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Von Greg Clark, Tim Moonen und Jake Nunley

Hier finden Sie einen Überblick über die Städte, denen sich unsere Essay-Reihe eingehend widmet.

Der Text gibt die Ansicht der Autoren wieder, die nicht unbedingt der Sichtweise der Europäischen Investitionsbank entspricht.


>> Sie können den Essay hier herunterladen


1.     Einleitung

1.1          Europa und das Jahrhundert der Metropolen

Die Städte Europas stellen sich im Jahr 2018 wie ein Brennglas auf die Zukunft dar. Die europäischen Metropolen sind Bevölkerungsmagnete, Drehscheiben für Beschäftigung und Kultur, und natürlich sind sie politische Hauptstädte. Wandel und Wettbewerb liegen in der Luft. Dabei hängt Europas wirtschaftliche Zukunft wesentlich von einem Netz heterogener mittelgroßer Städte ab, die kleiner, kompakter und klarer eingrenzbar als ihre Pendants auf anderen Kontinenten sind. Im globalen Vergleich verfügen Europas Städte nicht über die Strahlkraft und Macht, die mit zehn oder mehr Millionen Einwohnern und dem Sitz von Weltkonzernen einhergehen. Sie sind aber auf andere Weise weltweit führend. Sie spielen auf wichtigen internationalen Bühnen wie Kultur, Gesundheit, Wissen und Bildung oder Nachhaltigkeit vorne mit. Bei der Lebensqualität und Krisenfestigkeit schneiden sie häufig sehr gut ab – ein großes Plus, gerade wenn man an den Klimawandel, die Instabilität in der Welt und den wirtschaftlichen Wandel denkt.

>@Nordregio
© Nordregio

Abbildung 1: Lage und relative Größe europäischer Städte heute

In dieser Essayreihe zeigen wir, wie sich die europäischen Städte in den vergangenen 50 Jahren entwickelt haben und wie die Aussichten für die Zukunft sind. Das Zeitalter der Urbanisierung – das Jahrhundert der Metropolen – ist bereits zu einem Drittel verstrichen. Im groben Zeitraum zwischen 1980 und 2080 wird eine neue große Wanderung in die Städte stattfinden. Zum Ende dieses Jahrhunderts werden 80 Prozent der Weltbevölkerung in Städten leben. In Europa wird sogar ein Urbanisierungsgrad von rund 90 Prozent erwartet.

Im Jahrhundert der Metropolen wird sich das Bevölkerungswachstum auf unserem Planeten voraussichtlich verlangsamen. Neue Technologien werden entstehen. Als Stichworte seien nur Smart Living, autonomes Fahren und die Automatisierung der Arbeit genannt. Auch unsere größte Aufgabe – der Kampf gegen die Erderwärmung und den Klimawandel – fällt in dieses Jahrhundert der Urbanisierung. Es könnte sehr wohl von unseren Städten abhängen, ob und in welchem Maße uns die neue räumliche Konzentration von Menschen und Wirtschaftstätigkeit, kombiniert mit maschinellem Lernen und exponentiellen Technologien, helfen wird, die wirtschaftliche Teilhabe zu verbessern und unseren Planeten zu bewahren. Dazu benötigen die Städte aber bestimmte Werkzeuge und Kapital. Voraussetzung dafür sind wiederum stabile politische Systeme, die in der Lage sind, auf die dynamischen Kapitalmärkte, die globale Unsicherheit, geopolitische Turbulenzen und den Populismus zu reagieren.

Die Herausforderungen sind also klar – und Europas Städte stehen mittlerweile für Aktion und Innovation. Zu Beginn unserer Geschichte dieser Städte werfen wir einen Blick auf die vergangenen 50 Jahre. Welche Rezepte für die Urbanisierung in Europas Städten gibt es bislang, und welche Rolle haben Investitionen dabei gespielt? Woher stammen die Investitionen in den Wandel? Und wie lässt sich das Finanzierungs- und Investitions-Know-how auf die Zukunft übertragen, damit die Wanderung in die Städte ein Erfolg wird?

©Jeroen Fortgens/ Shutterstock

1.2          Europas Städte: Die vergangenen 50 Jahre

Der Blick auf die Entwicklung der europäischen Städte von 1970 bis 2020 befördert Überraschendes zutage. Heute leben in den 28 EU-Ländern 72 Prozent der Einwohner in Städten und städtischen Regionen. Hinter diesem Durchschnittswert verbergen sich jedoch große Unterschiede. Der Urbanisierungsgrad variiert zwischen etwa 50 Prozent (Luxemburg, Rumänien, Kroatien) und über 80 Prozent (Italien, Niederlande, Großbritannien). Schaut man genauer hin, unterscheiden sich die europäischen Städte auch nach Größe und Art beträchtlich

>@Eurostat and World Urbanization Propstects
© Eurostat and World Urbanization Propstects

Abbildung 2: Anteil der Stadtbewohner in der EU und in den einzelnen Ländern in Prozent der Gesamtbevölkerung

In Europa gibt es heute eine Mischung aus kleinen, mittelgroßen und großen Städten, die jeweils eigene Aufgaben erfüllen und sich in unterschiedlichen Entwicklungsphasen befinden. Den gängigen Definitionen zufolge gibt es in Europa keine Megastadt, denn kein städtisches Gebiet hat mehr als zehn Millionen Einwohner. Nur in den urbanen Ballungsräumen rund um London, Paris und Mailand leben jeweils mehr als zehn Millionen Menschen.

Im Jahr 2012 gab es laut OECD und EU-Kommission in der EU (plus Schweiz, Kroatien, Island und Norwegen) insgesamt 828 Städte. Darunter sind zwei Weltstädte (London und Paris), sechs große urbane Ballungsräume, deren Zentrum jeweils rund drei Millionen Einwohner hat (Athen, Berlin, Madrid, Barcelona, Mailand und Neapel), 18 kleinere Metropolen (eine bis zwei Millionen Einwohner) und 38 Großstädte (500 000 bis eine Million Einwohner). Die Hälfte der zuletzt genannten Großstädte liegt in Deutschland, Frankreich und Großbritannien.

28 Prozent aller Stadtbewohner in Europa leben in Städten mit weniger als 250 000 Einwohnern. Dieser Anteil ist geringer als in Afrika (33 Prozent), aber höher als in Nordamerika (17 Prozent). Rund 26 Prozent leben in Städten mit einer bis fünf Millionen Einwohnern, und rund 14 Prozent in Städten mit über fünf Millionen Einwohnern.

>@Eurostat and World Urbanization Propstects
© Eurostat and World Urbanization Propstects

Abbildung 3: Anteil der Stadtbevölkerung gegenüber dem Gesamtgebiet in Prozent, nach Kontinent

>@JRC 2015, GHSL Pop Grid V1
© JRC 2015, GHSL Pop Grid V1

Abbildung 4: Anteil der Stadtbewohner in Prozent der Gesamtbevölkerung nach Kontinent, in Prozent

Europa war jedoch nicht immer so städtisch geprägt. In den vergangenen 50 Jahren hat sich die Städtestruktur grundlegend geändert. In dieser Zeit entwickelte sich Europa von einem industriell und vor allem ländlich geprägten zu einem Kontinent der Städte und Metropolen.

Im Jahr 1961 lebten 37 Prozent der Bevölkerung in den 828 Städten des Kontinents. Bis 1981 stieg dieser Anteil auf 40 Prozent. Dort verharrte er geraume Zeit, bis zuletzt ein neues, kräftiges Wachstum der Innenstädte einsetzte. Dagegen konnten Kleinstädte, Vorstädte und stadtnahe Regionen ihren Bevölkerungsanteil in den vergangenen fünf Jahrzehnten stetig steigern, da die Menschen zum einen aus den Innenstädten in die Vorstädte und Stadtrandgebiete und zum anderen aus ländlichen Gebieten in kleinere Städte zogen. Neben diesen grundsätzlichen Verschiebungen – von ländlichen zu städtischen Regionen, aus den Kernstädten in die Vorstädte und von Einzelstädten hin zu Netzen von Nachbarorten – waren in jüngster Zeit noch zwei weitere Trends zu erkennen: eine Reurbanisierung, die zu einer Wiederbelebung der europäischen Innenstädte führt, und eine Metropolisierung, bei der sich benachbarte Städte, Vorstädte und Kleinstädte formell oder informell zusammenschließen und Nahverkehrsnetze und öffentliche Dienstleistungssysteme gemeinsam nutzen.  

1.3          Ein europäisches Stadtsystem?

Die 28 Mitgliedsländer sind der EU in unterschiedlichen Phasen ihrer Entstehung und Erweiterung beigetreten, mit ihren jeweils eigenen, historisch gewachsenen Stadtsystemen und Stadthierarchien. Jedes Land wusste bei seinem Aufbruch nach Europa genau, wie seine Städte zusammenarbeiteten und welches nationale Stadtsystem dem zugrunde lag. 

Durch die Integration in die EU öffneten sich diese gewachsenen Systeme für externe Einflüsse: Es ergaben sich Handelsmöglichkeiten, Bevölkerungsverschiebungen und neue Verkehrskonzepte, die Städte konnten sich wirtschaftlich spezialisieren, und der Austausch und die Zusammenarbeit über die Grenzen hinweg nahmen zu. Mit der Weiterentwicklung der EU haben Europas Städte diese neuen Chancen genutzt und sich in einem sehr viel weiter gespannten, kontinentalen Rahmen in einem stärker integrierten Europa positioniert. Weil die Städte auf die neuen Wahlmöglichkeiten und die neue Konnektivität reagiert haben, ist inzwischen ein neues Phänomen zu beobachten.  Es bildet sich ein europäisches, interdependentes und polyzentrisches Stadtsystem neben den nationalen Stadtsystemen heraus, die ihrerseits dynamischer geworden sind.

Das neue europäische Stadtsystem ist außerordentlich heterogen. Ihm gehören nicht nur die 28 Hauptstädte mit ihren bisherigen unveränderten Rollen an, sondern auch andere, sehr unterschiedliche Städte mit besonderen Spezialisierungen (etwa in den Bereichen moderne Produktion, Finanzwesen, Wirtschaftsdienstleistungen, Kreativwirtschaft, Bildung, Technologie, Häfen und Logistik, Energie, Tourismus, Gesundheit oder Kultur). Städte wie München, Rotterdam, Krakau, Göteborg, Lyon, Manchester, Basel, Barcelona, Cork, Antwerpen, Bologna oder Oulu sind in ihrem nationalen Stadtsystem weder die größte Stadt noch die Hauptstadt, haben aber ihre Chance im Zuge der EU-Integration ergriffen und sind Spezialisten auf europäischer Ebene geworden.   

Dabei sind auch neue, grenzüberschreitende Ballungsräume entstanden wie Wien–Bratislava, Kopenhagen–Malmö oder Triest–Ljubljana. Diese Makro-Stadtnetze haben häufig historische Wurzeln (Österreich und Ungarn) oder profitieren von geografischen Verbindungen wie Meeren (Ostseeregion oder Union für den Mittelmeerraum), Flüssen (regionale Stadtnetze im Rhein-Ruhrgebiet oder an der Donau) oder Gebirgen (transalpine Städtezusammenarbeit in der Schweiz, Frankreich und Italien). 

Zunehmend entstehen auch eng miteinander verknüpfte Stadtcluster, die sich auf moderne Dienstleistungen, Innovationen oder die Kreativwirtschaft spezialisiert haben und dadurch zusammengehalten werden, dass sie Menschen, Arbeitsplätze, Kapital und Ideen anziehen. In Städtegruppen wie der Metropolregion im Nordwesten Europas (Amsterdam, Brüssel, Frankfurt, Paris, London) werden inzwischen insgesamt über 70 Prozent aller modernen Transaktionen in der EU abgewickelt. Sie zeichnen sich durch eine übergreifende Unternehmenspräsenz und mobile Arbeitskräfte aus und profitieren zunehmend von integrierten Schienennetzen und einem dichten Flugnetz. Derzeit entsteht ein Cluster aus mitteleuropäischen Hauptstädten (Berlin, Warschau, Prag, Budapest, Wien, Bratislava), die dank ihrer guten Verkehrsverbindungen als Standort für hochmoderne Wirtschaftszweige dienen. Auch skandinavische Städte (Oslo, Göteborg, Stockholm, Malmö, Kopenhagen) bauen ihre Zusammenarbeit aus und verbessern ihre Verkehrsverbindungen. Sie wollen zu einer Region mit insgesamt zehn Millionen Einwohnern werden, in der jede Stadt ihre Spezialisierung einbringt und gleichzeitig ihr Gewicht für das gemeinsame Ganze in die Waagschale wirft.      

Dieses neue europäische Stadtsystem besteht aus unterschiedlichen Stadttypen. Dazu gehören zum Beispiel:

  • westeuropäische Groß- und Hauptstädte, die als Zentren dienen,
  • Städte, die sich nach einer Deindustrialisierung wieder erholen und durch Investitionen neu erfunden haben,
  • Mittelmeerstädte, die in den Tourismus und die damit verbundene Infrastruktur und Dienstleistungen investiert haben, und
  • ost- und mitteleuropäische Städte, die den Zusammenbruch der Sowjetunion überwunden und in die Anpassung an eine moderne Marktwirtschaft investiert haben
>@EIB

Abbildung 5: Europäische Städtecluster und ihre Verkehrsverbindungen

Mehrere wirtschaftliche und demografische Trends tragen zur Entwicklung dieses neuen Stadtsystems bei. Dazu gehören die größere Mobilität der Bevölkerung, höhere ausländische Direktinvestitionen, moderne Technologie- und Innovationssysteme sowie die damit einhergehende Unternehmens- und Wirtschaftsorganisation.  Um sich darauf einstellen und ihre individuelle Zukunft gestalten zu können, benötigten Europas Städte unterschiedliche Arten von Investitionen – ein zentrales Thema unserer Essayreihe.

Zu Beginn des Essays geben wir einen Überblick über grundlegende wirtschaftliche und demografische Trends, die im vergangenen halben Jahrhundert Einfluss auf die Entwicklung der europäischen Städte hatten. Danach befassen wir uns genauer mit dem neuen europäischen Stadtsystem und zeigen, was dieses System so einzigartig macht, wie es sich im Zeitablauf entwickelt hat und welche Resonanz es gefunden hat. Wir fragen, was diese Umwälzungen überhaupt möglich machte, und konzentrieren uns dabei auf die Rolle von Anpassungsinvestitionen. Abschließend befassen wir uns mit den Bereichen, in denen die Investitionstätigkeit besonders hoch war, und mit der Frage nach dem Beitrag unterschiedlicher Institutionen wie etwa der EIB. Damit wollen wir zeigen, warum es notwendig ist, dass Europa im Jahrhundert der Metropolen in ein flexibles und widerstandsfähiges Stadtsystem investiert, in dem die einzelnen Städte wechselseitig immer verknüpfter werden. 

©Giannis Papanikos/ Shutterstock

2.         Europas Städte: Die vergangenen 50 Jahre

2.1          Bevölkerungs- und Besiedlungstrends

Die Einwohnerzahl der EU-Mitgliedstaaten hat sich von rund 650 Millionen im Jahr 1970 auf etwa 750 Millionen im Jahr 2018 erhöht. Von diesem Zuwachs um 100 Millionen Menschen profitierten vor allem größere und mittlere Städte. Inzwischen verzeichnen jedoch die größten Städte und die Hauptstädte das stärkste Bevölkerungswachstum, auf Kosten von mittelgroßen und kleineren Städten. Von 2002 bis 2012 erhöhte sich die Einwohnerzahl der EU-28 insgesamt um drei Prozent. In den Ballungsräumen um die Hauptstädte herum lag dagegen der Zuwachs bei sieben Prozent. Dieses Muster ist nicht überall zu beobachten, aber besonders deutlich in den flächenmäßig größeren europäischen Ländern, wo die internationalen Entfernungen größer sind. Stark ausgeprägt ist es etwa in London, Stockholm, Paris und Warschau. [1]

Die Bevölkerung einer Stadt verändert sich vor allem durch die Zuwanderung oder Abwanderung. Auch die steigende Lebenserwartung, sinkende Fertilitätsraten und neue gesellschaftliche Standards wie das höhere Heiratsalter und steigende Scheidungsquoten wirken sich auf die Einwohnerzahlen der Städte aus.

>@European Commission
© European Commission

Abbildung 6: Ursachen für die Entwicklung der europäischen Bevölkerung, 1961–2016

Migration

Wanderungsbewegungen waren in den vergangenen Jahrzehnten die wichtigste Ursache für das Bevölkerungswachstum in europäischen Städten. Dabei kamen die Zuwanderer aus den Regionen eines Landes ebenso wie aus anderen EU-Ländern oder Ländern außerhalb der EU. [2] Zwischen 2002 und 2012 überstieg die Nettozuwanderung in sieben von zehn europäischen Städten die natürliche Veränderung, und von 1980 bis 2009 stieg Europas Bevölkerung durch Zuwanderung um 26,5 Millionen Menschen (3,8 Prozent) an. [3] Dabei hat der Zuzug in europäische Städte im Zeitablauf an Bedeutung gewonnen. Ab dem Ende der 1980er-Jahre bis Mitte der 1990er-Jahre beschleunigte sich die Zuwanderung rasch. Ursache dafür waren verschiedene, teils miteinander zusammenhängende Faktoren wie zum Beispiel:

  • die Liberalisierung politischer Regime
  • die Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage in den ehemals sozialistischen Staaten Osteuropas
  • geopolitische Instabilität im Nahen Osten und in Afrika

Ende der 1990er-Jahre flauten die Wanderungsströme von Ost nach West ab, da sich in Osteuropa inzwischen das Wirtschaftswachstum verstärkte, neue Jobs entstanden und der Lebensstandard stieg. Parallel zur Entwicklung von Marktwirtschaft und Demokratie in Ost- und Mitteleuropa wurde die wirtschaftliche und politische Integration in Westeuropa vorangetrieben, und die Zuwanderung hielt unverändert an. Seit den 1990er-Jahren wurden die Bevölkerungsverluste in westeuropäischen Städten, die auf Sterbeüberschüsse zurückgingen, durch Zuwanderungen mehr als ausgeglichen. Die unterschiedlichen Wachstumsraten bei den Einwohnerzahlen sind nicht auf die natürliche Bevölkerungsentwicklung, sondern auf Nettozuwanderung und -abwanderung zurückzuführen. [4]

Lebenserwartung

Die Bevölkerungsstruktur der europäischen Städte wurde in den vergangenen Jahrzehnten insbesondere auch durch die steigende Lebenserwartung beeinflusst.

>@World Bank
© World Bank

Abbildung 7: Entwicklung der Lebenserwartung und Fertilitätsrate, EU-Durchschnitt, 1970–2016

Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs verbesserte sich die Gesundheitsversorgung in ganz Europa beträchtlich. Aber die Lebenserwartung entwickelte sich in den einzelnen Ländern ganz unterschiedlich. Hinter dem stetigen Anstieg insgesamt verbergen sich beträchtliche Differenzen zwischen einzelnen europäischen Regionen.

In Nord-, West- und Südeuropa erhöhte sich die Lebenserwartung aufgrund des medizinischen Fortschritts und eines veränderten Verhaltens allmählich. Im Jahr 1985 waren in diesen drei Regionen kaum noch Unterschiede festzustellen. Inzwischen sterben in diesen Regionen nur noch sehr wenige Menschen in einem Alter unter 65 Jahren; statistisch gesehen können dort 85 Prozent bis 90 Prozent der Neugeborenen damit rechnen, dass sie ihren 65. Geburtstag erleben. Dagegen hat sich die Lebenserwartung in Mittel- und Osteuropa nicht zuletzt aufgrund des politischen und wirtschaftlichen Regimewechsels weniger stetig erhöht. Inzwischen nimmt sie jedoch auch dort deutlich zu. [5]

>@Eurostat - GISCO
© Eurostat - GISCO

Abbildung 8 – Lebenserwartung zum Zeitpunkt der Geburt, NUTS-2-Regionen, 2015

Aufgrund der höheren Lebenserwartung altert die Bevölkerung, verstärkt durch die sinkende Fertilität. Die niedrigere Mortalität führte in den vergangenen Jahrzehnten in zweifacher Hinsicht zu Veränderungen in den höheren Altersklassen: Nicht nur erreichen immer mehr Menschen das Rentenalter, sie beziehen auch länger Rente.

>@World Bank
© World Bank

Abbildung 9: Anteil der über 65-Jährigen an der Gesamtbevölkerung, EU

>@Eurostat - GISCO
© Eurostat - GISCO

Abbildung 10: Fertilitätsrate, NUTS-3-Regionen, 2015

Neue gesellschaftliche Normen

Eine weitere Ursache für die Alterung der europäischen Stadtbevölkerung ist darin zu sehen, dass sich neue gesellschaftliche Normen herausgebildet haben. Ab etwa Mitte der 1960er-Jahre bis zum Ende der 1980er-Jahre gerieten traditionelle Familienmodelle unter Druck. Gleichzeitig bildete sich ein neues Modell heraus – nicht zuletzt, weil rechtliche Vorgaben gelockert wurden (Legalisierung und Vereinfachung von Scheidungen, Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen und Verhütungsmitteln usw.). [6]

Seit dem Ende der 1980er-Jahre haben sich nach und nach neue Familienmodelle etabliert. Neue Formen des Zusammenlebens fanden zunehmend Akzeptanz, es wurde ein entsprechender Rechtsrahmen geschaffen, und eheähnliche Gemeinschaften sowie Familien, bei denen die Eltern nicht verheiratet sind, werden inzwischen anerkannt. Eheschließungen finden später und seltener statt – ein klarer Gegensatz zu den Nachkriegsjahren (dem „goldenen Zeitalter der Ehe“), in denen ein hoher Prozentsatz der Menschen früh heiratete. Aufgrund dieser Entwicklungen und der besseren beruflichen Möglichkeiten für Frauen sank die Fertilitätsrate in Europa.

Europaweit nahm die Zahl der Scheidungen in den vergangenen 50 Jahren zu. Dabei war der Anstieg im Norden und Westen, wo die rechtlichen Änderungen weitreichender waren, stärker. Inzwischen werden etwa 40 Prozent bis 50 Prozent der Ehen geschieden; 1970 waren es noch 10 Prozent bis 20 Prozent. [7]

De- und Reurbanisierung

Von den 1960er-Jahren bis in die 1980er-Jahre sanken die Einwohnerzahlen in zahlreichen westeuropäischen Städten, weil sich die Menschen vor Verwerfungs- und Entfremdungserscheinungen schützen wollten, hervorgerufen durch den Verlust von Arbeitsplätzen in den Innenstädten durch die Deindustrialisierung. [8] TDies hatte Konsequenzen für den Wohnungsmarkt, die Nahversorgung, die Schulen und den öffentlichen Nahverkehr und wirkte sich vor allem in den ärmsten Stadtvierteln aus, wo der Großteil der Arbeitsplätze verloren ging. Familien zogen auf der Suche nach einem angenehmeren Umfeld in die Vorstädte. Durch Armut, Arbeitslosigkeit und eine stärkere Polarisierung entstand eine deutlich sichtbare Kluft zwischen ärmeren und reicheren Stadtteilen. [9]

Ab den späten 1980er-Jahren zogen die Menschen jedoch wieder in die Städte zurück. In den 1990er-Jahren verlangsamte sich der Bevölkerungsrückgang in 40 Prozent der Städte in der EU, und ab dem Jahr 2000 lebten die Menschen wieder lieber in der Stadt, sodass die Einwohnerzahl nur noch in 30 Prozent der Städte sank. [10] Ein Grund dafür sind Stadtsanierungsprojekte, die das Leben in den Innenstädten wieder attraktiver machten (vgl. Kapitel 3). Der wirtschaftliche und demografische Wandel spielte jedoch ebenfalls eine wichtige Rolle.

>@EIB

Abbildung 11: Zahl der europäischen Städte, deren Bevölkerung wächst oder schrumpft, 1960–2005

>@BBSR Bonn
© BBSR Bonn

Abbildung 12: Bevölkerungswachstum und -rückgang, NUTS-3-Regionen, 1990–2000

Das Entstehen der Dienstleistungswirtschaft war beispielsweise einer der Gründe, warum die Menschen häufiger umzogen. Die zunehmende Akzeptanz von eheähnlichen Gemeinschaften und steigende Immobilienpreise führten dazu, dass mehr Menschen zur Miete wohnten. Heute mieten die meisten Menschen in der EU ihre Wohnung, wobei der Anteil der Mieter in Städten doppelt so hoch ist wie in ländlichen Regionen (45 Prozent bzw. 23 Prozent). [11] In Ländern wie Großbritannien, Deutschland und Frankreich werden inzwischen die finanziellen Anreize für eine Zersiedlung zurückgenommen. Stattdessen soll eine dichtere Besiedlung gefördert werden, um so die Nachfrage nach lokalen Versorgungsleistungen und die Wirtschaftstätigkeit zu steigern. [12]

>@adapted from http://www.policy.hu/mykhnenko/Turok&Mykhnenko2007Cities.pdf
© adapted from http://www.policy.hu/mykhnenko/Turok&Mykhnenko2007Cities.pdf

Abbildung 13: Durchschnittliches Wachstum der Stadtbevölkerung pro Jahr im Vergleich zum durchschnittlichen nationalen Bevölkerungswachstum pro Jahr in Europa, 1960–2005

2.2  Ökonomische Trends

Zwischen 1970 und 2020 sind verschiedene Phasen der Wirtschaftsentwicklung in den EU-Ländern zu beobachten. Auch wenn nicht überall eine Deindustrialisierung stattfand, gehen grundsätzlich langfristig Arbeitsplätze im verarbeitenden Gewerbe verloren. Gleichzeitig kam es zum Aufschwung der Dienstleistungswirtschaft und in jüngerer Zeit der Kreativ-, Wissens- und Innovationswirtschaft. Darüber hinaus bekam der Tourismus- und Freizeitsektor einen Schub, und durch die verstärkte EU-Integration und preiswerte Reisemöglichkeiten entwickelten sich ein ausgeprägter Städtetourismus und eine florierende Freizeitbranche.

1960er- bis 1980er-Jahre: Deindustrialisierung und Ölkrise

Von 1945 bis 1973 zogen aufgrund von Handels- und Arbeitsabkommen zahlreiche Menschen aus ländlichen Regionen und aus dem europäischen Süden in nordeuropäische Städte. Damals befanden sich die produktivsten Ballungsräume des Kontinents in einem Dreieck zwischen Amsterdam, Mailand und Paris. In dieser Region lagen auch führende schweizerische und westdeutsche Städte.

Ende der 1960er-Jahre setzte die Deindustrialisierung der europäischen Städte ein. Sie gerieten aufgrund ihrer veralteten Infrastruktur und der Verschiebungen im globalen Wirtschaftssystem unter Druck, und das verarbeitende Gewerbe wanderte zunehmend in asiatische Städte ab. Durch die Ölkrise im Jahr 1973 wurde die Deindustrialisierung noch einmal merklich beschleunigt.

Bis zum Anfang der 1980er-Jahre kletterten die Arbeitslosenquoten in zahlreichen europäischen Städten auf ein gefährlich hohes Niveau. Fabriken wurden geschlossen, und in den neuen Wirtschaftsstrukturen wurden Gastarbeiter als billige Arbeitskräfte nicht mehr benötigt. Die Einwohnerzahlen der industriell geprägten Städte gingen zurück und die Städte dehnten sich stärker ins Umland aus, weil die Menschen aus den zunehmend verarmenden Innenstädten fortzogen.

1990er-Jahre: Der Aufstieg der Dienstleistungswirtschaft

Der langjährige Wirtschaftsabschwung nach der Ölkrise führte dazu, dass sich neue Sektoren auf europäischer Ebene entwickelten, allen voran die Finanz- und Wirtschaftsdienstleistungen. In den 1990er-Jahren wurde der Dienstleistungssektor der mit Abstand wichtigste Arbeitgeber in europäischen Städten. Heute sind 80 bis 90 Prozent aller Arbeitsplätze in den fünf größten städtischen Arbeitsmärkten der EU-Länder (London, Paris, Berlin, Madrid und Rom) dem Dienstleistungssektor zuzurechnen . [13] Die zunehmende Bedeutung von Finanzdienstleistungen zeigt sich auch daran, dass der Wert der gehandelten Aktien im Verhältnis zum BIP zunimmt (Abbildung 14).

>@World Bank
© World Bank

Abbildung 14: Gesamtwert der gehandelten Aktien in % des BIP, EU, 1975–2014

In mittel- und osteuropäischen Städten dominiert der Dienstleistungssektor bisher nicht ganz so deutlich. Viele dieser Städte holen jedoch gegenüber ihren westeuropäischen Pendants auf. Insgesamt verzeichnete der Dienstleistungssektor im vergangenen Jahrzehnt seine stärkste Expansion in mittel- und osteuropäischen Städten. Dies spiegelt den raschen und tief greifenden strukturellen und wirtschaftlichen Wandel wider, der dort in den vergangenen Jahren stattgefunden hat. [14]

Seit den 2000er-Jahren: Globalisierung und Integration

Das erste Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts war von Stabilisierung und stärkerer Integration geprägt. Neue politische und wirtschaftliche Strukturen in Ost- und Mitteleuropa verfestigten sich, und die Osterweiterung der EU führte zu einer verstärkten europäischen Integration. Die parallel verlaufende europäische Integration und die Globalisierung stießen eine neue kontinentale Dynamik an, bei der sich Europa auf die bewährten Stärken von London und Paris stützt. Diese beiden Städte sind Portale für Wirtschaft, Investitionen und Tourismus. [15]

Sinkende Transport- und Kommunikationskosten ermöglichen es, industrielle Prozesse in unterschiedliche Phasen aufzuteilen und diese jeweils an separaten Standorten anzusiedeln. [16] Dadurch hat sich der grenzüberschreitende Handel innerhalb einzelner Industriesektoren und zwischen Ländern mit einem unterschiedlichen wirtschaftlichen Entwicklungsstand intensiviert. Im 21. Jahrhundert sind die Volkswirtschaften daher nicht mehr so einfach anhand ihrer Industriezweige zu unterscheiden; vielmehr haben sich subtilere und schwerer zu erfassende ökonomische Unterscheidungsmerkmale und Bindeglieder entwickelt. [17]

2.3          Räumliche Entwicklungen 1970er- bis 2000er-Jahre

Von den 1970er-Jahren bis 2000 schob die Stadtentwicklung in Europa eine Reihe klar unterscheidbarer Raumplanungstrends an, die ihrerseits beträchtliche Auswirkungen auf das Städtesystem des Kontinents hatten. Diese Entwicklungen fallen in drei Kategorien:

  • Sowjetisierung und De-Sowjetisierung Mittel- und Osteuropas
  • Deindustrialisierung, Aufschwung der Dienstleistungswirtschaft und zunehmende Ungleichheiten zwischen einzelnen Regionen
  • Verbesserung der Verkehrsverbindungen, grenzüberschreitende Reisen und Migration und Entwicklung einer neuen Tourismus- und Freizeitwirtschaft

Weitreichende politische Veränderungen wirkten sich in diesem Zeitraum ebenfalls auf die europäische Stadtlandschaft aus. Spanien gelang der Übergang von einer Diktatur zu einer Demokratie, und 13 der inzwischen 28 EU-Mitgliedstaaten entwickelten sich von Staaten des Sowjetblocks zu ausgewachsenen Marktwirtschaften.

Deindustrialisierung und Aufschwung der Dienstleistungswirtschaft

Ab den 1970er-Jahren setzte in zahlreichen westeuropäischen Städten ein langfristiger Deindustrialisierungsprozess ein. Produktionsstandorte für das verarbeitende Gewerbe wurden merklich verkleinert. In den 1980er- und 1990er-Jahren gingen in europäischen Städten im Durchschnitt zwischen 30 Prozent und 80 Prozent der Arbeitsplätze im verarbeitenden Gewerbe verloren. Die Deindustrialisierung verschärfte in allen Fällen die Ungleichheit in den Städten, da die Arbeitsplätze vor allem in ärmeren Vierteln wegbrachen. Außerdem vergrößerte sie zuweilen die Ungleichheiten zwischen verschiedenen Regionen. Dies war vor allem dann zu beobachten, wenn sich die Industriestandorte wie in Italien, Großbritannien oder Deutschland in bestimmten Regionen eines Landes ballten und wenn die Deindustrialisierung größere städtische Regionen auf einmal erfasste, etwa im Rhein-Ruhrgebiet.

Durch den Aufschwung der Dienstleistungswirtschaft ab den 1980er-Jahren drifteten die einzelnen Regionen noch deutlicher auseinander. Mit der zunehmenden Bedeutung des Dienstleistungssektors verlagerten internationale Unternehmen ihren Fokus auf bestimmte Knotenpunkte der europäischen Wirtschaft, insbesondere große westeuropäische Städte wie Paris, London oder Brüssel.

Diese neuen Dienstleistungszentren waren in allen Ländern häufig andere Städte als die alten Industriezentren. Die räumlichen Auswirkungen dieser beiden Phänomene – Deindustrialisierung und Aufschwung der Dienstleistungswirtschaft – erhöhten die Ungleichheiten zwischen Städten. In Deutschland führte dies zu einer intensiveren Spezialisierung der einzelnen Städte und einer klareren Arbeitsteilung, insbesondere zwischen Frankfurt, das sich zum Finanzzentrum entwickelte, und Berlin, wo noch die Folgen des Sozialismus zu spüren waren. 

Die Deindustrialisierung wirkte sich jedoch auch auf die mittel- und osteuropäischen sozialistischen Staaten aus. Die sowjetische Wirtschaft wurde in den 1970er- und 1980er-Jahren immer komplexer und erforderte eine immer detailliertere Aufsplitterung der Kontrollgrößen und Produktionsmittel. Mit der steigenden Zahl von Unternehmen, Kombinaten und Ministerien begann die Wirtschaft zu stagnieren. Sie reagierte immer langsamer auf den Wandel und setzte immer geringere Wachstumsanreize . [18]

Mehr Menschen zogen aus kleineren in größere Städte oder gleich in die Hauptstadt, was den Niedergang weiter beschleunigte. Nach dem Zusammenbruch des Sowjetsystems Anfang der 1990er-Jahre setzte sich die Deindustrialisierung in diesen kleineren Städten verstärkt fort, da sich die Wirtschaft rasch auf die zunehmend dominierende postindustrielle Dienstleistungswirtschaft umstellen musste.

Bessere Verkehrsverbindungen

Von den 1970er-Jahren bis 2000 wurden auch die Verkehrsverbindungen deutlich verbessert. Autobahnen, Schienennetze und der Flugverkehr wurden in Europa über die Jahre hinweg immer weiter ausgebaut. Durch den einsetzenden Massenflugverkehr und die steigende Zahl internationaler Autobahn- und Zugverbindungen nahmen der grenzüberschreitende Konsum und das grenzüberschreitende Pendlertum vor allem in Regionen wie Frankreich, Italien, der Schweiz und Österreich bis Anfang der 1980er-Jahre geradezu explosionsartig zu. Nationale Grenzen verloren an Bedeutung. Insbesondere das Schienennetz wurde Ende der 1980er-Jahre und Anfang der 1990er-Jahre sehr rasch ausgebaut (Abbildung 15).

>@World Bank
© World Bank

Abbildung 15: Gesamtlänge des Schienennetzes in der EU (in km)

Wachsende Freizeitwirtschaft

In den 1970er-Jahren wurden die Grundlagen des Massentourismus geschaffen. Angesichts der guten Wirtschaftslage boten Reiseveranstalter zunehmend preiswerte Auslandsreisen an. Reisebüros und Tourismusorganisationen entstanden, und Pauschalreisen waren sogar im Kaufhaus zu buchen. Später blühte der Chartertourismus auf und ermöglichte noch preiswertere Urlaube. [19]

Gleichzeitig wurden Flugreisen immer erschwinglicher. Insbesondere ab Mitte der 1980er-Jahre kam es zu einem wirtschaftlichen und regulatorischen Umbruch in der europäischen Luftfahrt. Durch verschiedene Gesetzgebungsinitiativen schuf die EU langsam einen einheitlichen Luftverkehrsmarkt. So konnten sich Staaten nicht mehr so leicht gegen die Einführung neuer Beförderungstarife wehren, und die Fluggesellschaften erhielten mehr Spielraum zur gemeinsamen Nutzung von Sitzkapazitäten. [20] Dies beflügelte den Tourismus auf dem gesamten Kontinent ungemein. 1991 machten 32 Millionen europäische Teenager und Erwachsene im Ausland Urlaub. Ihre Zahl hatte sich damit seit 1951 mehr als verdreifacht. [21]

Dadurch wurden wiederum verschiedene räumliche Entwicklungen ausgelöst:

  • Immer mehr Menschen wollten ihren Ruhestand an Orten verbringen, die sie zuvor im Urlaub kennengelernt hatten, insbesondere in südeuropäischen Ländern wie Spanien, Portugal oder Italien.
  • Die Arbeit folgte – ebenfalls vor allem in Mittelmeerländern – verstärkt saisonalen Mustern
>@World Bank
© World Bank

Abbildung 16: Zahl der beförderten Flugpassagiere, EU, 1970–2016

2000er-Jahre

Seit den 2000er-Jahren haben sich viele dieser Entwicklungen verstärkt. Durch die Verlagerung hin zur Innovations- und Kreativwirtschaft konzentrierte sich die Wirtschaftstätigkeit weiter. Gleichzeitig erlebten neue Regionen, die auf diese Sektoren spezialisiert waren, einen Aufschwung. Die Städte spezialisierten sich ebenfalls weiter, je nachdem, wie gut sie sich auf neue Sektoren einstellen konnten, etwa die Freizeitwirtschaft, Gesundheits- und Lebenswissenschaften und maritime Industrien.

Die Verkehrsverbindungen zwischen den europäischen Städten wurden seit den 2000er-Jahren weiter ausgebaut. Im Jahr 2009 war das Hochgeschwindigkeits-Schienennetz in Europa über 7 500 Kilometer lang, und bis 2020 soll es noch einmal verdoppelt werden. Hochgeschwindigkeitszüge haben die Reisezeit zwischen wichtigen europäischen Städten merklich verkürzt. Zwischen Brüssel und Frankfurt verkürzte sich die Fahrzeit um 43 Prozent und zwischen Brüssel und London um 60 Prozent[22]

Auch die Flugverbindungen zwischen den europäischen Städten sind deutlich dichter geworden. Seit dem Jahr 2007 wurden die Direktverbindungen europaweit um 16 Prozent ausgebaut, was vor allem auf das Wachstum und die Expansion der Billigfluggesellschaften und den stetigen Anstieg des Tourismus zurückzuführen ist. Die planmäßigen wöchentlichen Sitzkapazitäten innerhalb der EU erhöhten sich von 5,5 Millionen im Jahr 1992 auf 13,9 Millionen im Jahr 2015, und die Zahl der regelmäßigen Flugverbindungen zwischen EU-Mitgliedstaaten stieg von 874 auf 3 522, was einem durchschnittlichen Wachstum um 6,2 Prozent pro Jahr entspricht. [23]

Seit dem Jahr 2000 ist die Beschäftigung in europäischen Städten um rund sieben Prozent angestiegen, im Rest der EU dagegen zurückgegangen. Auch das BIP wuchs in den Städten schneller als in anderen Regionen, nämlich in einer Größenordnung von rund 50 Prozent. [24] Zahlreiche europäische Städte liegen im Hinblick auf Produktivität, Beschäftigung, Bildungsstand und Innovationsfähigkeit über dem nationalen Durchschnitt. Dies ist nicht zuletzt auf die Globalisierung des Dienstleistungssektors zurückzuführen, die zu einer Konzentration auf bestimmte Städte und ihr Umland geführt hat. Für Städte mit mittlerem Einkommen steigt allerdings das Risiko, in die sogenannte „Middle-Income Trap“ zu geraten. Denn wenn Produktivität und Löhne ansteigen, werden diese Städte möglicherweise für arbeitsintensive Wirtschaftszweige oder gering qualifizierte Tätigkeiten unattraktiv.[25]

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© European Commission

Abbildung 17: BIP pro Kopf in Ballungsräumen im Vergleich zum nationalen Durchschnitt, 2013

Mittelgroße und kleinere Städte sind eher auf eine Nischenrolle in internationalen Wertschöpfungsketten angewiesen, um sich eine gute Wettbewerbsposition zu schaffen. Ihnen fällt es gerade in Westeuropa schwer, die notwendige Produktivität zu erreichen. Sie schneiden vor allem dann schwach ab, wenn sie nicht zu den sechs bis zehn größten in ihrem Land gehören. Ihre Produktion liegt dann deutlich unter dem jeweiligen nationalen Durchschnitt. [26] Solchen Städten fällt es schwer, Einwohner und gute Arbeitskräfte zu halten. Dies gilt insbesondere, wenn sie außerhalb der sogenannten „Blauen Banane“ – einer Achse von Manchester bis Mailand – liegen. Viele dieser Städte müssen neue Strategien entwickeln, um sich international besser zu positionieren. Unter anderem müssen sie die Beziehungen zu Nachbarstädten vertiefen und neu überdenken, wie sie sich im globalen Wettbewerb behaupten wollen. [27]

Die mitteleuropäischen Städte integrieren sich in unterschiedlichem Tempo und mit unterschiedlichem Erfolg in die Weltwirtschaft. Einige größere Städte haben den Übergang zur Marktwirtschaft relativ reibungslos bewältigt, ihre Wirtschaft diversifiziert und internationale Investitionen angezogen. Dazu gehören Bratislava sowie mehrere Städte in Polen, die dank einer klaren Ausrichtung nationaler Strategien beträchtliche Fortschritte erzielen. Zahlreiche andere Haupt- und Großstädte der Region verfügen durchaus über das Potenzial, um sich erfolgreich in der europäischen Wirtschaft zu behaupten. Sie müssen sich jedoch noch weiter modernisieren. Das gilt vor allem für die „Urban Governance“ – die eigenverantwortliche Steuerung der Verwaltung in einer Kultur der Bürgerbeteiligung – ebenso wie für die Koordination und den Infrastrukturausbau. Nötig ist das besonders für den Cluster aus mitteleuropäischen Städten, dem u. a. Berlin, Budapest, Prag, Wien und Warschau angehören. Hier ist noch keine gemeinsame Wachstumsdynamik entstanden. [28]

Städte in Süd- und Osteuropa dagegen können von der Dynamik des letzten Konjunkturzyklus größtenteils nicht mehr profitieren. Sie leiden unter den negativen Auswirkungen der Globalisierung. Vielfach handelt es sich um Niedrigrisiko-Städte in Ländern mit mittlerem Risiko, die jedoch mit einer problematisch hohen Jugendarbeitslosigkeit zu kämpfen haben. In Rom, Mailand, Athen und Madrid gehen die Investitionen und die Performance im Finanzdienstleistungssektor im laufenden Zyklus aufgrund der wirtschaftlichen Fundamentaldaten zurück. Barcelona ist von diesen Entwicklungen nicht so stark betroffen, was vor allem auf Investitionen in smarte Technologien und neue Unternehmen zurückzuführen ist.

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2.4          Politische Entwicklungen

Neben diesen demografischen und wirtschaftlichen Entwicklungen sind auch verschiedene politische Entwicklungen klar zu erkennen. Seit 1970 haben die Städte mit unterschiedlichen Strategien auf den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel reagiert (vgl. die nachstehende Tabelle). 

In den 1970er- und 1980er-Jahren ging es in der Stadtentwicklungspolitik in Europa überwiegend darum, die durch die Deindustrialisierung entstandenen Probleme in den Innenstädten und in abgelegenen Regionen (vor allem in Westeuropa) zu lösen. Daher fanden in den 1970er-Jahren erste Boden- und Umweltsanierungen statt. Verschmutzte und halb aufgegebene Flächen wurden dadurch wieder nutzbar und attraktiv. Gleichzeitig waren Arbeitsplätze, Unternehmen und Bildung wichtige Themen; die Städte führten vorrangig Qualifizierungs- und Unterstützungsprogramme durch, um ehemaligen Industriearbeitern und einer neuen Generation von marginalisierten Jugendlichen neue Arbeit im Dienstleistungssektor zu verschaffen.

In den 1980er-Jahren verschob sich der Fokus etwas auf eine umfassende Sanierung der Innenstädte. Die Städte führten umfangreiche Sanierungsprogramme für ganze Viertel durch. Im Mittelpunkt standen vor allem relativ neue Sozialwohnungsviertel und ältere und verfallende Innenstadtbereiche, die von der Deindustrialisierung in Mitleidenschaft gezogen worden waren. [29] Zugleich wollten die Städte wieder ein Gesicht gewinnen und investierten dafür in zentrale öffentliche Plätze und Baudenkmäler. Für diesen Wandel wurden neue, öffentlich geförderte Einrichtungen ins Leben gerufen.

In den 1990er-Jahren verschob sich der Schwerpunkt erneut. Nun stand die Wettbewerbsfähigkeit der Städte insgesamt im Mittelpunkt. Mit dem zunehmenden Tourismus versuchten die Städte, Besucher anzuziehen, und investierten verstärkt in Kulturgüter. Sie bewarben sich häufiger um die Ausrichtung weltweiter Sportereignisse, schufen international konkurrenzfähige Museen und machten ihre Stadtzentren durch die Einrichtung von Fußgängerzonen und einen stärkeren Fokus auf öffentliche Räume attraktiver. Durch bessere Wohnbedingungen wollten sie führende globale Unternehmen und kreative Kreise anziehen, von denen sie zunehmend abhängiger wurden. Auch der Verkehr wurde zu einem wichtigen Thema. In den 1990er-Jahren entwickelte die EU-Kommission das transeuropäische Verkehrsnetz, um die Verkehrsverbindungen und die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern.

Zu Beginn des neuen Jahrtausends zeigte sich, dass die Schaffung von kohärenten Governance-Strukturen auf Ebene der Ballungsräume immer wichtiger für die Wettbewerbsfähigkeit wurde. Dieses Thema stand nun ganz oben auf der Tagesordnung. Die Städte entwarfen neue Strukturen wie mehrschichtige Verwaltungsbehörden für einen Ballungsraum, neue einheitliche Metropolregionen oder in manchen Fällen auch übergeordnete gemeinsame Behörden und direkt gewählte Bürgermeister für den gesamten Ballungsraum. Auch die Lebensqualität gewann an Bedeutung. Die Städte wollten wachstumsbedingte Probleme wie Staus, Luftverschmutzung und unerschwingliche Preise für das Wohnen lösen.

Derzeit stehen vor allem einzelne Sektoren und Vorhaben im Mittelpunkt. Nur wenige europäische Städte können noch mit einem nennenswerten Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum rechnen. Denn das Wachstum der Weltwirtschaft lahmt, die finanziellen Spielräume sind kleiner geworden, und die Risikobereitschaft ist weithin gering. Daher geht es derzeit vor allem darum, das Geschäftsklima in europäischen Städten zu verbessern und so die wirtschaftliche Entwicklung zu fördern. [30] Die Städte stellen dabei vor allem auf Sektoren wie intelligente Spezialisierung und Technologie und Innovation insgesamt ab, um so neue Wachstumschancen zu schaffen. Die Themen Krisenfestigkeit und Klimawandel rückten ebenfalls in den Vordergrund.

Zeit-raum

EU-Mitglieder

Makro-entwicklungen in Europa

Wichtige Ereignisse

Stadtentwicklungs-strategien

1970er-Jahre

9 (6 Gründungs-mitglieder, 3 neu)

Erste Reformen zur Schaffung eines Binnenmarktes

Deindustrialisierung und Ölkrise

Ersetzung von Arbeitsplätzen

Umweltsanierung

1980er-Jahre

12   (3 neu)

„Blaue Banane“

Globalisierung

Probleme in den Innenstädten

Wohnungsbau

Schaffung eines eigenen Profils

1990er-Jahre

15 (3 neu)

Transeuropäische Netzwerke

Zusammenbruch des Sowjetsystems

Kultur und Tourismus

Wettbewerbsfähigkeit

2000er-Jahre

27 (12 neu)

EU-Osterweiterung

Regionale Makrostrategien

Globale Finanzkrise Terrorismus

Governance in Ballungsräumen

Lebensqualität

2010er-Jahre

28 (1 neu)

Große Megaregionen

Sparpolitik

Brexit

Spezialisierung auf smarte Technologien

Resilienz

Technologie und Innovation

 

3.        

Das neu entstehende europäische Stadtsystem

3.1          Das heutige europäische Stadtsystem

Das europäische Städtesystem zeigt sich außerordentlich heterogen. In Europa gibt es derzeit über 1 000 kleine, mittlere und große Städte, die jeweils ihre spezifische Rolle und Funktion haben.

Im weltweiten Vergleich weisen viele urbane Regionen in Europa eine polyzentrische Struktur auf, bei der sich die Einzugsbereiche mehrerer kleiner und großer Städte überschneiden. Diese Städte wiederum sind Teil einer polyzentrischen Konurbation. Die Menschen leben in einer Stadt, arbeiten in einer anderen und kaufen in einer dritten ein. Zuweilen haben sich diese Konurbationen auch grenzüberschreitend gebildet. [31]

Dieses interdependente Stadtsystem steht im klaren Gegensatz zur Situation in den 1970er-Jahren. Damals hatten die Städte wenig miteinander zu tun und waren in eine eng definierte, nationale, urbane Hierarchie eingebunden.

Im europäischen Stadtsystem gibt es derzeit folgende Stadttypen:

  • Internationale Zentren mit gesamteuropäischem oder globalem Einfluss. Dazu gehören Wissenszentren, die international Spitzenpositionen in der Industrie, in der Wirtschaft und im Finanzsektor einnehmen, sowie etablierte Hauptstädte, die klar an der Spitze der Städtehierarchie eines Landes stehen, und Hauptstädte, die sich neu erfunden und zu Konjunkturlokomotiven für neue Mitgliedsländer entwickelt haben.
  • Spezialisierte Schwerpunktstädte, die mit ihrer Wirtschaft zumindest auf einigen Gebieten eine wichtige internationale Rolle spielen. Dazu zählen nationale Dienstleistungszentren, die wichtige Aufgaben im Dienstleistungssektor eines Landes erfüllen, sowie Städte im Wandel, die sich nach dem Industriezeitalter nun neu orientieren, und Einfuhrzentren oder größere Städte mit einer umfangreichen Hafeninfrastruktur. Auch Städte, die Plattformen für Innovation und internationale Aktivitäten bieten, als Forschungs- und Bildungszentren fungieren oder für Touristen hoch attraktiv sind oder einen stark auf den Tourismus ausgerichteten Dienstleistungssektor aufweisen, gehören in diese Kategorie.
  • Regionale Zentren, etwa deindustrialisierte Städte und Satellitenstädte sowie regionale Märkte und regionale Zentren für öffentliche Dienstleistungen . [32]
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Abbildung 18: Typologie der europäischen Städte, seit 2007

Derzeit verfügt Europa nur über zwei wirkliche Weltstädte, die aufgrund ihrer Größe, ihrer Qualitätsmerkmale und ihrer Erfahrung als globale Zentren fungieren können: London und Paris. Im Gegensatz zu anderen Regionen hängt Europa in sehr hohem Maß von erfolgreichen „mittleren“ Metropolen in erfolgreichen nationalen Volkswirtschaften ab. Dort wird ein beträchtlicher Teil von Europas Welthandel abgewickelt. [33] Die EU verfügt insgesamt über 271 Metropolregionen, in denen im Jahr 2013 insgesamt 59 Prozent der Bevölkerung lebten. Außerdem befanden sich dort 62 Prozent der Arbeitsplätze, und 68 Prozent des BIP wurden dort erwirtschaftet. Dies zeigt, wie stark sich die Bevölkerung, die Wirtschaftstätigkeit und die Beschäftigung in diesen Metropolregionen ballen. [34]

3.2          Vergleiche mit anderen Stadtsystemen

Europäische Städte weisen im globalen Vergleich ein geringes Wachstum und eine mittlere Dichte auf. Seit dem Jahr 1993 lag das jährliche Einkommenswachstum in den 20 größten Ballungsräumen Europas bei 1,6 Prozent. Dies ist nicht einmal ein Viertel des Werts, der in vergleichbaren Ballungsräumen in den Schwellenländern erzielt wird (6,2 Prozent). [35] Im Mittel leben in europäischen Städten etwa 3 000 Einwohner pro Quadratkilometer, das sind knapp doppelt so viel wie in nordamerikanischen, aber nur halb so viel wie in asiatischen oder afrikanischen Städten. [36]

Mit Ausnahme der Großräume um London und Paris war die Urbanisierung bis in die jüngste Zeit in Europa (im Gegensatz zu anderen Weltregionen) nicht die wichtigste Wachstumslokomotive. Im Vergleich zu anderen Stadtregionen leben Stadtbewohner in Europa überwiegend in Städten mit 250 000 bis fünf Millionen Einwohnern. Von insgesamt 79 Städten, die weltweit über fünf Millionen Einwohner haben, liegen lediglich zehn in Europa. Zudem lebt nur einer von sieben Stadtbewohnern in Europa in einer solch großen Stadt; weltweit ist es einer von vier. Europäische Städte stehen daher eher in einem qualitativen als in einem quantitativen Wettbewerb. [37]

Die relativ geringe Zahl von Megastädten im europäischen System ist nicht zuletzt auf die unterschiedlichen Nationalstaaten zurückzuführen, die jeweils ein eigenes Stadtsystem und eigene Stadtentwicklungsprioritäten aufweisen. Unter anderem deshalb hängt die Entwicklung der europäischen Städte trotz des zunehmend grenzüberschreitenden Handels und Austauschs und trotz der Herausbildung eines interdependenten, europaweiten Stadtsystems nach wie vor sehr eng von nationalen Gegebenheiten ab. So schnitten deutsche Städte aufgrund dieser Eigenheit seit dem Jahr 2007 insgesamt besser ab als britische. [38]

3.3          Die Entwicklung des europäischen Stadtsystems 

Im Zeitablauf führten wirtschaftliche Verschiebungen zum Erfolg unterschiedlicher Städte und zu unterschiedlichen Beurteilungen des europäischen Stadtsystems.

Der Hintergrund: Europäische Städte von 1945 bis zu den 1970er-Jahren

In den 30 Jahren nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wandelten sich die europäischen Volkswirtschaften grundlegend. [39] Insbesondere Westeuropa erlebte vom Anfang der 1950er- bis Anfang der 1970er-Jahre das berühmte Wirtschaftswunder. In dieser Zeit wuchs das reale BIP pro Kopf jährlich im Durchschnitt um gut vier Prozent, und das gesamte BIP pro Kopf verdoppelte sich nahezu. [40]

Zu Beginn wuchs die Wirtschaft in Europa allein deshalb sehr kräftig, weil die Kriegsschäden beseitigt wurden, der Kapitalstock wieder aufgebaut wurde und die Männer wieder in produktiven Sektoren arbeiten konnten. Insofern kann die rasche wirtschaftliche Expansion der ersten Nachkriegsjahre als Aufholphase angesehen werden. Das Wachstum speiste sich vor allem aus dem breiten Einsatz neuer Technologien, die zwischen den beiden Weltkriegen entwickelt, aber noch nicht kommerziell genutzt worden waren. [41]

Aber selbst in diesen frühen Jahren war das Wachstum nicht in allen Regionen des Kontinents gleich stark. Dadurch entwickelte sich nach dem Krieg eine klare Industrielandkarte, beruhend auf verschiedenen identifizierbaren Faktoren:

  • die Nähe zu Absatzmärkten, Rohstoffen und preiswerten Arbeitskräften
  • die jeweilige industrielle Spezialisierung vor dem Krieg
  • die neue europäische geopolitische Ordnung nach dem Krieg

Auf nationaler Ebene fand die stärkste Aufholbewegung in Ländern statt, in denen es solidarisch eingestellte Gewerkschaften, eng zusammenstehende Arbeitgeberverbände und wachstumsorientierte Regierungen gab . [42] Das höchste Industriewachstum verzeichneten die sechs Länder, die im Jahr 1951 die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl und später die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft gründeten – Deutschland, Frankreich, Italien und die Benelux-Länder –, und Länder, die Unterstützung aus den USA, etwa im Rahmen des Marshall-Plans, erhielten.

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© European Statistical System Census Hub (European Commission)

Abbildung 19: Häufigste Entstehungsperioden von Wohngebäuden, NUTS-3-Region, 2011

Auf der Ebene darunter konzentrierte sich das Wachstum zunehmend auf Regionen, die auf eine frühere industrielle Spezialisierung zurückgreifen konnten (etwa die Textilproduktion in Norditalien), nahe bei nationalen oder kontinentalen Absatzmärkten lagen und preiswerte Arbeitskräfte anziehen konnten. Auch Regionen, die in der Nähe von Rohstoffvorkommen wie Metall oder von Energiequellen wie Flüssen und Bergen lagen, verzeichneten ein höheres Wachstum. Das Zusammenspiel all dieser Faktoren führte dazu, dass das Wachstum in drei Industrieregionen in Europa besonders hoch war:

  • Norditalien
  • Mittel- und Nordengland
  • Rhein-Ruhrgebiet
>@Pearson Prentice Hall, Inc.
© Pearson Prentice Hall, Inc.

Abbildung 20: Wichtige Industrieregionen in Europa, 1945–1970

In Norditalien profitierte die Wirtschaft nach dem Krieg vor allem von einer stabilen Währung, billigen Rohstoffen, preiswerten Arbeitskräften und umfangreicher Unterstützung aus den USA. Aber auch noch andere Faktoren waren von Bedeutung. Dass in der Poebene fossile Energieträger entdeckt wurden, die für die Eisen- und Stahlproduktion benötigt werden, ermöglichte dem globalen Ölkonzern ENI einen Wachstumsschub und versetzte auch die großen etablierten Industrien des Landes, darunter die Textilindustrie, in die Lage, weiter zu wachsen. Die Gewerkschaften waren bis Ende der 1960er-Jahre schwach und politisch uneins. Insbesondere Norditalien profitierte zudem davon, dass es auf Wasserkraft zurückgreifen konnte, eine kritische Masse an rohstoffverarbeitenden Unternehmen und Montagebetrieben vorhanden war und moderne Maschinen importiert werden konnten, dank des Handelsbilanzüberschusses im Textilsektor. All dies ermöglichte die Entwicklung einer wachsenden Elektro- und Haushaltsgeräteindustrie.

Wahrscheinlich spielte jedoch ein ganz anderer Faktor eine viel wichtigere Rolle: Italiens Bevölkerung war in der Nachkriegszeit so mobil wie nie zuvor. Nach dem Krieg wuchs die Wirtschaft rasch und kräftig. Der Kontrast zwischen dem Wohlstand der städtischen Regionen – insbesondere im Industriedreieck Lombardei-Piemont-Ligurien – und der Härte und Armut des Lebens in gebirgigen und ländlichen Gebieten, vor allem im Süden des Landes, verstärkte sich zunehmend. Die rasche Industrialisierung der Ballungsräume führte dazu, dass immer mehr Menschen in Städte wie Rom, Mailand, Turin oder Genua zogen. Dadurch bildeten sich in diesen Regionen wichtige wirtschaftliche Agglomerationen, die das Wachstum zusätzlich ankurbelten. Insgesamt erzielte Italien von 1956 bis 1964 stetig Wachstumsraten von über sechs Prozent. [43]

Großbritannien war zwar ursprünglich kein Mitglied der Gemeinschaft für Kohle und Stahl, wies aber nach dem Zweiten Weltkrieg einen klaren technischen Vorsprung auf den Gebieten Flugzeugbau, Luftfahrt, Computer und Elektronik auf. [44]Außerdem hatten die Fabriken in Mittel- und Nordengland auch größere Bombenschäden insgesamt gut verkraftet. Diese Region, die auch die kritische Masse an Ingenieuren und Erfindern hervorgebracht hatte, von denen letztlich die industrielle Revolution ausgegangen war – profitierte zudem von finanzieller Unterstützung aus den Vereinigten Staaten. All dies ermöglichte einen neuen, rascheren industriellen Aufschwung.

In den Inflationsjahren und in der Weltwirtschaftskrise zwischen den beiden Weltkriegen entstanden im Rhein-Ruhrgebiet dank der umfangreichen Kohle- und Eisenerzvorkommen große Eisen- und Stahlkonzerne. Nach dem Krieg war die Nachfrage nach diesen Rohstoffen aufgrund des raschen Wirtschaftsaufschwungs lebhaft, sodass sich in der Region eine bedeutende Stahl-, Lokomotiven- und Rüstungsindustrie entwickelte. [45]

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Die Krise im Jahr 1973 und der Übergang zur Dienstleistungswirtschaft

Im Jahr 1973 zog die weltweite Ölkrise die europäischen Volkswirtschaften schwer in Mitleidenschaft. Damit setzte eine Phase des langsameren Wachstums ein. Da die Öl- und Rohstoffpreise stiegen und das bisherige Aufhol- und Konvergenzpotenzial ausgeschöpft war, musste Europa andere Wege finden, um weiter wachsen zu können. Daher bahnte sich in den 1970er- und 1980er-Jahren eine Umstellung an: Statt auf reine Kapitalakkumulation und den Einsatz bereits bekannter Technologien stützte sich das Wachstum zunehmend auf Effizienzsteigerungen und Innovation. [46]

Das Ruhrgebiet war von der Krise besonders betroffen. Zum einen waren die Kohlevorkommen weitgehend erschöpft, zum anderen war deutsche Kohle nicht mehr wettbewerbsfähig. Gleichzeitig setzte ein Niedergang der Stahlindustrie ein, weil kostengünstigere Anbieter aus dem Asien-Pazifik-Raum, insbesondere Japan, die bisherigen Preise unterboten. [47]  Die Nachfrage nach Kohle sank stetig, und die Region machte mehrere Strukturkrisen durch. Um dennoch zu wachsen, wurden Anstrengungen unternommen, die Industrie zu diversifizieren, einen Dienstleistungssektor aufzubauen und die Produktion auf High-Tech-Methoden umzustellen.

Die „Blaue Banane“

Ende der 1980er-Jahre hatten sich nach der Deindustrialisierungskrise neue städtische Zentren in Westeuropa herausgebildet, die vor allem auf moderne Produktionsstätten und den Tertiärsektor setzten. In diesem neuen, transnationalen Modell nahmen London und Paris die Spitzenstellung ein. Die erfolgreichsten Städte lagen um eine zentrale Achse herum, die sich als „Blaue Banane“ von Manchester nach Mailand erstreckte.

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Im zentralen Bereich dieses Bogens lagen zahlreiche europäische Städte wie Rotterdam, Stuttgart oder Turin, die dem Deindustrialisierungsdruck zum Teil widerstehen konnten und sich auf eine kapitalintensive, hoch spezialisierte und innovative Fertigung spezialisiert hatten. Im Jahr 1989 zeigte eine umfassende Untersuchung zur Dynamik der europäischen Städte, dass acht der zehn führenden Städte jener Zeit auf diesem Bogen lagen. Dazu gehörten Venedig, Bonn, Straßburg und Düsseldorf. [48]

Die „Blaue Banane“ besteht nach wie vor, aber erfolgreich sind nun andere. Inzwischen schneiden Städte wie Berlin, Stockholm oder Cambridge besser ab als Amsterdam, Birmingham oder Mailand, weil sie sich auf Sektoren mit hohem Wachstum wie Digital- und Kreativwirtschaft, Biotechnologie und CO2-arme Wirtschaft spezialisieren. [49]

Umstellung auf ein polyzentrisches System und neue Europa-Konzepte

Ab Mitte der 1990er-Jahre waren die Städte im Einzugsbereich der „Blauen Banane“ so wohlhabend geworden, dass auch die Preise dort stiegen. So wurden andere Städte aus weiter am Rand liegenden Regionen konkurrenzfähig. Hohe Mieten, eine alternde Bevölkerung, Verkehrsprobleme, Umweltverschmutzung und eine sinkende Lebensqualität führten letztendlich dazu, dass sich ein umfassenderes europäisches Stadtsystem entwickelte. Sanierungsprojekte und der Aufschwung der Kreativwirtschaft befeuerten das Wachstum auch außerhalb des bekannten Bogens. Davon profitierten Städte wie Barcelona, Dublin, Glasgow oder Warschau, die sich in einem Modernisierungsprozess befanden, für junge Unternehmen attraktiv waren und eine junge Bevölkerung hatten. [50] Viele dieser Städte brachen aus ihren nationalen Hierarchien aus, beschritten erstmals auf internationaler Ebene eigene Wachstumspfade und bildeten eine eigene Identität aus. Die fortschreitende europäische Integration schuf die Grundlage für ein neues, kontinentales Stadtsystem, in dem jede Stadt eine Spezialisierung auf europäischer Ebene hatte.

Letztendlich entwickelten sich daraus neue Typologisierungsmethoden, die häufig auf grenzüberschreitende Stadtverbände abstellten. In einigen Systemen wird die zentrale Rolle des nordwestlichen Metropolennetzes betont, dem u. a. Amsterdam und Brüssel angehören. Andere konzentrieren sich auf die aufstrebende Wirtschaft in Mitteleuropa, etwa in Berlin, Budapest, Prag, Wien und Warschau. Es wurde zunehmend erkannt, dass Europas Städte Investitionen benötigen, um sich für die Zukunft zu rüsten. Dies war deshalb besonders dringend, weil die Zukunft immer weniger einschätzbar wurde, bedingt durch die sich vertiefende Integration.

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Abbildung 21: Die neun TEN-V-Kernnetzkorridore

Etwa in dieser Zeit gewannen auch andere Konzepte für die Stadtentwicklung in Europa auf Makroebene an Bedeutung. In den 1990er-Jahren wurde die Initiative für das transeuropäische Verkehrsnetz ins Leben gerufen, bestehend aus dem Gesamtnetz und dem Kernnetz. Zum Kernnetz gehören die Komponenten mit der größten strategischen Bedeutung für europäische und globale Verkehrsströme. Das Gesamtnetz bezieht sich stärker auf die Anbindung in der Fläche und soll bis 2050 ausgebaut werden (Abbildung 21). [51] Das neue Netz wird die Erreichbarkeit europäischer Städte vor allem in Mittel- und Osteuropa merklich verbessern (Abbildung 22).

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© European Commission

Abbildung 22: Voraussichtliche Entwicklung der Straßenanbindung durch den Ausbau des TEN-V-Netzes, nach funktionalen städtischen Gebieten

Die 2000er-Jahre: EU-Erweiterung und neue Städtecluster

Bis zur Mitte der 2000er-Jahre entstanden durch das anhaltende Wachstum der Innovations- und Kreativwirtschaft mehrere neue Kategorien von international ausgerichteten europäischen Städten. Gleichzeitig erreichte die europäische Integration durch die EU-Erweiterungen der Jahre 2004 und 2007 ihren Höhepunkt. Dies war ein entscheidender Faktor für die Entwicklung eines wirklich europäischen Stadtsystems.  Durch die Arbeitnehmerfreizügigkeit und den freien Personenverkehr entstand eine neue Urbanisierungsdynamik, verstärkt durch das Erasmus-Programm und andere Programme für den Wissensaustausch. Die Menschen lebten in verschiedenen Städten, und freie Handels- und Kapitalströme sowie eine echte Arbeitnehmer- und Personenfreizügigkeit wurden möglich.

Die EU-Erweiterung stieß außerdem die Entwicklung neuer Städtecluster an. Die EU und andere Einrichtungen unterstützten Clusterinitiativen in zahlreichen EU-Beitrittsländern. Slowenien ist dafür ein gutes Beispiel. Das Clusterprogramm des Landes und der Beitrag von Clustern zum beeindruckenden wirtschaftlichen Aufschwung des Landes haben international Aufsehen erregt. [52]

Es gibt noch weitere Beispiele:

  • Sofia liegt bei neuen Industrien in Europa inzwischen an 21. Stelle
  • Vilnius ist zum achtwichtigsten europäischen Cluster für rasch wachsende Unternehmen geworden
  • Riga ist inzwischen der zweitwichtigste europäische Logistikcluster nach London[53]

Schließlich haben die jüngsten Strategien auf europäischer Ebene die Bedeutung neuer Städtecluster vor allem an der Donau, rund um die Ostsee und im Alpenraum gesteigert. Dazu trugen insbesondere Strategien der EU-Kommission bei, die eine Verbesserung der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit dieser Regionen erreichen sollen.

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4.        

Die Entwicklung des Stadtsystems: Anpassung und Investitionen in europäischen Städten

4.1          Entwicklungs- und Investitionszyklen in europäischen Städten

An diesem Punkt stellen sich zwei zentrale Fragen:

  • Wie haben die europäischen Städte nach ihrem demografischen und wirtschaftlichen Niedergang die Wende geschafft?
  • Was hat es ihnen ermöglicht, sich aus nationalen Hierarchien zu befreien und ihren Platz in einem neuen System zu finden, das auf konzentrierten Clustern und Strömen beruht?

Investitionen trugen zumindest zu dieser Entwicklung bei. Zunächst waren Investitionen für europäische Städte ein Mittel, um das Wachstum anzukurbeln und sich dem Niedergang der Innenstädte entgegenzustemmen. Später dienten sie zur regionalen Spezialisierung und Förderung neuer Industrien wie Technologie und Innovation. Dies trug zum Entstehen des derzeitigen Systems bei. 

Der erste Investitionszyklus der europäischen Städte: 1980er- bis 2000er-Jahre

Ab den 1980er-Jahren führten die Städte umfangreiche Sanierungsprogramme durch, um das Wachstum in den Innenstädten anzukurbeln. In Rückbesinnung auf ihre Geschichte und Kultur setzten sie häufig auf die zahlreichen, aber vernachlässigten öffentlichen Bauten wie Rathäuser, Bibliotheken, Universitäten, Parks und öffentliche Plätze. [54]

Historische öffentliche Gebäude wurden restauriert, Industrieanlagen umgewidmet und attraktive Fußgängerzonen geschaffen. Außerdem unterstützten die Städte die Gründung neuer Dienstleistungsunternehmen, indem sie Inkubatorzentren einrichteten oder alte, verlassene Industriegebiete umwidmeten. Dadurch entstand ein neues wirtschaftliches Klima, das günstig für den privaten Sektor war und neue Arbeitsplätze schuf. So verbesserte sich das Umfeld, die Menschen zogen zurück in die Innenstadt und auf einen jahrzehntelangen Niedergang folgte ein Aufschwung. [55]

Der Staat spielte dabei eine zentrale Rolle. Er stellte die finanziellen Mittel für Umwidmungs- und Sanierungsprogramme bereit. [56] Entscheidend für die erfolgreiche Sanierung der Städte war jedoch, dass diese bei ihren Investitionsvorhaben auch auf Kompetenzen des privaten Sektors zurückgriffen. [57] Ohne diese private Unterstützung wären viele Großprojekte der 1980er- und 1990er-Jahre – etwa in Barcelona, den Londoner Docklands oder dem Stadtzentrum in Manchester – nicht möglich gewesen.

Darüber hinaus investierten die Städte massiv in die Verkehrsinfrastruktur. Sie wollten den öffentlichen Nahverkehr grundlegend verbessern, um den Individualverkehr zu verringern und den Flächenverbrauch durch Straßen zu bremsen. Außerdem sollten neue Anbindungen geschaffen, die Produktivität gesteigert und die Luftqualität verbessert werden. In den vergangenen Jahrzehnten investierten europäische Städte insbesondere in eine bessere Abstimmung der öffentlichen Verkehrsverbindungen. Hamburg führte als erste Stadt im Jahr 1967 mit dem Verkehrsverbund ein vollständig integriertes ÖPNV-System ein. Von 1970 bis zum Jahr 2000 entwickelten die meisten Großstädte ähnliche Systeme mit aufeinander abgestimmten Anschlüssen und Fahrpreisen. [58]

Zudem investierten die Städte in die Modernisierung und den Ausbau ihrer öffentlichen Verkehrsdienste. Der Fuhrpark wurde nahezu komplett ausgetauscht, es wurden neue Haltestellen, Fahrwege und Leitsysteme gebaut, und die Schieneninfrastruktur wurde modernisiert. Durch die quantitative und qualitative Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs sowie durch relativ niedrige Fahrpreise konnte die Auslastung des öffentlichen Nahverkehrs in europäischen Städten in den vergangenen Jahrzehnten deutlich gesteigert werden. Dies gilt vor allem für westeuropäische Städte: Die Personenkilometer erhöhten sich im U-Bahn- und Straßenbahnbetrieb um 39 Prozent, im Schienenverkehr um 38 Prozent und im Busverkehr um 11 Prozent. [59]

Der zweite Investitionszyklus der europäischen Städte: ab den 2000er-Jahren

Seit den 2000er-Jahren investierten die Städte auch in Technologie und Innovation, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Zu den thematischen Zielen der EU-Kohäsionspolitik für die Jahre 2014–2020 gehören die Verbesserung des Zugangs zu Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) und die Verbesserung ihrer Nutzung und Qualität. Dies umfasst auch die Entwicklung von IKT-Produkten und -Dienstleistungen und die Stärkung von IKT-Anwendungen. Der eGovernment-Aktionsplan der EU (2016–2020) sieht konkrete Maßnahmen vor, um die vorhandenen Rechtsvorschriften schneller umzusetzen, damit beispielsweise Online-Dienste genutzt werden können. [60]

Außerdem wird zunehmend in Klimaschutz- und Umweltmaßnahmen investiert. Jahrzehntelang wurden Städte als Umweltprobleme angesehen. Die Strategien konzentrierten sich europaweit vor allem darauf, Armut, Kriminalität und Verfall in den Städten zu bekämpfen. In jüngster Zeit dagegen haben Klima- und Umweltthemen stark an Bedeutung gewonnen, zumal die europäischen Regierungen mittlerweile strengere und ehrgeizigere Ziele setzen. Die Klimakonferenz von Paris war in dieser Hinsicht ein wichtiger Meilenstein, weil er verdeutlichte, dass Städte nun gemeinhin als Teil der Lösung gesehen werden. [61]

Im vergangenen Jahrzehnt haben sich die Städte zu wichtigen Akteuren im Klimaschutz entwickelt. Manche investierten in ihr Industrie- und Technik-Know-how und gehören jetzt zu den Vorreitern der neuen Umweltbranchen. Städte wie Stockholm, Berlin und London haben damit begonnen, Wirtschaftswachstum und Ressourcenverbrauch zu entkoppeln. Dies gilt zunehmend als ein wichtiger Baustein einer nachhaltigen Zukunft für die europäischen Städte. [62]

Die EU-Kommission setzt sich besonders für Reformen ein, die Anreize für den Finanzsektor schaffen, zu dieser „grünen Wende“ beizutragen. Die Investitionsoffensive für Europa – der sogenannte Juncker-Plan – hat bereits Investitionen in Höhe von über 250 Milliarden Euro ermöglicht und Mittel aus verschiedenen anderen europäischen Geldquellen, darunter den Strukturfonds, mobilisiert, die zur Finanzierung zahlreicher Projekte in den Bereichen Energieeffizienz, erneuerbare Energien und Kreislaufwirtschaft beitragen. [63]

4.2          Europas Städte finanzieren

Woher kam das Geld bisher?

Sowohl die nationalen Regierungen als auch die Städte haben eine wichtige Aufgabe zu erfüllen. Bisher gehörte es nicht zu den Kernaufgaben der Stadtverwaltungen, externes Investitionskapital anzuziehen. In dieser Hinsicht mangelt es ihnen an Befugnissen, Kapazitäten und Kompetenzen. In Europa verfügen die Stadtverwaltungen in der Regel nicht über einen vergleichbaren fiskalischen und finanziellen Spielraum wie in Nordamerika. Selbst in nicht allzu zentral organisierten Staaten können die Städte nicht allein für ihren gesamten Investitionsbedarf aufkommen. [64] Gleichzeitig haben sich die Nationalregierungen einer externen Haushaltsdisziplin unterworfen (Stabilitätspakt/Maastricht-Prinzipien für die Mitgliedschaft im Euroraum), weshalb sie ihre öffentlichen Investitionen nicht einfach durch die Aufnahme höherer Schulden steigern können.

In Europa finanzieren die Kommunen Infrastrukturinvestitionen vor allem aus eigenen Mitteln. Darüber decken sie 50 Prozent des gesamten Finanzierungsbedarfs. Transferzahlungen nationaler und subnationaler Stellen decken weitere 23 Prozent ab, externe Finanzierungen einschließlich Bankkrediten 18 Prozent und EU-Mittel einschließlich der EU-Strukturfonds 8 Prozent. [65]

Investitionstrends in europäischen Städten

Es zeigt sich zunehmend, dass die Ziele der EU nur dann erreicht werden können, wenn auch die europäischen Städte langfristig erfolgreich sind. Dafür müssen Entwicklungs- und Investitionserfordernisse erfüllt werden. Vor diesem Hintergrund wird der private Sektor inzwischen deutlich stärker in die Investitionstätigkeit eingebunden.

In den vergangenen fünf Jahrzehnten haben sich öffentliches und privates Kapital bei erfolgreichen Investitionen der Städte in den meisten Fällen gut ergänzt. Es zeigte sich immer deutlicher, wie wichtig private Investitionen sind. Zum einen helfen sie, die Finanzierungslücke zu schließen, und zum anderen sorgen sie in einem Projekt für eine gewisse Marktdisziplin, erhöhen die Qualität des Ergebnisses und zeigen den Anlegern insgesamt, dass es sich lohnt, in eine Stadt zu investieren. [66]

Die „Investitionslücke“

In den vergangenen fünf Jahren haben 42 Prozent aller Kommunen in der EU ihre Investitionstätigkeit gesteigert. [67]

Zwar ziehen die Städte effektiv Investitionen an und bieten auch eine angemessene externe und interne Verzinsung. Dies bedeutet aber nicht, dass alle europäischen Städte den erforderlichen oder gewünschten Zugang zu Investitionsmitteln haben. Vielmehr besteht in Europas Städten immer noch eine „Investitionslücke“.

Diese Lücke beschränkt sich nicht allein auf das verfügbare Kapital, sondern betrifft weitere Bereiche:

  • Lücken im institutionellen Rahmenwerk – Öffentliche Investitionen sollen sich innerhalb kurzer Zeit rentieren, so die Erwartung. Deshalb werden die Rückzahlungsfristen kürzer gesetzt, sind nicht immer realistisch und bieten nicht die passenden Anreize für umfangreiche öffentliche Investitionen.
  • Lücken bei der Zusammenarbeit – Es mangelt oft an der Koordination zwischen unterschiedlichen öffentlichen Institutionen in derselben Stadt. Hinzu kommt, dass PPPs und andere Investitionsmöglichkeiten noch nicht so weit entwickelt sind, dass sie überall angewendet werden können oder überall Vertrauen genießen.
  • Wissenslücken – Den öffentlichen wie den privaten Akteuren ist zuweilen nicht klar, wie die jeweils andere Seite arbeitet und was für eine effektive Zusammenarbeit erforderlich ist. Außerdem mangelt es an Informationen über Investitionsmöglichkeiten . [68]

Neue Wege für Investitionen europäischer Städte

Um die Investitionslücke zu schließen, wurden verschiedene neue Strategien für eine bessere Kapitalausstattung vorgeschlagen. Insbesondere in den vergangenen zehn Jahren ging es wieder verstärkt darum, die Investitionsflüsse zu steigern. Hier sind einige wichtige Neuerungen zu nennen.

Erstens wird inzwischen mehr Gewicht auf die Bankfähigkeit gelegt. Die Finanzinstitute unterstützen die Kommunen bei der Entwicklung moderner Asset-Management- und Unternehmensfinanzierungssysteme. Ein Grund dafür ist die Erkenntnis, dass die Investitionslücken je nach Stadttyp unterschiedlich sind und daher jeweils andere Strategien benötigt werden, um sie zu schließen. Je stärker sich das europäische Stadtsystem ausdifferenziert, desto deutlicher wird, dass die unterschiedlichen Stadttypen auch unterschiedliche Entwicklungen durchlaufen und dementsprechend auch jeweils andere Investitionen benötigen. So sehen die Investitionslücken beispielsweise in Wissenszentren anders aus als in Forschungszentren, und damit sind auch andere Investitionsstrategien erforderlich. [69]

Außerdem wird Wert darauf gelegt, die Städte bei der Entwicklung solider Haushaltsstrategien zu unterstützen. Dies ist der erste Schritt zur Schaffung des notwendigen Vertrauens, damit sie sich in einer Weise darstellen können, die bei den Geldgebern Vertrauen erweckt.

Zweitens gewinnen neue Fremdkapitalarten an Bedeutung. Neben traditionellen Bankkrediten werden längerfristige strukturierte Finanzierungen wie über Anleihen immer beliebter. Möglich wurde dies durch neue Kreditinstrumente wie revolvierende Kredite sowie Garantien und Anreize, die die Risiken privater Investitionen verringern sollen.

4.3          Die Rolle der EIB

Die Europäische Investitionsbank hat entscheidend dazu beigetragen, dass Europas Städte mehr investieren konnten. Insbesondere stellte sie langfristige Finanzmittel für solide Investitionsprojekte zur Verfügung. Die EIB nimmt Mittel an den Kapitalmärkten auf, um sie zu günstigen Konditionen für Projekte zu vergeben, die zu den Zielen der EU beitragen. [70] Jährlich vergibt die EIB Gelder in Höhe von 50 bis 70 Milliarden Euro. Davon fließen über 10 Prozent in Stadtentwicklungsprojekte. Indirekte Investitionen in Städte und Kommunen machen mehr als 40 Prozent ihres gesamten Portfolios aus. [71]

Daneben hat die EIB auch in anderer Weise dazu beigetragen, dass sich die Investitionssituation verbessert hat. Sie entwickelte neue Finanzierungsinstrumente wie das Rahmendarlehen, das nach seiner Einführung in den 1990er-Jahren rasch zum wichtigsten Finanzierungsinstrument für die integrierte Stadtentwicklung wurde. Dabei handelt es sich im Grunde um eine Kreditlinie, die Kommunen zur Verfügung gestellt wird und zur Finanzierung förderfähiger Projekte im Investitionsprogramm einer Stadt herangezogen werden kann. Dieses Instrument ist deshalb von so großer Bedeutung für die Stadtentwicklung in Europa, weil damit verschiedene Projekte aus unterschiedlichen Sektoren finanziert werden können, weil die Stadt oder Region die Mittel auch selbst zuteilen und auszahlen kann, und weil nationale und regionale Mittel gemeinsam mit Fremdkapital eingesetzt werden können, um so auch größere Projekte zu stemmen. [72]

Schließlich hat die EIB neue Finanzierungsinstrumente und Beratungsmöglichkeiten entwickelt. Zusammen mit der EU-Kommission hat die EIB vor Kurzem die Initiative „Urban Investment Support“ (URBIS) ins Leben gerufen, die Städte bei der Planung und Umsetzung von Investitionsstrategien unterstützen soll. Die Initiative kommt im Grunde einem Beratungsdienst für Städte gleich, die damit ganz einfach auf die gesamten technischen und finanziellen Beratungskapazitäten der EIB zugreifen können. Außerdem wurde mit der „Smart Finance for Smart Buildings Facility“ ein neues Finanzierungsinstrument geschaffen. Dabei werden EU-Fördergelder als Garantien eingesetzt, um Energieeffizienzprojekte im Bausektor für private Anleger attraktiver zu machen. [73]

Im letzten Essay unserer Reihe gehen wir genauer auf die Rolle der EIB ein und beschreiben, wie sie auf den mit der EU-Integration einhergehenden Investitionsbedarf reagiert und die erforderlichen Finanzierungslösungen mitgestaltet hat. Zuvor jedoch wollen wir in einer Reihe von Essays die Entwicklung einzelner Städte beleuchten.

Der Text gibt die Ansicht der Autoren wieder, die nicht unbedingt der Sichtweise der Europäischen Investitionsbank entspricht.

Über die Autoren

Professor Greg Clark, CBE, ist Honorarprofessor am University College London und Chairman des Beratungsunternehmens für intelligente Stadtentwicklung The Business of Cities, das jedes Jahr weltweit in mehr als 100 Städten tätig ist. Er gehört zu den Vordenkern der Brookings Institution, des Urban Land Institute und des Cities Research Centre von JLL. Zudem ist er Board-Mitglied der Transport for London und der London Enterprise Partnership (LEP). Greg Clark hat zehn Bücher geschrieben, darunter „Global Cities: A Short History“ (Brookings Institution Press) und „London 1991–2021, The Making of a World City“. Tim Moonen hat an der University of Bristol promoviert und ist bei The Business of Cities für das strategische Management von Forschungs- und Beratungsprojekten zuständig. Er ist Co-Autor von mehr als 50 Berichten, Büchern und Beiträgen zur Wettbewerbsfähigkeit, Governance und Performance globaler Städte. Jake Nunley ist Lead Researcher bei The Business of Cities. Er studierte an der University of Cambridge und der Harvard University.

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Moonen, Nunley, Clark (von links nach rechts)

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Referenzen

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[3] www.ined.fr/fichier/s_rubrique/209/pop_e_66.2011.1_avdeev.en.pdf

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[22] www.theguardian.com/travel/2009/sep/20/city-break-rail-zurich

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