Mit Risikokapital gegen den Hunger in der Welt

Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen entwickeln sich rasant und bahnen sich den Weg in sämtliche Lebensbereiche. Kein Wunder also, dass sie auch schon im Kuhfladen angekommen sind.

Kühe und andere Nutztiere werden von Darmparasiten geplagt. Um sie zu bekämpfen, müssen Landwirte Kotproben an ein Labor schicken und fünf Tage auf Ergebnisse warten. Oft geben sie ihren Tieren jedoch einfach nur Arzneimittel, was zu einer Medikamentenresistenz führen kann. „Zu viele Medikamente können sich auch in der Nahrungskette anreichern“, sagt Daniel Izquierdo, Geschäftsführer und Mitbegründer von Micron Agritech. „Was die Tiere bekommen, landet auch auf unserem Teller.“

Gemeinsam mit befreundeten Studierenden der Technischen Universität Dublin entwickelte Izquierdo einen Schnelltest, mit dem Landwirte Darmparasiten bei Rindern, Schafen und Pferden nachweisen können. Das „Micron Kit“ gewinnt auf Basis von maschinellem Lernen verwertbare Informationen aus Kotproben, die mit einem tragbaren Stift entnommen werden.

Per Smartphone werden die Infos an die Cloud weitergeleitet. Ein auf mehr als 20 000 Datenpunkten basierendes Modell erkennt den Parasiten und liefert Ergebnisse in weniger als einer halben Stunde.

„Das ist unsere Chance, die Gesundheit von Mensch und Tier zu verbessern“, so Izquierdo. „Wir wussten, dass wir die gängigen Praktiken mit Technik zum Besseren verändern konnten.“

Das Team von Izquierdo hat mit dem Projekt mehrere Auszeichnungen und Preisgelder gewonnen. So konnte es 2019 die Universität verlassen und sein eigenes Unternehmen gründen. Eine Kapitalbeteiligung von The Yield Lab Europe, einer Risikokapitalgesellschaft für Landwirtschaft und Lebensmittelsysteme, die im Rahmen der Investitionsoffensive für Europa vom Europäischen Investitionsfonds (EIF) unterstützt wird, half ihnen dabei. „So konnten wir unser Produkt weiterentwickeln, was uns entscheidend voranbrachte“, sagt Izquierdo.

Seitdem arbeitet das Team von Micron Agritech Vollzeit an dem Projekt. Zehn Nutzer in Irland verwenden die Prototypen, und 2022 soll das Produkt am Markt eingeführt werden. „Wir stehen an einem Wendepunkt in der Landwirtschaft; der Sektor will sich verändern und neue Dinge ausprobieren“, so Izquierdo. „Dafür braucht er die entsprechende Technik.“



Mit Risikokapital gegen den Hunger in der Welt

Micron Agritech zeigt, wie Risikokapital dabei helfen kann, dringend benötigte Innovationen in der Landwirtschaft einzuführen. Die Weltbevölkerung erreichte dieses Jahr die 8-Milliarden-Marke und dürfte noch um 30 Prozent wachsen, bis sie in etwa 60 Jahren mit 10,4 Milliarden ihren Höchststand erreicht. Es wird nicht einfach sein, so viele Menschen mehr zu ernähren. Klimawandel, mehr Extremwetter, Bodenverarmung – all das schwächt die Fähigkeit des Planeten, die Menschen mit Nahrung zu versorgen. Falls wir die Lebensmittelproduktion nicht wesentlich verändern und sie mithilfe von Innovation und neuen Technologien deutlich steigern, könnten künftige Generationen Hunger leiden.

Der EIF fördert Risikokapital durch Beteiligungen an Fonds wie The Yield Lab Europe.

„Durch Beteiligungen an Fonds von Risikokapital- und Private-Equity-Firmen können wir die Mittel für den Markt vervielfachen“, so Adelaide Cracco, Leiterin der Abteilung Klima- und Umweltwirkung beim EIF. „So mobilisieren wir mit jedem Euro weitere vier Euro von anderen Investoren. Wir können unsere Tätigkeit außerdem besser skalieren und erreichen mit unseren finanziellen und personellen Mitteln mehr Firmen und Betriebe als allein. Und die Fondsmanager, mit denen wir arbeiten, sind nah genug am Markt, um aussichtsreiche Unternehmen auszuwählen, und bieten ihnen neben Kapital auch einen Zusatznutzen.“



Emsige Innovationen

Ein weiteres Agritech-Start-up, an dessen Unterstützung der EIF beteiligt war, ist ApisProtect. Die Firma mit Sitz im irischen Cork hat ein innovatives System für Imkerinnen und Imker entwickelt. Mit Sensoren, weltweiter Datenübertragung und künstlicher Intelligenz hilft es ihnen dabei, ihre Produktivität zu steigern und Kosten zu senken.

Bienen spielen eine wichtige Rolle bei der Lebensmittelproduktion, weil sie für die Bestäubung vieler Nutzpflanzen unerlässlich sind. Die Zahl der Bienen geht jedoch zurück, und Klimawandel, Biozide, Krankheiten und nicht optimale Bewirtschaftungsmethoden sind eine Bedrohung für sie.

ApisProtect kombiniert das Internet der Dinge und künstliche Intelligenz, um Daten aus den Bienenstöcken zu übermitteln und zu interpretieren. „Unsere Technologie überwacht Temperatur, Bewegung, Luftfeuchte und Geräusche. So müssen die Imker die Bienenstöcke nicht regelmäßig selbst überprüfen, sondern sie erhalten intelligente Warnungen und können damit Schädlinge und Krankheiten frühzeitig erkennen“, erklärt Aoife O’Mahony, die Marketingleiterin von ApisProtect.

Die Technologie von ApisProtect ist klein und unauffällig, etwa so groß wie ein Smartphone. Was sie so besonders macht, ist die künstliche Intelligenz dahinter.

Das Unternehmen fand heraus, dass die Kontrolle von Bienenstöcken meist unnötig ist. Und riskant: Jedes Öffnen des Bienenstocks bedroht das Leben der Königin, und die Bienen werden für etwa drei Tage gestört. „Wenn man die Bienen irgendwohin fährt, damit sie zwei Wochen lang Mandelbäume bestäuben, dann kann man sich es nicht leisten, sie drei Tage lang zu stören“, so O‘Mahony.

Mit der Technologie von ApisProtect erhalten die Imker alle benötigten Informationen, während die Bienen ungestört weitersummen. „Das bedeutet mehr Zeit zum Bestäuben, weniger Risiken, besseres Zeitmanagement für Imker und geringere Benzinkosten“, resümiert O’Mahony.

Risikokapitalbeteiligungen wie bei Micron Agritech und ApisProtect fördern Innovationsprozesse in einer frühen Phase. „Solche Innovationen können ganze Branchen auf den Kopf stellen“, erklärt Cracco vom EIF. „Dadurch können wichtige neue Produkte und Technologien für die Zukunft mit einem enormen Langzeiteffekt entstehen.“