Wasser ist kostbar auf Sardinien. Der italienische Versorger Abbanoa will die durch den Klimawandel knapper werdenden Wasservorräte besser schützen und effizienter nutzen
Von Peter Koh und Chiara Robotti
Auf Sardinien ist Wasser kostbar. Die italienische Insel bekommt die ganze Wucht des Klimawandels zu spüren. Es regnet immer weniger auf der zweitgrößten Insel im Mittelmeer. Und das bedroht zusammen mit dem steigenden Meeresspiegel die vorhandenen Süßwasservorräte. Schlimmer noch: Im Sommer 2021 verwüsteten Waldbrände 20 000 Hektar, zwangen mehr als 1 500 Einwohner zur Flucht und zerstörten fast 90 Prozent der Olivenhaine in der Gemeinde Cuglieri. Selbst der berühmte tausendjährige Olivenbaum von Sa Tanca Manna litt schwer darunter. Deswegen hat die Instandsetzung der undichten Wasserleitungen, die fast 60 Prozent des Wassers verlieren, oberste Priorität für Abbanoa, den größten Wasserversorger Sardiniens.
„Wasser ist lebenswichtig, ein Gemeingut, das nicht selbstverständlich ist. Wir müssen es schützen und bestmöglich bewirtschaften“, so Antonio Mulas, der Finanzmanager von Abbanoa.
Seit 2018 arbeitet das Unternehmen an einem ehrgeizigen Investitionsplan, um den Wasserverlust in den Leitungen und Wasserspeichern zu senken. Aber um Wasserverluste zu verringern, reicht es nicht, alte Rohre auszutauschen. Je höher der Druck im Versorgungsnetz, desto mehr Wasser geht durch Rohrbrüche und undichte Stellen verloren. Rohre brechen manchmal auch aufgrund von Druckschwankungen, durch die sie sich dehnen und wieder zusammenziehen.
Der mehrjährige Investitionsplan von Abbanoa soll Schwachstellen beseitigen und Lecks aufspüren. In Oliena, einem Dorf mit 7 000 Einwohnern, das als Pilotprojekt diente, konnten die Wasserverluste von 70 Prozent um mehr als die Hälfte reduziert werden. Durch die Halbierung des nächtlichen Mindestdurchflusses erhöhte sich auch die Effizienz des Wassernetzes erheblich. Diese Maßnahme wurde inzwischen auf 100 weitere Gemeinden in Sardinien ausgedehnt, darunter Dorgali und Orsei, wo die Wasserverluste um 44 bzw. 53 Prozent sanken.
Das gesamte Wasserversorgungsnetz wird jetzt digital überwacht – unterstützt durch sorgfältige Wasseranalysen, Druckregelung und Luftkontrolle. 300 000 Kundinnen und Kunden erhielten zudem intelligente Wasserzähler, die die Abrechnung und Verwaltung effizienter und transparenter machen. Im Jahr 2018 hatte es erst 100 000 davon gegeben.
Abbanoa will alle alten Zähler durch intelligente Messtechnik ersetzen, die den Verbrauch effizienter und genauer misst und es den Verbrauchenden ermöglicht, ihren Verbrauch fast in Echtzeit zu überwachen.
Die Investitionen des Unternehmens decken den gesamten Wasserkreislauf ab und wirken sich durch die Nutzung gereinigten Abwassers für den Ackerbau und die Bewässerung kommunaler Grünflächen auch positiv auf die Landwirtschaft und den Tourismus auf Sardinien aus. Außerdem gelangt so weniger Abwasser ins Meer. Die Parks in der Hauptstadt Cagliari werden bald mit gereinigtem Abwasser bewässert. Die Landwirtschaft nutzt bereits 95 Prozent des Klärschlamms.
Ein Teil der geplanten Arbeiten von mindestens 400 Millionen Euro hat sich durch die Coronapandemie verzögert. „Für Arbeiten am Wassernetz muss das Wasser abgestellt werden“, erklärt Mulas. „Während der Lockdowns, als die Leute zu Hause waren und Wasser brauchten, haben wir deswegen in erster Linie die Versorgung gesichert.“
Zur Finanzierung seiner Pläne wandte sich Abbanoa an die Europäische Investitionsbank und unterzeichnete 2019 ein Darlehen über 200 Millionen Euro mit einer Garantie des Europäischen Fonds für strategische Investitionen. Die Struktur- und Investitionsfonds der EU tragen ebenfalls zur Finanzierung des Projekts bei. „Dies war eine großartige Gelegenheit, einen neuen Kunden für ein umfangreiches Klimaschutzprojekt in einer Kohäsionsregion zu gewinnen“, sagt Alessandro Ronzoni, Kreditreferent der Europäischen Investitionsbank. „Die Lecks waren im Sektorvergleich und im Vergleich zum Rest Italiens extrem zahlreich, sodass unser Darlehen für das Unternehmen, den Sektor und die Region wirklich etwas bewirkt.“
Die EIB-Finanzierung schloss eine große Lücke für Abbanoa und kam zum richtigen Zeitpunkt.
„Das Darlehen war für uns auch in Zeiten der Pandemie eine große Beruhigung“, so Mulas weiter. „Dank des Darlehens konnten wir dieses große Projekt in Angriff nehmen, da wir die Mittel hatten, um vernünftig zu planen. Es war die Lösung unserer mittelfristigen Probleme. Wir mussten nicht mehr punktuell arbeiten, sondern konnten die Versorgung gezielt verbessern. Die Menschen, die unter großen Engpässen litten, werden jetzt einwandfrei mit Wasser versorgt.“