EU finanziert Verhaltensprogramm für bessere Lernergebnisse in Tunesiens Schulen
Von Nihan Koseleci Blanchy und Olivier Radelet
An der El-Omrane-Oberschule in einem wirtschaftlich und sozial benachteiligten Vorort von Tunis haben die Schülerinnen und Schüler einen Abstellraum zum Schulradiosender umfunktioniert. Auf dem Schulhof herumliegende Getränkedosen malten sie bunt an – seitdem landet weniger Müll auf dem Boden.
„Ich glaube, das ist das Beste, was ich bisher gemacht habe“, meint Ghofrane, Schüler an der El-Omrane-Oberschule. „Ich habe sogar schon einige meiner Bilder ausgestellt.“
Ghofrane und seine Freunde beteiligen sich an einer breit angelegten Kampagne, die von der Europäischen Investitionsbank unterstützt wird und die Lernbedingungen in tunesischen Schulen verbessern soll. Neben dem Bau neuer Schulen und der Sanierung alter Einrichtungen soll die Kampagne vor allem über Gewalt und Mobbing in Schulen aufklären – ein Problem, das in Tunesien beunruhigende Ausmaße angenommen hat. 2015 gaben fast 30 Prozent der Schülerinnen und Schüler an, mehrmals im Monat gemobbt zu werden. Viele Schüler haben Probleme mit der Disziplin – sie prügeln, stören, randalieren. Aber seit das Programm angelaufen ist, gibt es nach Aussage des Direktors der El-Omrane-Schule weit weniger Prügeleien.
Gegen Gewalt an Schulen
Weltweit starten Maßnahmen, um die 17 UN-Ziele für eine nachhaltige Entwicklung umzusetzen. Doch kein Land kann dieser Agenda gerecht werden, wenn der Schulunterricht nicht funktioniert oder Kinder körperlich und psychisch leiden. Das UN-Entwicklungsziel 16.2 fordert das Ende jeglicher Form von Gewalt gegen Kinder. Jeder Jugendliche hat das Recht, frei von Angst und Missbrauch zu leben.
Prozentualer Anteil der Schülerinnen und Schüler, die 2016 in Tunesien von der Schule verwiesen wurden
2015 fand in 72 Ländern eine Umfrage zur Disziplin in Schulen statt. Tunesien schnitt dabei am schlechtesten ab. Es wurde erfasst, wie häufig folgende Probleme im Unterricht auftraten:
- Schüler hörten der Lehrkraft nicht zu
- Lärm und Unruhe
- Die Lehrkraft musste lange warten, um mit dem Unterricht zu beginnen
- Schüler konnten dem Unterricht nicht gut folgen
- Schüler brauchten nach Unterrichtsbeginn noch lange, um sich zu konzentrieren
Lob statt Strafe
2014 vergab die EIB einen Kredit von 70 Millionen Euro an das tunesische Bildungsministerium, das damit landesweit Schulen modernisiert. 2017 startete das Land in 80 Sekundarschulen ein Pilotprogramm zur positiven Verhaltensunterstützung, um das Lernklima zu verbessern.
Das Programm hat 1,5 Millionen Euro aus einem Fonds erhalten, an dem die EIB beteiligt ist. Es basiert auf der Überzeugung, dass sich Lernleistungen durch die Vermittlung positiver Werte eher verbessern lassen als mit drakonischen Strafen. Schulleitungen und Lehrkräfte aus allen Regionen Tunesiens wurden entsprechend geschult.
Sie können diese Werte in ihren Schulen auf unterschiedliche Weise umsetzen und festhalten, mit welcher Methode es funktioniert. In der Stadt Jendouba im Nordwesten Tunesiens hat die Oberschule La Liberté beschlossen, eine Reihe von Werten für respektvolles und verantwortungsbewusstes Verhalten umzusetzen.
Die Lehrkräfte vermitteln den Schülerinnen und Schülern, welches Verhalten von ihnen erwartet wird, und geben ihnen durchgängig positives Feedback. Ob Klassenzimmer, Flure, Kantine, Pausenhof oder Schulbusse – die gesamte Schule gehört zur Lernumgebung.
An der El-Omrane-Schule in Tunis hat Ali gerade seine Prüfungen bestanden: „Früher hatte ich enorme Probleme im Umgang mit anderen und konnte mich im Unterricht nicht konzentrieren. Seit ich bei dem Programm mitmache, klappt das alles viel besser.
Solche kleinen Erfolge setzen sich unter den Mitschülern fort. Durch das Programm zur positiven Verhaltensunterstützung können Tunesiens Schulen aber nicht nur die Lernergebnisse verbessern. Sie wollen den Kindern auch Werte vermitteln, die für ihren gesamten weiteren Lebensweg wichtig sind. Ein Programm, das weltweit Schule machen könnte.