Marokko und die EIB finden Wege aus der Wassernot
Zazia Boughadi gibt in ihrem Fitnessstudio im nordmarokkanischen Boufakrane Kampfsportkurse. Doch sie hatte Mühe, die Teilnehmer bei der Stange zu halten. Grund war der akute Mangel an sauberem Wasser. „Die Leute im Kurs waren demotiviert“, erzählt sie. „Denn der Wasserdruck war so niedrig, dass sie nach dem Training oft nicht duschen konnten. Ein Drittel der Mitglieder blieb weg.“
Jahrelang verließen sich die Menschen in Boufakrane auf ihre Brunnen. Doch mit dem Bevölkerungswachstum – die Einwohnerzahl der Stadt versechsfachte sich in 20 Jahren auf mehr als 30 000 – nahm der Pegel schnell ab und die Wasserqualität auch.
Die marokkanische Strom- und Trinkwasserbehörde löste das Problem. Sie baute eine Trinkwasserleitung von der Stadt Meknès nach Boufakrane und versorgt die Menschen nun mit sauberem Wasser aus den angrenzenden Einzugsgebieten Haj Kaddour und Saïss. Das Projekt wurde 2021 abgeschlossen und hat eine Million Euro gekostet. Die Mittel dafür stammten zum Teil aus einem umfangreichen Programmdarlehen, das Marokko von der Europäischen Investitionsbank für landesweite Wasserprojekte bekommen hatte. Die Bank gehört weltweit zu den größten Geldgebern für den Wassersektor.
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Landesweite Wasserknappheit
Auch in anderen Regionen Marokkos ist das Wasser knapp. Grund sind Umweltveränderungen, das Bevölkerungswachstum und die übermäßige Entnahme von Grundwasser für die Landwirtschaft. 2022 erlebte das Land die schlimmste Dürre der letzten 40 Jahre. Seit den 1960er-Jahren ist die Verfügbarkeit von Wasser von 2 600 Kubikmetern pro Kopf und Jahr auf weniger als 600 Kubikmeter zurückgegangen.
„Unsere Entnahmekapazität sinkt kontinuierlich“, erklärt Mohamed Farhaoui, der beim nationalen Wasserversorger für die Erschließung zuständig ist. „Früher haben wir in der Region Fez-Meknès 30 bis 35 Liter Grundwasser pro Sekunde hochgepumpt. Jetzt sind es gerade noch 20 Liter.“
Die Weltgesundheitsorganisation schätzt den täglichen Grundbedarf auf 50 bis 100 Liter pro Kopf. 20 Liter pro Sekunde bedeuten etwa 1 730 Kubikmeter pro Tag. Damit können knapp 35 000 Menschen versorgt werden. Die Zahlen variieren allerdings je nach Verteilungseffizienz, Jahreszeit und Nutzungsmustern. Und manchmal kann man Brunnenwasser nicht unbehandelt trinken oder zum Kochen verwenden.
Dringender Bedarf an moderner Wasserversorgung
Um die Wasserknappheit in vielen marokkanischen Regionen in den Griff zu bekommen, braucht es unbedingt moderne Infrastruktur und eine gute Steuerung und Überwachung der Wasserverteilung. In der Region Fez-Meknès brachten die örtlichen Behörden 2021 rund 12,4 Millionen Euro für sieben Trinkwasserprojekte auf, darunter die neue Wasserleitung von Meknès nach Boufakrane.
Die EIB hat in den letzten zehn Jahren mehrere Kredite für eine bessere Wasser- und Sanitärversorgung in Marokko vergeben: 37,5 Millionen Euro im Jahr 2021 und jeweils 75 Millionen Euro 2019 und 2015. 2023 bereitet die Bank mit Marokko einen Kredit über 181 Millionen Euro für weitere Wasserprojekte vor.
Die Leitung nach Boufakrane hat die Wasserknappheit in der Region behoben und in der Stadt zwei Dauerarbeitsplätze geschaffen.
„Unsere Durststrecke ist vorbei“, sagt Farhaoui vom nationalen Wasserversorger. „Jetzt können wir die Menschen in unserem Gebiet endlich ohne Unterbrechung versorgen.“
Im Rahmen des Projekts entstanden eine 13,5 Kilometer lange Wasserleitung von Meknès nach Boufakrane und eine hochmoderne Pumpstation in Haj Kaddour.
„Bei der Infrastruktur geht es nicht nur um Rohre und Wasserspeicher“, erklärt Fildine Bargachi, die im Büro der EIB in Rabat an dem Kredit mitgewirkt hat. „Es geht auch um eine bessere Verteilung. Das Projekt hat die Lebensgrundlagen vieler Familien verbessert. Und jetzt haben auch kleine Firmen in diesen abgelegenen Gebieten bessere Chancen.“
Auch Wushu-Trainerin Boughadi ist froh über die zuverlässige Wasserversorgung. Die Angriffs- und Abwehrtechniken ihrer Kampfsportart zu lernen, bringt ins Schwitzen und macht durstig. Deshalb musste sie früher von zu Hause Wasser in großen Krügen ins Fitnessstudio mitbringen oder für ihre Schützlinge Wasserflaschen kaufen. „Das war mühsam und zeitaufwendig“, erzählt Boughadi. „Endlich müssen wir das Wasser nicht mehr rumschleppen oder kaufen. Und weil kann man jetzt bei uns auch duschen kann, haben wir schon viel mehr Mitglieder. Dieser Sport hat eine Zukunft.“
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