten, er wird nicht verwässert.
„Diese Finanzierung zeigt anschaulich, wie wir Innovation fördern und wie sich das auf das Wachstum eines Unternehmens auswirken kann“, erklärt Ovidiu Morariu, der bei der Europäischen Investitionsbank die Jennewein-Darlehen zuständig ist. „Nur wenige Unternehmen sind so dynamisch und innovativ.“
Schneller wachsen dank Venture Debt
Auvo Kaikkonen sieht das genauso: „Das Unternehmen hat die jetzige Stufe drei Jahre früher erreicht. Mit einer klassischen Finanzierung für Unternehmen in einer ähnlichen Phase wäre das nicht möglich gewesen.“
In den vergangenen fünf Jahren hat die Europäische Investitionsbank viele europäische Unternehmen mit Quasi-Eigenkapital und einer Garantie des Europäischen Fonds für strategische Investitionen unterstützt.
EIB-Präsident Hoyer: „Wie das Beispiel sehr gut zeigt, können wir diese Art von Unternehmen in Europa voranbringen. Es kommt nur auf das richtige finanzielle Ökosystem an. Die Europäische Investitionsbank trägt dazu bei, dass Unternehmen wie Jennewein in Europa wachsen können und nicht mit ihren Innovationen in die USA abwandern.“