Warum wir bei Wasser langfristig denken müssen, statt nach kurzfristigen Lösungen zu suchen

Von Ambroise Fayolle und Henk Ovink

Wasser ist eine unserer wichtigsten natürlichen Ressourcen. Und die Versorgung mit sauberem Trinkwasser gehört zu den großen Errungenschaften der Zivilisation. Daher geht es in einer Wasserkrise nicht selten um Leben und Tod.

Heute haben ungefähr zwei Milliarden Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser, und etwa die Hälfte der Weltbevölkerung leidet jedes Jahr zumindest zeitweise unter gravierender Wasserknappheit. Die begrenzten Süßwasserressourcen der Erde sind schon jetzt überlastet: durch das Bevölkerungswachstum und wasserhungrige Volkswirtschaften. Bis 2030 wird der weltweite Wasserbedarf das nachhaltige Angebot um 40 Prozent übersteigen. Die zunehmende Wassernachfrage und die steigenden Temperaturen führen dazu, dass Wasserknappheit künftig immer mehr Menschenleben und Existenzgrundlagen bedroht – und damit auch die Stabilität von Gesellschaften in aller Welt.

Wie können wir bei Wasser nun das Ruder herumreißen, damit die Gesellschaft gesund, die Wirtschaft stark und die Erde lebenswert bleiben? Wie bei anderen öffentlichen Gütern wie Klima oder Umwelt schauen wir bei Maßnahmen für den Erhalt natürlicher Ressourcen eher darauf, was sie heute kosten, statt die langfristigen Vorteile zu sehen. Der Wassersektor ist aktuell unterfinanziert und chronisch knapp an Kapazitäten, um die Nachfrage zu decken. Doch wenn wir das UN-Entwicklungsziel „Verfügbarkeit und nachhaltige Bewirtschaftung von Wasser und Sanitärversorgung für alle“ erreichen wollen, müssen wir die derzeitigen weltweiten Ausgaben für Wasser auf über 1 Billion US-Dollar pro Jahr (1,21 Prozent des weltweiten BIP) vervierfachen. Außerdem müssen wir die 470 Milliarden US-Dollar kompensieren, die wir jedes Jahr durch Überschwemmungen und eine mangelhafte Bewässerung verlieren.



Mit Investitionen gegen die Wasserkrise

Jeder Cent, den wir in den Wassersektor investieren, schützt die Umwelt und das Klima und stärkt so unsere Volkswirtschaften – jetzt und in Zukunft. Als Jordanien im Dezember 2023 von der Europäischen Investitionsbank einen Kredit über 200 Millionen Euro für eine Entsalzungsanlage am Roten Meer und eine Pipeline in die Hauptstadt Amman bekam, betonte die jordanische Ministerin für Planung und internationale Zusammenarbeit, Zeina Toukan, wie wichtig diese Projekte für die Wassersicherheit und die wirtschaftliche Entwicklung sind. Wir alle müssen umdenken und uns fragen, was unser Wasser wirklich wert ist und wie wir damit umgehen.

Wie bei vielen anderen Engpässen kann der öffentliche Sektor die große Investitionslücke im Wassersektor nicht allein schließen. Hier muss die Wirtschaft mitziehen. Nach Angaben des 

Wenn Firmen mit neuen Technologien ihren Wasserverbrauch senken und Abwasser als Energie-, Wärme-, Nährstoff- und Materialquelle nutzen, verringern sie ihren ökologischen Fußabdruck, und es bleibt mehr Wasser für andere übrig. Das CDP beziffert diese „wasserbezogenen Chancen“ auf 711 Milliarden US-Dollar. Dabei geht es nicht nur um Einsparungen beim Wasserverbrauch, sondern auch um das Wachstum langfristiger potenzieller Märkte für intelligente Wassertechnologien und die Vorteile besserer Beziehungen zwischen Gemeinschaften. Weil Wasser in den meisten Teilen der Welt billig ist, bestehen für Unternehmen kaum Anreize, in einen sparsameren Umgang mit Wasser oder in wassereffizientere Produktionsprozesse zu investieren.

Investitionen in den Wasserkreislauf

Wie können wir den Privatsektor dazu bringen, in den Erhalt des Wassersystems zu investieren? Zunächst müssen Firmen erkennen, dass Ausgaben für Wasserprojekte echte Investitionen sind und nicht nur reine Kosten. Zweitens müssen wir Wasser den richtigen Wert beimessen und die richtigen Anreize für seine Verwendung setzen. Erst dann zahlt sich ein sparsamer Umgang auch wirtschaftlich aus. Aber gerade bei Wasser ist das ein heikler Balanceakt, denn der bezahlbare Zugang zur Trinkwasser- und Sanitärversorgung ist ein anerkanntes – und damit nicht verhandelbares – Menschenrecht. Drittens würden eine globale Zusammenarbeit und neue grenzüberschreitende Programme mehr Investitionen in Wasser mobilisieren. Nur so können wir Marktversagen beheben und verhindern, dass Wasser politisiert und als Waffe eingesetzt wird.

Die UN-Wasserkonferenz 2023 in New York – die zweite nach 1977 – bietet eine einzigartige Gelegenheit, über die Sicherheit der Wasserversorgung zu diskutieren, die Krise direkt in Angriff zu nehmen und anzuerkennen, dass Investitionen in die Wasserversorgung für eine nachhaltige und gerechte Wirtschaft ebenso wichtig sind wie Investitionen in saubere Energie. Wir haben die Möglichkeit, neue Leitlinien für einen funktionierenden Wasserkreislauf festzulegen und einen ganzheitlicheren Ansatz zu finden, der überall auf der Welt eine nachhaltige Entwicklung ermöglicht – in den Niederlanden und in Luxemburg genauso wie in Nigeria und Laos. Außerdem müssen wir mehr Anreize für öffentliche und private Geldgeber schaffen, in Wasserprojekte zu investieren, die sich erst später auszahlen.

Nur wenn wir das Wasserziel erreichen, schaffen wir auch die anderen UN-Nachhaltigkeitsziele. Deshalb muss die Ressource Wasser endlich zentraler Bestandteil unseres Investitionsportfolios sein und im Mittelpunkt unserer Wirtschaftspolitik stehen.



Ambroise Fayolle ist Vizepräsident der Europäischen Investitionsbank. Henk Ovink ist der Sonderbeauftragte für internationale Wasserangelegenheiten der Niederlande.

Dieser Artikel erschien zuerst bei Project Syndicate.