Was ist Venture Debt? Venture Debt ist ein Kredit an Frühphasen-Unternehmen, damit diese zwischen ihren Eigenkapitalrunden liquide bleiben. Unser Venture-Debt-Experte hat die Antworten auf Ihre Fragen
Was ist Venture Debt?
Venture Debt ist ein Kredit an Frühphasen-Unternehmen, damit diese zwischen ihren Eigenkapitalrunden liquide bleiben. Normalerweise wird Venture Debt nicht langfristig vergeben, sondern innerhalb von 18 Monaten zurückgezahlt, manchmal auch nach zwei bis drei Jahren. Private Venture-Debt-Geber (Fonds oder Banken) erwarten eine Rückzahlung meist aus den Erlösen der nächsten Finanzierungsrunde. Die Vergabe von Venture Debt bleibt meist eng mit Risikokapitalfinanzierungen (Venture Capital) verzahnt, und nicht selten erhält ein wachsendes Unternehmen mehrfach solche Kredite.
Seit wann gibt es Venture Debt?
Venture Debt kam in den 1960er- und 1970er-Jahren in Kalifornien auf und diente zunächst meist zum Leasing von Maschinen. Denn im Silicon Valley ging es damals tatsächlich noch um Silizium und die Chipherstellung, und dafür brauchten die jungen Unternehmen teure Maschinen. In den 80er-Jahren vergaben die Silicon Valley Bank und andere private Fonds dann erstmals Venture Debt, damit Unternehmen immer neue Eigenkapitalrunden vermeiden konnten – denn die kosteten Zeit und verwässerten den Anteilsbesitz. Als das Geschäft mit Risikokapital Fahrt aufnahm und die Zahl der Start-ups wuchs, reichten immer mehr kleine Fonds und Boutique-Banken kleinere Kredite an junge Unternehmen aus. Und so wandelte sich das Instrument allmählich von der Anlagenfinanzierung zu dem Produkt, wie wir es heute kennen.
Welchen Stellenwert hat Venture Debt in Europa?
Hierzu gibt es kaum genaue Zahlen. Was wir wissen, basiert auf wenigen internen Untersuchungen und Marktstudien sowie Einzelbeispielen. Wir schätzen, dass Venture Debt in Europa betragsmäßig rund drei Prozent des jährlichen Risikokapitalvolumens ausmacht. In den USA dürften es 15 Prozent sein.
Was ist das Besondere am Venture Debt der Europäischen Investitionsbank?
Für uns ist Venture Debt ein bisschen wie ein Studienkredit für junge Unternehmen, die ihre ersten Erfahrungen gesammelt haben und nun den nächsten Schritt gehen wollen. Wie Studierende haben auch sie normalerweise weder Vermögen noch Einnahmen. Wenn Banken ihnen überhaupt einen Kredit geben, dann in Erwartung künftiger Erträge.
Die Europäische Investitionsbank achtet bei ihren Venture-Debt-Finanzierungen auf bestimmte Kriterien: Die Unternehmen müssen innovativ sein, auf solide Eigenkapitalinvestoren zählen können und von einem fähigen Team gemanagt werden. Und sie müssen Lösungen für Marktversagen bieten oder eine gute Perspektive haben. Unser Ansatz ist dabei langfristig. Die Unternehmen sollen den Kredit aus Geschäftserlösen zurückzahlen. Dafür bleiben wir durchaus über fünf, sieben oder mehr Jahre an ihrer Seite. Andere Risikokapitalgeber wollen ihr Geld meist schon nach ein bis drei Jahren wieder zurück. Wir sind dagegen geduldige Investoren, die das langfristige Wachstum eines Unternehmens unterstützen.
Was ist der Unterschied zwischen Venture Debt und Venture Capital?
Venture Debt ist eine Ergänzung zu Venture Capital (Risikokapital), das ein wichtiger Baustein für neue Unternehmen ist. Für Risikokapital brauchen Sie Leute, die den richtigen finanziellen Anreizen folgen oder selbst Risiko tragen – also Gründerinnen und Gründer und Investoren, die Eigentümer eines Unternehmens sind und neben Kapital auch Know-how einbringen. Risikokapitalgeber begnügen sich nicht damit, Anteile zu halten: Sie nehmen aktiv Einfluss, geben Rat und machen das Unternehmen fit für den Markt. Dabei nutzen sie ihre bisherigen Erfahrungen in der Branche.
Venture Debt ist eher eine Ergänzung all dessen, quasi das Sahnehäubchen. Wenn wir einem Unternehmen, seinem Management, seinen Produkten, den anderen Investoren, den Gründern usw. vertrauen, geben wir einen Kredit. Damit kann das Unternehmen wachsen und seine nächsten Etappenziele erreichen. Und in der nächsten Finanzierungsrunde hat es dann schon etwas mehr vorzuweisen – ohne dass der Besitz der Investoren und Gründer verwässert wird. Bei Venture Debt steigen wir weder als Anteileigner in das Unternehmen ein, noch greifen wir in sein Management ein. Die Gründerinnen und Gründer und die frühen Investoren können den Wert ihres Anteilsbesitzes also steigern, ohne sofort Teile davon an Dritte abgeben zu müssen.
Arbeitet die Europäische Investitionsbank mit Risikokapitalgebern zusammen?
Mehr als 50 Prozent unserer Venture-Debt-Investitionen kommen über Risikokapitalfonds zustande. Die Fonds treten an uns heran und sagen: „Wir haben in Unternehmen X investiert und suchen jetzt weitere Geldgeber, weil es Unterstützung verdient.“ Sie kommen damit zu uns, weil sie wissen, dass wir ein zuverlässiger Partner sind, der seine Investitionen gründlich prüft. Außerdem: Wenn wir uns als geduldiger Investor engagieren, dann ist das eine Art Gütesiegel, das für das Investment spricht.
Worauf achtet die EIB bei einem Venture-Debt-Geschäft?
Risikokapitalgeber schauen auf das Team, die bisherigen Erfolge und das spezielle Know-how des Unternehmens. Auch der Markt, die Ressourcen des Unternehmens und etwaige Probleme im Hinblick auf Personalgewinnung, Nachfrage, Skalierbarkeit und vieles mehr sind wichtig. Risikokapitalgeber müssen an die mögliche Rendite und die Kontrolle ihres Investments denken – das ist letztlich ihre Absicherung. Wir achten auf dieselben Punkte, allerdings sind wir eine EU-Einrichtung. Insofern interessiert uns bei einer Investition nicht nur die wirtschaftliche Seite, sondern auch, inwieweit damit EU-Ziele erreicht werden. Wir prüfen die uns vorgelegten Technologien oder Projekte unter dem Blickwinkel der EU-Ziele im Bereich Innovation und ökologische und soziale Wirkung. Diese zusätzliche Prüfung wird von den Unternehmen meist sehr geschätzt, denn eine Kreditzusage der Europäischen Investitionsbank gilt am Markt als echter Vertrauensbeweis.
Welche Vorteile bietet Venture Debt?
Unternehmen, die einen klaren Entwicklungsplan haben, bekommen mit Venture Debt die nötigen Mittel, um in ihr Geschäft zu investieren und zu wachsen – ohne ständige Finanzierungsrunden, und ohne immer wieder Anteile an Dritte verkaufen zu müssen. Das Management kann sich auf die Geschäftsentwicklung konzentrieren und muss nicht dauernd neuen Mitteln hinterherjagen. Bei Venture Debt müssen Sie Ihre Geschäftsleitung auch nicht für andere Personen öffnen, die möglicherweise andere Ziele haben als Sie. Denn Investoren in Frühphasenunternehmen bringen nicht nur Eigenkapital ein, sondern auch eigene Vorstellungen. Venture Debt bietet den Vorteil, dass Sie zusätzliche Finanzkraft erhalten, ohne dass der vorhandene Investorenkreis gestört und sein Anteilsbesitz verwässert wird. Davon profitieren vor allem die Gründerinnen und Gründer und die Erstinvestoren.
Was bringt Venture Debt für ein Unternehmen?
Venture Debt gibt einem Unternehmen mehr Zeit, sich bis zur nächsten Finanzierungsrunde weiterzuentwickeln. Dann steigen möglicherweise einige Investoren aus, neue kommen an Bord, oder ein Börsengang steht an. Je mehr Zeit ein Unternehmen zwischen den Kapitalrunden für seine Entwicklung hat, desto größer sind die Chancen, mehr Kunden zu gewinnen, mehr Umsatz zu erzielen, neue Niederlassungen zu eröffnen oder neue Talente anzuwerben. Sehr erfolgreiche Frühphasen-Unternehmen erleben unter Umständen ein exponentielles Wachstum. Wenn sie dann Eigenkapitalrunden vermeiden können, gewinnen ihre Anteile enorm an Wert.
Gibt es auch Nachteile bei Venture Debt?
Venture Debt hat einige Schwächen. Die größte ist, dass der gesamte Prozess recht umständlich sein kann. Die Genehmigung eines Venture-Debt-Kredits der EIB kann bis zu neun Monate dauern, denn anders als andere Kapitalgeber prüft die EIB die Investition nicht nur finanziell, sondern auch technisch auf Herz und Nieren. Für ein junges Start-up kann das ein Problem sein. Aber für uns spricht, dass wir ein langfristiger Investor sind und dass eine Investitionsentscheidung der Europäischen Investitionsbank Signalwirkung für andere Investoren hat. Firmen, die eine Venture-Debt-Finanzierung von uns erhalten, können im Anschluss meist das 2,5-Fache an Mitteln aufnehmen – über die Dauer unserer Investition sogar das bis zu Acht- bis Zwölffache. Der langfristige Ansatz der Europäischen Investitionsbank sorgt zugleich für Stabilität. Für viele Frühphasen-Unternehmen, die an neuen Technologien arbeiten, ist das enorm wichtig.
Welche Art von Unternehmen profitiert von Venture Debt?
Am Markt ist Venture Debt für alle Arten von Start-ups verfügbar. Die Europäische Investitionsbank unterstützt damit aber nur innovative Unternehmen, die bereits ein oder zwei Finanzierungsrunden mit privaten Geldgebern absolviert haben. Als öffentlicher Kreditgeber fördern wir Technologien und Innovationen, die den strategischen Zielen der EU entsprechen. Die Hälfte unseres Venture-Debt-Portfolios aus rund 200 Firmen sind Biotech- und Life-Sciences-Unternehmen, ein Viertel stammt aus den Bereichen Softwaresicherheit und künstliche Intelligenz. Der Rest ist in der Industrie 4.0 tätig, in Segmenten wie Robotik und neue Werkstoffe. Bewerben können sich Frühphasen-Unternehmen aller Art, unser Schwerpunkt liegt allerdings auf Innovation. In den nächsten Jahren dürften wir dann mehr Unternehmen aus Bereichen sehen, die mit der grünen Wende im Zusammenhang stehen.
Kommt ein Venture-Debt-Kredit der EIB auch für mein Unternehmen infrage?
Unternehmen, die einen Venture-Debt-Kredit der EIB in Anspruch nehmen wollen, müssen beweisen, dass sie innovativ sind und den Markt mit disruptiven Ideen aufrütteln – oder dies zumindest planen. Das sollte idealerweise in einem Bereich geschehen, der für die Europäische Union strategisch wichtig ist. Eine Glücksspiel-Website würde also kein Geld von uns bekommen. Anders sieht es bei Unternehmen aus, die in einem der derzeitigen strategischen Schwerpunktbereiche der EU überdurchschnittlich stark in Innovation investieren. Zu diesen Bereichen gehören etwa grüne und Kreislauftechnologien, künstliche Intelligenz, Industrie 4.0, Life Sciences und Biotechnologie, Luftfahrt oder neue Werkstoffe.
Ein weiteres Kriterium für unsere Venture-Debt-Kredite ist, dass wir nur Unternehmen fördern, die bereits mindestens eine oder zwei Finanzierungsrunden mit privaten Investoren hinter sich haben. Das ist ganz wichtig für uns. Denn wir wollen den Kreditnehmern nicht sagen, wie sie ihr Unternehmen zu führen haben. Wir wollen uns auf unsere Venture-Debt-Unternehmen und ihre Führungsstrukturen verlassen können. Viele der Firmen in unserem Venture-Debt-Portfolio haben beispielsweise bereits mit Fonds zusammengearbeitet, an denen der Europäische Investitionsfonds beteiligt ist.
Die Europäische Investitionsbank finanziert zudem maximal die Hälfte einer geplanten Investition. Die Unternehmen müssen uns also zeigen, wo der Rest der Mittel herkommen soll. Diese Mittel müssen nicht schon zugesagt sein, aber das Unternehmen muss eine klare Idee haben, wie es die restlichen 50 Prozent finanzieren will. So stellen wir sicher, dass wir mit unserer Finanzierung keine privaten Geldgeber verdrängen. Wir verlangen von den Firmen außerdem, dass sie ebenfalls Risiken übernehmen, und zwar in dem Maße, in dem wir das auch tun. Unser Beitrag zu dem Unternehmen ist also proportional zum finanziellen Engagement der Menschen, die dahinterstehen.
Was kostet ein typischer Venture-Debt-Kredit?
Eine Venture-Debt-Finanzierung ist zwar ein Kredit, aber die Kreditgeber gehen hier ein viel höheres Risiko ein als etwa Banken, die einem etablierten Unternehmen Geld leihen. Entsprechend teurer ist diese Art der Finanzierung meist. Dafür sind Venture-Debt-Finanzierungen für die Unternehmensgründer und Erstinvestoren auch vorteilhafter als Eigenkapitalfinanzierungen. Bei Letzteren verkaufen sie normalerweise einen Teil des Geschäfts und alle damit verbundenen künftigen Erträge und sonstigen Ansprüche.
Was die Bepreisung angeht, so gibt es kein Standardmodell am Markt. Die Rendite der Geldgeber speist sich in der Regel aus verschiedenen Elementen: regelmäßige Zinszahlungen, erst bei Fälligkeit zahlbare Zinsen, verschiedene Gebühren, Optionen auf eine Teilhabe am Unternehmenserfolg (sogenannte Equity Kicker) und andere erfolgsbasierte Zahlungsbestandteile. So können die Kapitalgeber am Erfolg des finanzierten Unternehmens teilhaben. Wie diese Preisbestandteile im Einzelnen strukturiert werden, richtet sich vor allem nach der Art des Unternehmens und seinen Perspektiven. Das häufigste Modell sieht eine geringe regelmäßige Verzinsung und bestimmte Gebühren vor, die zu vereinbarten Zeitpunkten fällig werden. Zudem bleibt ein kleiner Teil der Aktienoptionen den Geldgebern vorbehalten.