The Newsroom entwickelt transparente KI-Software – für weniger Falschinformationen und mehr Demokratie
Alles begann in Paris. Pedro Henriques und Jenny Romano lernten sich an ihrer Business School kennen und freundeten sich an. Nach ihrem Abschluss zog es sie nach Dublin, wo beide in die Welt der Big-Tech-Unternehmen eintauchten. Romano arbeitete bei Google in der Werbung, Henriques leitete ein Team von Data-Science-Analysten bei LinkedIn.
Beiden gemein war die Sorge darüber, wie Falschinformationen im Internet die politische Debatte polarisieren und den Dialog und damit auch die Lösung großer Probleme erschweren.
„Was mich wirklich beunruhigt: Es gibt bei praktisch jedem großen gesellschaftlichen Thema Falschinformationen“, erklärt Henriques. „Nehmen wir mal die politische Disruption und den Klimawandel. Oder die Coronapandemie in den letzten zwei Jahren. Wer hier wirklich Probleme lösen will, muss erst einmal Fake News aus dem Weg räumen.“
Romano für ihren Teil bemerkte, wie sich die Gespräche mit anderen Menschen veränderten. „Seit etwa sechs Jahren habe ich das Gefühl, dass sich Diskussionen sehr schnell extrem zuspitzen“, erzählt sie. „Und Diskussion und Dialog sind die Grundlage einer gesunden Demokratie.“
Um hier etwas zu ändern, beschlossen die beiden, gemeinsame Sache zu machen. Den Journalismus der alten Schule vor Augen schufen sie ein digitales Tool auf Basis künstlicher Intelligenz, das dabei hilft, die Qualität gelesener Informationen besser einzuschätzen. Der Name ihres neuen Tools: The Newsroom.
„Unser Tool setzt auf Explainable KI, also erklärbare künstliche Intelligenz. Es prüft im Wesentlichen, wie vertrauenswürdig ein Artikel ist, und zeigt anschließend eine transparente Beurteilung an“, erklärt Romano.
Die Spreu vom Weizen trennen
The Newsroom ist zunächst als kostenlose Browser-Erweiterung verfügbar. Beim Öffnen politischer Blogs oder von Artikeln – sei es in sozialen Medien wie Facebook oder in einer Online-Zeitung – prüft das Browser-Plugin den Text und bewertet dessen Zuverlässigkeit mit einem farbigen The-Newsroom-Logo. Grün bedeutet vertrauenswürdig, gelb einigermaßen vertrauenswürdig, und rot steht für irreführende oder falsche Inhalte. Durch Klicken auf das Logo liefert das Tool eine detaillierte Erklärung, wie es zu seinem Urteil gekommen ist.
„Diese Transparenz ist ungemein wichtig“, betont Henriques. „Das Gleiche gilt für die Quellenvielfalt. Deshalb schlägt das Tool zusätzliche Quellen für die weiterführende Lektüre vor.“
Der Algorithmus von The Newsroom bewertet bei seiner Analyse fünf Kriterien: Quellen, Verfasser, Zahl und Qualität der Belege, Kernaussagen des Artikels und verantwortungsvolle Positionierung der Informationen.
„Derzeit nutzen wir noch Beurteilungen von unabhängigen NGOs, die die Zuverlässigkeit von Nachrichtenquellen bewerten“, erzählt Henriques. „Später kommen dann unsere eigenen dazu.“
Das Tool kann aber noch mehr. Es sammelt Daten darüber, wie sich (richtige oder falsche) Informationen im Internet verbreiten, und teilt diese Daten mit Verlagen und Content-Anbietern. So soll eine objektivere Medienlandschaft entstehen.
The Newsroom gehörte 2021 zu den Finalisten des Wettbewerbs für Soziale Innovation. Der vom EIB-Institut ins Leben gerufene Wettbewerb fördert Unternehmen, die etwas für die Umwelt und die Gesellschaft tun. Darüber hinaus hat das im Dezember 2020 gegründete Unternehmen aus Lissabon noch weitere Preise und Stipendien gewonnen.
Tiefer in die Materie eintauchen
Dieses Jahr noch will das Unternehmen eine Trusted-News-App für Abonnenten auf den Markt bringen. Der genaue Preis dafür steht noch nicht fest.
„Wir wollen damit Vertrauenswürdigkeit und die neue Art des Nachrichtenkonsums miteinander verbinden“, erklärt Romano. Die App bietet „eine Analyse aktueller Themen und Zusammenhänge und gibt einen Überblick über das momentane Zeitgeschehen. Und wer sich genauer mit einem Ereignis befassen will, kann sich sowohl die historische Entwicklung ansehen, die dazu geführt hat, als auch den gegenwärtigen Kontext. So kann man sehen, wo die Unterschiede zwischen verschiedenen Quellen liegen, aber auch, was immer wichtiger wird: Wo gibt es einen gemeinsamen Nenner?“
Die Motivation von Pedro Henriques und Jenny Romano, das Medienumfeld objektiver zu machen, ist auch durch ihre Erfahrung im Big-Tech-Sektor bedingt. Gleichzeitig sind sich beide sicher: Mit Technologie lässt sich viel Gutes erreichen.
„Durch unseren technischen Hintergrund haben wir einen guten Einblick bekommen, wie Technologie die Welt verändert – und zwar sowohl positiv als auch weniger positiv“, meint Romano.
„Transparenz und Rechenschaft sind ganz zentrale Werte, die in den digitalen Medien gepflegt werden müssen, auch bei The Newsroom“, sagt Henriques. „Hier ist Transparenz das A und O.“
Falls der Algorithmus von The Newsroom irgendeinen Bias entwickelt, „können wir das sehen – und unsere Nutzerinnen und Nutzer auch. Und damit stehen wir dann in der Verantwortung.“