Vielfalt im Management ist gut fürs Geschäft. Unternehmen, die Frauen fördern, überzeugen durch mehr Wachstum, Rendite und Gewinn
Von Marjut Falkstedt und Maria Leander
Tosin Akinmusire begann 2009 bei Food Concepts, als Restaurantleiterin in Lagos. Zehn Jahre später wurde sie Regionalleiterin der Gruppe, die die wachstumsstarke Kette Chicken Republic betreibt. Damit ist sie nun für 23 Filialen in Lagos und Ostnigeria verantwortlich.
Der Erfolg von Akinmusire als berufstätige Mutter ist zum Teil das Ergebnis der Gleichstellungspolitik, die Food Concepts gemeinsam mit einem seiner Hauptinvestoren vertritt: dem Private-Equity-Fonds Development Partners International (DPI). Der Fonds investiert in Unternehmen südlich der Sahara, die Vielfalt und Gleichstellung in der Praxis leben. Die Europäische Investitionsbank-Gruppe beteiligt sich mit 50 Millionen Euro an einem neuen Fonds von DPI.
Frauen fördern zahlt sich aus. Unternehmen, in denen mindestens die Hälfte der Führungskräfte Frauen sind, wachsen schneller und erwirtschaften mehr Gewinn und eine höhere Rendite. Vielfalt begünstigt auch eine solidere Entscheidungsfindung und macht die Wirtschaft krisenfester. Einer jüngsten Studie von Morgan Stanley zufolge schlagen die Aktien von Unternehmen mit gemischten Führungsriegen den Markt. Goldman Sachs fand heraus, dass von Frauen gemanagte Fonds 2020 trotz der pandemiebedingten Marktturbulenzen besser abschnitten. Eine Analyse der Harvard Business Review ergab: Vielfältig besetzte Teams erzielen bei Risikokapitalfirmen deutlich bessere Ergebnisse – gemessen an der Verzinsung ihrer einzelnen Beteiligungen wie auch insgesamt.
Es gibt auch reichlich Belege dafür, dass Frauen vorsichtigere Kreditnehmer sind und Schulden verlässlicher zurückzahlen. Außerdem werden etwa 80 Prozent der Kaufentscheidungen für Konsumgüter von Frauen getroffen. Deshalb produzieren Unternehmen mit Frauen im Management oft bessere Produkte, weil sie die Perspektiven und Erfahrungen von Frauen berücksichtigen. Kurzum: Firmen, die Frauen keinen Platz geben, spielen ein riskantes Spiel. Sie laufen Gefahr, im Wettbewerb zurückzufallen und an den großen Herausforderungen unserer Zeit zu scheitern – wie etwa dem Klimawandel.
Die Beweislage ist erdrückend. Und doch sind Frauen im oberen Management weiterhin stark unterrepräsentiert. Das gilt besonders für die Risikokapitalbranche, wo nur etwa eine von zehn Führungskräften weiblich ist, wie die Europäische Investitionsbank in ihrem aktuellen Bericht Funding women entrepreneurs feststellt. Der geringe Frauenanteil an der Spitze von Risikokapitalfirmen und Business Angels ist besonders drastisch bei Start-ups zu spüren, den Innovationsmotoren der Wirtschaft. Vor der Krise flossen nur 2,8 Prozent des investierten Risikokapitals an frauengeführte Start-ups. Seit der Krise ist der Anteil sogar auf 2,3 Prozent gesunken.
Vom Wort zur Tat
Wie können wir das ändern? Wie Food Concepts brauchen wir Strategien, die Frauen fördern und unterstützen. Geschlechtsspezifische Vorurteile haben sich über Jahrtausende aufgebaut. Es wird Zeit und Mühe kosten, sie aus dem Weg zu räumen. Wir brauchen konkrete Ideen, wie wir mehr Ausgewogenheit bei Personalauswahl, Weiterentwicklung, Beförderung und Investitionen sicherstellen.
Bei der Europäischen Investitionsbank-Gruppe, zu der die Europäische Investitionsbank und der Europäische Investitionsfonds gehören, haben wir eine Gender-Strategie für unsere Finanzierungen verabschiedet. Sie fußt auf drei Säulen: Schützen, Wirkung erzielen und Investieren.
- Die Rechte von Frauen schützen und sicherstellen, dass sie keinen Schaden nehmen
- Eine größere Wirkung erzielen‚ indem wir dafür sorgen, dass die mitfinanzierten Projekte den Bedürfnissen von Frauen und Männern entsprechen und die Geschlechtergleichstellung fördern
- Direkt in Vorhaben investieren, die Frauen wirtschaftlich stärken, etwa Hilfe bei der Existenzgründung oder beim Zugang zu Krediten
Diese Säulen gelten auch für unsere Investitionen in Klimaschutz und ökologische Nachhaltigkeit – sie sollen bis 2025 mindestens 50 Prozent aller Finanzierungen der EIB-Gruppe ausmachen und im kritischen Jahrzehnt bis 2030 Investitionen von einer Billion Euro anstoßen.
Noch lange nicht am Ziel
Wie viele andere Organisationen müssen auch wir intern noch einiges tun und unsere Kolleginnen ermutigen und fördern. In ihrer Strategie für Vielfalt und Inklusion hat sich die EIB Ziele gesetzt, um den Frauenanteil in höheren Positionen zu steigern. Bis Ende 2021 sollen Frauen bei uns 33 Prozent der Führungspositionen besetzen sowie 40 Prozent der höheren Fachkräfte und 50 Prozent der Fachkräfte stellen. Ende 2020 waren 29,5 Prozent der Führungskräfte weiblich. Bei den höheren Fachkräften betrug der Frauenanteil 34,7 Prozent, bei den Fachkräften 42,5 Prozent. Wichtig ist: Frauen und Männer werden bei uns gleich bezahlt.
Um die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit zu schließen, müssen wir aber noch weitere Wege finden, Frauen zu stärken. Das könnte bedeuten, mehr Mikrofinanz- oder andere Produkte anzubieten, die Frauen im Geschäftsleben helfen. Innerhalb der Bank sind mehr Mentoring-Programme denkbar, die jüngeren Frauen die Chance geben, vom Erfolg anderer zu lernen.
Die Pandemie ist besonders für Frauen eine schwierige Zeit. Viele stehen im Gesundheitswesen und als Lehrerinnen an vorderster Front oder haben im schwer getroffenen Tourismus oder Servicesektor ihren Job verloren. Die rasante Digitalisierung durch die Pandemie und der Aufstieg der Tech-Branche, in der sie unterrepräsentiert sind, spielen den Frauen auch nicht in die Karten. Deshalb brauchen wir konkrete Pläne, Qualifizierungsmöglichkeiten und Investitionsstrategien für Frauen, damit ihre Stimme gehört wird. Damit Frauen nicht noch weiter ins Hintertreffen geraten – auch, weil die Menschheit nur so zu mehr und nachhaltigerem Wohlstand gelangt.
Von der amerikanischen Flugpionierin und Frauenrechtlerin Amelia Earhart stammt der Satz: „Das Schwierigste ist die Entscheidung zu handeln, der Rest ist reine Beharrlichkeit.“ Wir müssen handeln, damit Tosin Akinmusire und fast vier Milliarden andere Frauen mit Beharrlichkeit zum Erfolg kommen können.
Marjut Falkstedt ist Generalsekretärin der Europäischen Investitionsbank. Maria Leander ist Generalsekretärin des Europäischen Investitionsfonds.