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  • Nur mit einem dynamischen privaten Sektor können die Länder der MENA-Region aus ihrer hohen Verschuldung herauswachsen
  • Nachhaltiges Wachstum im privaten Sektor erfordert Reformen zur Förderung von Innovationen, digitaler Technologien und Ausbildungs- und Schulungsinvestitionen
  • Dabei müssen auch Nachhaltigkeitsaspekte und die globale Klimaschutzagenda berücksichtigt werden

Die Europäische Investitionsbank (EIB), die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE) und die Weltbank haben einen gemeinsamen Bericht mit dem Titel Unlocking Sustainable Private Sector Growth in the Middle East and North Africa (MENA) vorgelegt. Darin werden Hindernisse für das Produktivitätswachstum und die begrenzte Akkumulation von Produktionsfaktoren im privaten Sektor im Nahen Osten und Nordafrika (der MENA-Region) untersucht.

Der Bericht beruht auf dem MENA Enterprise Survey, einer von Ende 2018 bis 2020 durchgeführten Befragung von über 5 800 formellen Unternehmen aus Ägypten, Jordanien, dem Libanon, Marokko, Tunesien, dem Westjordanland und dem Gazastreifen. Seit der globalen Finanzkrise der Jahre 2007–2009 und dem Arabischen Frühling Anfang der 2010er-Jahre lahmt die Wirtschaft im Nahen Osten und in Nordafrika. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf ist in der MENA-Region seither lediglich um 0,3 Prozent pro Jahr gestiegen. Zum Vergleich: Die Wachstumsraten der Länder mit mittlerem Einkommen bzw. der Entwicklungsländer in Europa und Zentralasien lagen im Schnitt bei 1,7 Prozent bzw. 2,4 Prozent.

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Quelle: World Economic Outlook des Internationalen Währungsfonds (IMF WEO), Berechnungen der Verfasser

Anmerkung: Durchschnittliches Wachstum des BIP pro Kopf von 2008 bis 2020. Benchmark-Gruppen anhand nicht gewichteter Länder-Durchschnittswerte. Südeuropa: Zypern, Griechenland, Italien, Malta und Portugal. Europa und Zentralasien: Länder, die 2008 als Länder mit mittlerem Einkommen eingestuft wurden. Mittleres Einkommen, untere Kategorie: Länder, die an den Enterprise Surveys 2018–2020 teilgenommen haben und 2008 als Länder mit mittlerem Einkommen, untere Kategorie eingestuft wurden. Mittleres Einkommen, obere Kategorie: entsprechender Durchschnitt für Länder mit mittlerem Einkommen, obere Kategorie.

Insbesondere angesichts der ohnehin bestehenden wirtschaftlichen Herausforderungen für die Region ist ein kräftigeres und nachhaltiges Wachstum vonnöten. Die Staatsverschuldung ist im vergangenen Jahrzehnt deutlich gestiegen, und gleichzeitig sind die Investitionen gesunken. In jüngster Zeit haben die Auswirkungen der Coronapandemie die staatlichen Finanzen in der Region zusätzlich beansprucht. Und Russlands Invasion der Ukraine hat über höhere Preise für fossile Brennstoffe, Risiken für die Lebensmittelsicherheit und sinkende Touristenzahlen ebenfalls Folgen für die MENA-Länder.

Daher sollte die Politik das Potenzial des privaten Sektors nutzen, um den Wohlstand in der Region zu steigern.

Lesen Sie die Zusammenfassung des Berichts.

EIB-Chefvolkswirtin Debora Revoltella: „Die Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine kommen zu den strukturellen Anfälligkeiten in der Region hinzu. Neben Sorgen wegen des schwachen Wirtschaftswachstums und der steigenden Verschuldung treten jetzt noch die zu erwartende globale Verknappung der Finanzmittel, die anhaltend hohen Energie- und Lebensmittelpreise und die Sorgen um die Lebensmittelsicherheit. Um den neuen Schock zu bewältigen, müssen die MENA-Länder zentrale strukturelle Probleme in Angriff nehmen. Reformen zum Abbau regulatorischer Hindernisse, zur Eindämmung der Schattenwirtschaft, zur Förderung des Wettbewerbs und zur Stärkung von Innovation und Digitalisierung sind für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum und eine bessere Widerstandsfähigkeit gegen künftige Schocks dringend erforderlich.“

Laut der Umfrage sind mehrere Faktoren ungünstig für das wirtschaftliche Umfeld in der MENA-Region. Der faire Wettbewerb leidet unter politischen Seilschaften und Schattenwirtschaft, wovon nur eine begrenzte Zahl von Unternehmen profitiert. Die Managementmethoden sind schwächer als in Vergleichsländern; die Durchschnitts-Scores sind in allen MENA-Ländern seit 2013 gesunken.

Zölle und Handelsregulierungen stellen für Unternehmen in der MENA-Region anscheinend größere Barrieren dar als in anderen Ländern. Die Zollabfertigung beim Import oder Export nimmt mehr Zeit in Anspruch als in anderen Ländern. Die MENA-Länder führen dabei viel ein und exportieren wenig.

International tätige Unternehmen sind zwar eher zur Entwicklung und Ausarbeitung neuer Verfahren bereit, aber nur 20 Prozent investieren in Innovation, was die wirtschaftlichen Aussichten der Region langfristig beeinträchtigen kann.

Die Region muss ihre personellen Ressourcen besser nutzen. Zumeist investieren nur einige ausländische Unternehmen in die Ausbildung ihres Personals; häufig handelt es sich dabei um digital vernetzte, exportorientierte Unternehmen. Außerdem verzichten viele Unternehmen auf Finanzgeschäfte mit anderen Wirtschaftsakteuren und greifen freiwillig auf Eigenfinanzierung zurück.

Die Anreize zur Dekarbonisierung sind gering, sodass sich Unternehmen aus den MENA-Ländern mit geringerer Wahrscheinlichkeit als solche aus Europa und Zentralasien um eine Verringerung ihres ökologischen Fußabdrucks bemühen.

Um ein nachhaltiges Wachstum im privaten Sektor zu fördern, müssten die MENA-Länder laut dem Bericht regulatorische Hindernisse für Unternehmen abbauen, den Wettbewerb fördern und die abschreckende Wirkung eindämmen, die von politischen Seilschaften und Schattenwirtschaft ausgeht.

Außerdem sind Reformen erforderlich, um Innovationen, die Einführung digitaler Technologien und Investitionen in Aus- und Fortbildung zu fördern. Gleichzeitig müssen diese Maßnahmen der globalen Klimaschutzagenda entsprechen, Nachhaltigkeit fördern und die Umwelt schützen.

Bessere Managementmethoden können entscheidend dazu beitragen. Roberta Gatti, Chefvolkswirtin für den Nahen Osten und Nordafrika bei der Weltbank: „Gute Managementmethoden können bis zu 30 Prozent der Effizienzunterschiede zwischen einzelnen Ländern erklären. Die Unternehmen in der MENA-Region, insbesondere die staatlichen Unternehmen, haben recht schwache Managementmethoden. Dort kann eine Verbesserung beträchtliche Vorteile bringen. Sie ist nicht kostspielig, aber auch nicht leicht. Unter anderem erfordert sie eine Veränderung der Mentalität.“

Außerdem sollten Anreize für Unternehmen geschaffen werden, neben einer Verbesserung der Managementmethoden auch verstärkt die Vorteile des grenzüberschreitenden Handels und globaler Wertschöpfungsketten zu nutzen.

Gleichzeitig sollten die Regierungen sicherstellen, dass dieser Übergangsprozess gerecht erfolgt. Sie müssen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ermöglichen, ihre Chance auf neue und bessere Arbeitsplätze in der grünen Wirtschaft zu nutzen, und gleichzeitig Schutz bei drohender Arbeitslosigkeit bieten. Erforderlich sind arbeitsmarktpolitische Maßnahmen, Aus- und Fortbildung, soziale Sicherungsnetze und die Unterstützung der wirtschaftlichen Entwicklung in der Region.

EBWE-Chefvolkswirtin Beata Javorcik: „Der Klimawandel verschafft der MENA-Region die Chance, sich ökologisch besser zu positionieren und sich so Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Dadurch entstehen dringend benötigte und hochwertige Arbeitsplätze in der grünen Wirtschaft.“

Hintergrundinformationen

Die Weltbankgruppe gehört zu den größten Kapitalgebern, Wissens- und Informationsquellen für Entwicklungsländer. Ihre fünf Institute wollen Armut bekämpfen, den allgemeinen Wohlstand steigern und eine nachhaltige Entwicklung fördern.

Die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE) ist eine multilaterale Bank, die die Entwicklung des Privatsektors und der unternehmerischen Initiative in 38 Ländern auf drei Kontinenten fördert. Eigentümer der EBWE sind 71 Länder sowie die EU und die EIB. Durch ihre Investitionen will die EBWE aus den Regionen, in denen sie tätig ist, Volkswirtschaften machen, die wettbewerbsfähig, inklusiv, gut geführt, grün, widerstandsfähig und integriert sind.