In Uganda erhalten Flüchtlinge und Einheimische Finanztraining für wirtschaftliche Unabhängigkeit und ein besseres Leben
Stellen Sie sich vor, Sie müssen fliehen – nur die Kleider am Leib und einige wenige Habseligkeiten unterm Arm. Sie rennen um Ihr Leben und müssen Job, Hab und Gut, Familie und Ihre Erinnerungen zurücklassen.
So erging es auch Mary Nadia, eine der 1,3 Millionen südsudanesischen Flüchtlinge in Uganda. 2016 flohen Mary und ihre Familie in einem kleinen Auto aus ihrer Heimat, um dem dortigen Konflikt zu entkommen. Im ugandischen Bidibidi wagte sie einen Neuanfang.
Mit Online-Videos brachte Mary sich selbst das Schneidern bei und machte so aus ihrer Leidenschaft eine Einkommensquelle. Doch die Existenzgründung fiel ihr nicht leicht, da sie die unternehmerischen Gepflogenheiten in Uganda nicht kannte. „Ich habe mein Geld unüberlegt nur so rausgeschmissen“, sagt sie. „Was ich verdiente, gab ich direkt aus. Am Ende war ich wieder arm.“
Deshalb nahm sie 2019 an einem zweiwöchigen Training der Centenary Bank für Unternehmerinnen und Unternehmer teil. Mit Unterstützung der Europäischen Investitionsbank veranstaltete die ugandische Bank für über 1 776 Flüchtlinge und einheimische Geschäftsleute Kurse in Betriebswirtschaft und Finanzen.
Jetzt ist Mary stolze Eigentümerin einer gut laufenden Schneiderei. „Ich hoffe, dass ich meinen Laden später vergrößern und so die Zukunft meiner Kinder sichern kann“, so Mary.
Lernen für eine bessere Zukunft
Die Centenary Bank unterstützt vulnerable Gemeinschaften in Uganda und trägt so zur sozioökonomischen Entwicklung des Landes bei. Das Institut bietet in neun Distrikten mit hoher Flüchtlingszahl betriebswirtschaftliche Trainings an – in Isingiro, Kamwenge, Hoima und Masindi in Westuganda, Adjumani, Arua, Koboko und Yumbe in Norden des Landes und Kampala in Zentraluganda.
Flüchtlinge, Frauen und einheimische Unternehmerinnen und Unternehmer erlernten so banktechnische und grundlegende betriebswirtschaftliche Fertigkeiten wie Kalkulation, Preisgestaltung und Buchführung. Dank des Trainings kann Mary ihre Ausgaben besser überwachen, mehr Kleidung herstellen, neue Maschinen anschaffen und sogar mehr Leute einstellen.
Von den Schulungen profitieren die Flüchtlinge und die Centenary Bank gleichermaßen. Die Bank stockte ihr Personal auf und steigerte ihr Geschäftsvolumen. „Die Flüchtlinge haben ihre Erfahrungen mit uns ausgetauscht“, sagt Fabian Kasi, Geschäftsführer der Centenary Bank. „Das war sehr hilfreich und vorteilhaft für unser Projekt.“
Finanzielle Teilhabe in ganz Afrika
Das Projekt der Centenary Bank ist das erste seiner Art in Afrika. Die Europäische Investitionsbank hat es maßgeblich unterstützt, so Kasi.
Die ugandische Initiative ist Teil des EIB-Programms für technische Hilfe für ostafrikanische Banken. Es wurde 2014 ins Leben gerufen, um Banken und deren Kunden, darunter auch Flüchtlinge, in ganz Ostafrika zu beraten und beim Kompetenzaufbau zu helfen. Die EIB hat das Mikrofinanzportfolio der Centenary Bank bereits mehrfach refinanziert – zunächst 2012 mit einem Darlehen von 8 Millionen Euro, dann 2019 mit einem Darlehen über 15 Millionen Euro und schließlich im Dezember 2021 mit 10 Millionen Euro.
„Darlehen für Mikrofinanzierungen und technische Hilfe ermöglichen es Instituten wie der Centenary Bank, kleine und mittlere Unternehmen optimal zu unterstützen“, sagt Hannah Siedek, Senior Microfinance Investment Officer bei der EIB. „Die Empfänger dieser Darlehen stellen mit dem Geld etwa zusätzliche Arbeitskräfte ein, um mehr Brot zu verkaufen. Dadurch kann die Bäckerin mehr verdienen, expandieren, ihr Warensortiment erweitern und vielleicht sogar das Schulgeld für ihre Kinder zahlen.“
Konkret schult die Centenary Bank durch die Initiative 2 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, unterstützt 75 Maßnahmen zum Kompetenzaufbau und ermöglicht rund 6 000 Unternehmerinnen und Unternehmern in ganz Uganda ein besseres Leben. Mary gibt beispielsweise ihre handwerklichen Fertigkeiten an andere alleinerziehende Mütter in ihrer Gemeinschaft weiter, damit sie ihr eigenes Geld verdienen und ihren Kindern in Uganda eine bessere Zukunft bieten können.
Mikrofinanzierungen sind ein wichtiger Motor für den sozioökonomischen Wandel in Orten wie Bidibidi. Das zeigt auch die Geschichte von David Mutamuta, der im September 2016 in Bidibidi ankam. Um seiner Familie ein besseres Leben zu bieten, nahm er 2019 an einem Training der Centenary Bank zum Thema Gemüseanbau teil.
Mit dem neu erworbenen Wissen konnte David expandieren: Er kaufte Maniok-Farmen und eröffnete einen Laden, in dem er seine gesamte Ernte verkaufte. Damit schafft er für seine Familie und die Flüchtlinge in seinem Umfeld ein neues Zuhause.
„Flüchtlinge müssen unbedingt finanzielle Kenntnisse erwerben. Im Südsudan hätten wir unser Geld leichtfertig ausgegeben. Wenn wir so weitergemacht hätten, stünden wir jetzt vor dem Nichts“, sagt David. „Aber ich habe eine Existenz aufgebaut und darauf bin ich stolz.“