Wenn heute über Klima diskutiert wird, ist oft von „gerechtem Übergang“ die Rede. Was ist damit gemeint? Und wie lässt er sich erreichen?
Eine einheitliche Definition gibt es nicht. Grob gesagt ist damit alles gemeint, was wir tun müssen, damit Arbeitnehmenden und Gesellschaften der Übergang in eine CO2-neutrale Wirtschaft gelingt. Millionen Arbeitsplätze werden verschwinden – für das Gemeinwesen eine enorme Belastung. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer brauchen Umschulungen und neue Jobs, vielleicht werden sie sogar umziehen müssen. Ganze Regionen und Branchen hängen von fossilen Brennstoffen ab und müssen sich bis 2050 neu ausrichten. Dabei sind die Auswirkungen des Klimawandels weltweit sehr ungleich verteilt: Die Ärmsten sind auch die Gefährdetsten.
Deshalb muss ein gerechter Übergang Kernbestandteil jeder globalen Klimaverpflichtung sein. Schon das Pariser Abkommen anerkennt die „zwingende Notwendigkeit eines gerechten Strukturwandels für die arbeitende Bevölkerung und der Schaffung menschenwürdiger Arbeit und hochwertiger Arbeitsplätze“. Auf der UN-Klimakonferenz 2018 im polnischen Katowice gaben die Länder eine Erklärung zum gerechten Übergang ab, damit auf dem Weg in die neue grüne Wirtschaft niemand zurückbleibt.
So wenig schmerzhaft wie möglich
Um einen gefährlichen Klimawandel abzuwenden, muss die Weltwirtschaft die Energie- und Landnutzung schnell und grundlegend ändern. Denn hier entstehen die meisten Treibhausgasemissionen, hier liegt die Wurzel der Klimakrise. Der Ausstieg aus fossilen Brennstoffen und anderen kohlenstoffintensiven Tätigkeiten bis Mitte dieses Jahrhunderts ist dabei ebenso wichtig wie entwickelten und sich entwickelnden Ländern bei einem möglichst wenig schmerzhaften Strukturwandel zu helfen.
Die Europäische Investitionsbank und die anderen multilateralen Entwicklungsbanken – zentrale Akteure der globalen Klimafinanzierung – verpflichteten sich 2019, weltweit einen gerechten Übergang zu unterstützen. Als größte Klimabank der Welt ist die EIB entschlossen, den Menschen zu einer fairen und gerechten Umstellung zu verhelfen.
„Ein gerechter Übergang für alle“ ist eine der vier Säulen des Klimabank-Fahrplans der EIB. Darin legen wir dar, wie wir unsere Klimaziele 2021–2025 erreichen wollen. Außerhalb Europas entwickelt die Bank derzeit ein spezielles Konzept für den gerechten Übergang. Dabei bauen wir auf den Erfahrungen mit Erneuerbare-Energien-Projekten auf, die den Ausstieg aus der Kohle und anderen fossilen Brennstoffen vorantreiben und Klimaschutz und sozioökonomische Entwicklung fördern.
Ein gerechter Übergang muss besonders in Regionen und Ländern unterstützt werden, denen der Wandel am stärksten zu schaffen macht. Dazu gehören Afrika südlich der Sahara, die östliche Nachbarschaft der EU, kleine Inselentwicklungsländer und fragile Regionen. Genau diese Unterstützung ist eine Priorität unseres neuen Geschäftsbereichs für Entwicklung: der EIB Global.
Investitionen in saubere Energie – nicht erst seit gestern
Die EIB investiert seit Langem erfolgreich in Projekte für saubere Energieinfrastruktur außerhalb der EU. Gemeinsam mit unseren Partnern unterstützten wir:
- Solarenergie in Sambia
- Windkraft in Brasilien
- Windkraft- und Erdwärmeprojekte in Kenia
- kommunale Energieeffizienz in Jordanien
- Offshore-Wind- und Solarkraft in Indien
- Elektrifizierung ländlicher Schulen und Krankenhäuser in Gambia
- Wasserkraft in Liberia, Burundi und Madagaskar
- netzunabhängige Projekte, die Strom in private Haushalte und zu Kleinstunternehmenden bringen
In Sambia bieten wir zusammen mit der einheimischen Geschäftsbank Zanaco langfristige Kredite und technische Hilfe an, damit Kleinbäuerinnen, Kleinbauern und Agrarbetrieben die Anpassung an den Klimawandel leichter fällt. In Guinea hat die EIB ein Darlehen vergeben, mit dem 1 500 Mobilfunktürme dank Solarmodulen und Batteriespeichern mit Strom versorgt werden. Damit werden Dieselgeneratoren nahezu überflüssig, und 7,5 Millionen Menschen erhalten bessere Kommunikationsdienste und besseren Mobilfunkempfang in entlegenen Gebieten.
Die EIB arbeitet mit Partnern vor Ort, internationalen Organisationen und EU-Ländern in einer ganzen Reihe von Programmen zusammen, zum Beispiel:
- RenewAfrica zur Förderung erneuerbarer Energien in 48 afrikanischen Ländern
- DESIREE, eine Partnerschaft mit der Europäischen Kommission für risikoreiche Nachhaltige-Energie-Projekte in Afrika, Asien und Lateinamerika
- „Desert to Power“ und „Great Green Wall“, zwei Initiativen für saubere Energie und grüne Entwicklung in der Sahelzone in Afrika
Die Abkehr von fossilen Brennstoffen und Investitionen in saubere Energie reichen aber nicht aus. Wir brauchen einen ganzheitlichen Ansatz für soziale Entwicklung UND ökologische Nachhaltigkeit. Genau darum geht es bei den Prinzipien des gerechten Übergangs, die die EIB und acht weitere Entwicklungsbanken 2021 vor der 26. UN-Klimakonferenz in Schottland veröffentlicht haben. Angesprochen werden darin Bereiche wie Gleichstellung, wirtschaftliche Selbstbestimmung von Frauen und jungen Menschen, Konflikt und Fragilität oder Migration.
Dass Frauen beim Klimaschutz gleichbehandelt werden und die gleichen wirtschaftlichen Chancen haben, ist eines der vorrangigen Ziele der EIB. Im Mai 2021 sagte die Bank zu, die Investitionen für die Initiative SheInvest und das Programm für technische Hilfe „African Women Rising“ deutlich hochzufahren. Auf der Klimakonferenz 2021 kündigte die Bank den 2X-Leitfaden für gendersmarte Klimafinanzierungen an. Er soll Investoren helfen, Chancen für gender- und klimafokussierte Finanzierungen zu erkennen.
Gemeinsam mit der Afrikanischen Entwicklungsbank, der Europäischen Kommission und der Organisation afrikanischer, karibischer und pazifischer Staaten führen wir das Programm „Boost Africa“ durch. Es fördert das unternehmerische Potenzial junger Afrikanerinnen und Afrikaner in Bereichen wie:
- Technologie
- Agrar- und Lebensmittelsektor
- Finanzdienstleistungen
- erneuerbare Energien
Die Europäische Investitionsbank entwickelt unermüdlich innovative Initiativen und Partnerschaften, die wirtschaftliche und soziale Herausforderungen nachhaltig angehen. So sieht gerechter Übergang in der Praxis aus. Denn für den Kampf gegen den Klimawandel und einen gerechten Übergang innerhalb und außerhalb Europas brauchen wir einen langen Atem.