Der Klimawandel verschlimmert die Wasserkrise in Senegal. Neue Infrastruktur soll mehr als einer Million Menschen im Land den Alltag erleichtern
Schon vor dem Morgengrauen steht Marie Sall auf, in der Hoffnung, am Wasserhahn eine Tonne füllen zu können, damit die siebenköpfige Familie für den Tag genug zu trinken hat und sich waschen kann. Doch in Pikine, einem Stadtteil von Saint-Louis im Norden von Senegal, kommt schon seit Wochen nichts mehr aus der Leitung.
„Das ist kein Leben“, seufzt sie, als sie an ihre fünf Kinder eine Flasche Wasser verteilt, die eine Nachbarin ihr überlassen hatte. Aber Sall hat keine Wahl. Sie muss den Tag damit verbringen, Wasser für ihre Familie zu holen.
Neue Hoffnung weckt jetzt ein Kredit der Europäischen Investitionsbank (EIB) über 64,5 Millionen Euro an Senegal, zu dem ein EU-Zuschuss von 5,55 Millionen hinzukommt. Damit erhalten Salls Familie und alle anderen Menschen, die in Saint-Louis und in den beiden Städten Kaolack in Zentralsenegal und Kolda im Süden des Landes leben, endlich eine stabile Trinkwasserversorgung.
„Wasser ist Leben. Ich bin stolz, an einem Projekt mitzuarbeiten, das den Schwachen in Senegal zugutekommt. Wir haben unseren afrikanischen Partnern schon in der Coronakrise geholfen“, erzählt François-Xavier Parant, Kreditreferent bei der EIB.
Die Bank der EU ist seit 1966 in Senegal tätig und gehört heute zu den wichtigsten Partnern des Landes. Bevölkerungswachstum und schwere Dürren bringen Senegal mit seinen knappen Wasservorkommen immer stärker unter Druck. Die Finanzierung der EIB bedeutet daher „Wasser für alle“.
Trinkwasser für kleine Städte
Die Stadt Saint-Louis mit ihren 230 000 Menschen liegt zwischen dem Fluss Senegal und dem Atlantik. Ihre strategische Lage war ein Segen in der Vergangenheit, im Kontext des Klimawandels ist sie ein Fluch.
„Mit der neuen Aufbereitungsanlage wird alles anders“, versichert Abdou Diouf, der für den nationalen Wasserversorger Société Nationale des Eaux du Sénégal die Arbeiten vor Ort leitet.
Durch das Wasserprojekt entstehen in Saint-Louis:
- eine neue Trinkwasseraufbereitungsanlage
- Speichertanks
- ein größeres Verteilnetz
Ähnliches ist auch für Kolda und Kaolack geplant. So können sich die 634 000 Menschen in den drei Städten auf ein stabileres Wassernetz und besseres Trinkwasser freuen. Das entspricht genau den Zielen der Initiative für nachhaltige Städte in Afrika. Denn gibt es in kleineren Städten kein Wasser, wandern die Menschen ab – in der Hoffnung auf ein besseres Leben anderswo.
„Sekundärstädte brauchen Investitionen. Nur so können sie den steigenden Wasserbedarf decken und Ungleichheiten abbauen“, erklärt Emmanuel Chaponniere, der das Projekt als leitender Ingenieur bei der EIB betreut. Frühere Kredite an die senegalesische Wassergesellschaft flossen in Projekte in der Hauptstadt Dakar.
Mehr Hilfe, mehr Wirkung
Menschen wie Ouleymatou Diakhaté sind auf Wasser aus der Flasche angewiesen. Wer dafür kein Geld hat, trinkt schmutziges Wasser aus Tanks. Dadurch kommt es noch häufiger zu Krankheiten, die über Luft oder Wasser übertragen werden.
Mit dem EU-Zuschuss von 5,55 Millionen Euro kann der Wasserversorger seine 35 000 subventionierten Trinkwasseranschlüsse für landesweit 350 000 Menschen schneller installieren. Mobilisiert wurde der Zuschuss von der EIB über Team Europa. „Es ist unglaublich, wie viel wir mit diesem Projekt bewegen können“, freut sich Chaponniere.
Die eigentlichen Gewinner bei dem Paket aus EIB-Kredit und EU-Zuschuss sind Frauen und Mädchen, denn Wasserholen gilt als Frauensache. Die damit verlorene Zeit fehlt ihnen zum Lernen und Geldverdienen.
„Ein verlässlicher Partner an unserer Seite“
Das EIB-Team genehmigte das Projekt für die drei Städte in der Pandemie schnell und auf digitalem Weg. Im Oktober waren bereits 13,5 Millionen Euro geflossen.
„Dank der langjährigen und engen Beziehung konnten wir die Prüfung rasch durchziehen. Wir kennen die Wassergesellschaft und sie uns. Schließlich ist das seit 1995 schon unser fünftes Projekt mit der Société Nationale des Eaux du Sénégal“, so Parant.
Mit ihren Pandemie-Hilfen finanzierte die EIB ausnahmsweise fast 90 Prozent der Projektkosten. Normalerweise liegt der Deckel bei 50 Prozent. Dadurch wurden für Senegal 34 Millionen Euro frei, die das Land in die wirtschaftliche Erholung von der Coronakrise investieren konnte.
„Wir hatten das Glück, einen verlässlichen Partner an unserer Seite zu haben“, resümiert Diouf.