Neues Recyclingwerk schont Klima und Ressourcen
Titan – der Name passt. Das nach dem mächtigen Göttergeschlecht aus der griechischen Mythologie benannte Metall ist extrem fest. Dabei ist es leicht, rostfrei und biegsam, ohne zu brechen. Eigenschaften, die es zu einem wertvollen Rohstoff für viele Produkte machen, so etwa Flugzeugteile, Raketen und Panzerungen.
Das Problem: Titan ist in Europa nicht leicht zu beschaffen, und das Recycling von Titanschrott ist bislang nicht wirtschaftlich. Große Unternehmen wie Airbus oder EADS kaufen Titan daher oft in den USA oder Russland. Ihren Schrott schicken sie anschließend dorthin zurück, wo er aufbereitet wird. Das neue französische Recyclingwerk EcoTitanium bietet nun eine Alternative: In leistungsfähigen Hochöfen wird dort mit moderner Technik Titan recycelt. Das schont die Umwelt, weil der Schadstoffausstoß sinkt. Denn das Recycling verbraucht weniger Energie, als wenn Titan aus Erz gewonnen wird.
„Titan ist wertvoll, und wir werden die Wirtschaft nun viel besser damit versorgen können“, freut sich Thomas Devedjian, Finanzvorstand beim französischen Bergbau- und Metallkonzern Eramet. Eramet hat das Recyclingwerk in der Auvergne zusammen mit einem Unternehmen aus Kasachstan und anderen Partnern gebaut.
EcoTitanium setzt beim Recycling auf moderne Technologien, die weniger Energie verbrauchen als andere Schmelzverfahren: In Plasmaöfen wird das Metall durch erhitztes Gas geschmolzen, während in Vakuum-Lichtbogenöfen unter Ausschluss von Luft Verunreinigungen vermieden werden. Für Titan braucht man solche besonderen Öfen, weil das Metall extrem hitzebeständig ist.
Billiger und wirtschaftlicher
Titan ist nicht selten, aber teuer, denn seine Herstellung ist sehr aufwendig. Titan wird normalerweise mit dem sogenannten Kroll-Prozess gewonnen, der sehr arbeitsintensiv ist und extreme Hitze benötigt. Deshalb ist das Metall in der Herstellung etwa sechs Mal so teuer wie Stahl. Das neue Recyclingwerk in Saint-Georges-de-Mons, rund vier Autostunden südlich von Paris, liefert Titanlegierungen für Flugzeuge. Verglichen mit neuem Titan sind sie etwas billiger, und es fällt weniger Abfall an.
Devedjian: „Das neue Werk spart eine Menge Energie. Wir schätzen, dass wir jedes Jahr 100 000 Tonnen Kohlendioxid vermeiden, weil wir Titan nicht wie üblich aus Erz gewinnen, sondern durch Recycling in modernen Schmelzöfen. Das spart Abfall.“
Die Europäische Investitionsbank hat sich mit 30 Millionen Euro am Bau des Werks beteiligt. Möglich wurde das durch den sogenannten Juncker-Plan, der 2014 ins Leben gerufen wurde, um innovative Unternehmen zu fördern und die Investitionsblockade in Europa zu durchbrechen. Ohne die Hilfe der EIB wäre es schwieriger geworden, EcoTitanium zu finanzieren. Im September 2017 wurde das rund 48 Millionen Euro teure Werk eingeweiht.
„Die Industrie in Europa braucht mehr Titan – vor allem die wachsende Luftfahrt. Wir sorgen dafür, dass sie sich besser mit dem Metall versorgen kann.“
Weniger Abfälle, mehr Kreislaufwirtschaft
„Europa braucht diese Art von Innovation“, erklärt Kreditreferentin Mariateresa Di Giacomo von der Europäischen Investitionsbank. „In der Luft- und Raumfahrt läuft es derzeit gut, sodass sich die Investition für diese und andere Branchen lohnt.“
Di Giacomo sieht viele gute Gründe für das Recyclingwerk:
- Die Metallindustrie braucht weniger Titan aus Primärerzen, weil mehr von dem Metall auf dem Markt ist.
- Der Ausstoß an Schadstoffen sinkt stark, weil das Recycling energiesparender ist als die Titanherstellung aus Erzen.
- Die europäischen Hersteller werden unabhängiger in der Versorgung, die zugleich günstiger wird.
- Es ist ein Beitrag zur Kreislaufwirtschaft, weil das recycelte Titan wieder für neue Produkte verwendet wird.
In Europa fallen gerade beim Flugzeugbau große Mengen an Titanschrott an, der häufig zum Recycling in Länder außerhalb Europas gebracht wird. Bei einigen Flugzeugteilen enden gar 80–90 Prozent des Titans als Schrott.
Chemikalien, Fahrräder und Zahncreme
Titan ist aus dem Flugzeugbau nicht wegzudenken. Doch auch in Schiffen, Fahrrädern und Chemikalien findet man das Metall. Da sich auch Knochen gut mit Titan vertragen, wird das Metall zudem für Zahnimplantate und Prothesen verwendet. Und Titandioxid – das zur Reinigung von Titan eingesetzt wird – ist ein hervorragender Bleichstoff für Farben sowie Sonnen- und Zahncreme.
Bei EcoTitanium entstehen mindestens 60 Arbeitsplätze. Wenn das Werk in etwa einem Jahr voll in Betrieb ist, wird es mehrere Tausend Tonnen Titanlegierungen pro Jahr produzieren.
Eramet und seine Partner können ihren Titankunden damit ein breites Angebot machen: Für die Erzgewinnung und die Herstellung von Titanmetall ist das kasachische Partnerunternehmen UKTMP zuständig. Das Titan wird dann an einem anderen Standort von Eramet in Frankreich geschmiedet und in einem Werk im Südwesten des Landes weiterverarbeitet. Für das Recycling sorgt schließlich EcoTitanium.
Mariateresa Di Giacomo ist begeistert von EcoTitanium: „Das Projekt ist wunderbar. Es ist von allem etwas dabei: neue Technik, neue Arbeitsplätze, weniger Abfall – und auch die Kreislaufwirtschaft profitiert.“