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Hochrangig besetzte Konferenz in Paris befasst sich damit, wie Europa auf dem Weg zur Klimaneutralität industrielles Potenzial erschließen und Energieverbraucher entlasten kann

Die Führungsspitzen der Europäischen Investitionsbank (EIB), der Europäischen Zentralbank (EZB) und der Internationalen Energieagentur (IEA) appellieren heute an Verantwortliche aus Politik, Finanzwelt und Industrie, einen gerechten und schnellen Übergang zu sauberer Energie voranzutreiben, der Europas Wettbewerbsfähigkeit sichert.

An der hochrangig besetzten Konferenz am IEA-Hauptsitz in Paris nehmen Ministerinnen, Botschafter, führende Köpfe aus Wirtschaft und Zentralbanken sowie andere wichtige Stakeholder teil.[1] In den Eröffnungsreden fordern EZB-Präsidentin Christine Lagarde, EIB-Präsident Werner Hoyer und IEA-Exekutivdirektor Fatih Birol die Delegierten auf, bei der Energiewende mehr Tempo vorzulegen.

Angesichts der massiven Störungen auf den globalen Energiemärkten muss Europa weit mehr investieren, um einen geordneten Übergang zu schaffen und sich im Kreis anderer industrieller Schwergewichte in der neuen Energiewirtschaft zu positionieren. Nach dem IEA-Szenario zu Netto-Null-Emissionen im globalen Energiesektor bis 2050 muss die Europäische Union ihre jährlichen Investitionen in saubere Energie bis 2030 deutlich steigern.

Aus dem zweiten gesamtwirtschaftlichen Klimastresstest der EZB geht hervor, dass das Vorziehen von Investitionen in saubere Energie mittelfristig die Kosten und Risiken für Unternehmen und Privathaushalte erheblich reduziert. Doch der Privatsektor wird bei seinen Investitionen ausgebremst – neben geopolitischen Spannungen und hoher Inflation auch durch Markthindernisse wie politische Unsicherheit und langwierige Genehmigungsverfahren. Sie verzögern Projekte, schrecken Investoren ab und führen zu Kostenüberschreitungen bei der Entwicklung.

Außerdem hat die europäische Industrie beim Energiepreis einen Wettbewerbsnachteil. Denn der ist im Vergleich zu anderen Regionen relativ hoch. Und Länder wie die USA, China, Indien, Japan und Korea legen ehrgeizige Investitionsprogramme auf, um ihre Lieferketten und Produktionskapazitäten auszubauen und die Ressourcensicherheit zu verbessern. Deshalb muss Europa seine Investitionen in die Energiewende beschleunigen. Nur so kann Europa seine Abhängigkeit von großen Öl- und Gasproduzenten und den oft volatilen Brennstoffmärkten begrenzen.

Die Europäische Union hat zugesagt, im Zeitraum 2021–2027 mindestens 30 Prozent ihrer Haushaltsmittel für den Klimaschutz auszugeben. Und Entwicklungsfinanzierer wie die EIB tragen wesentlich dazu bei, privates Kapital für saubere Energieprojekte zu mobilisieren. Für jeden Euro, den die EIB in solche Projekte investiert, steuert der Privatsektor weitere 1,40 Euro bei. Die EIB hat ihre Finanzierungen für saubere Energieprojekte bereits auf Rekordniveau erhöht und kürzlich angekündigt, zusätzlich zu ihrem normalen Kreditvolumen noch weitere 45 Milliarden Euro bereitzustellen. Damit will sie strategische Netto-Null-Branchen bei Investitionen in erneuerbare Energien und eine hochmoderne Produktion unterstützen, um die Energiewende zu beschleunigen. Nachdem die EU-Bank bereits keine Projekte mit fossilen Energieträgern ohne CO2-Minderung mehr finanziert, ist sie nun auf gutem Weg, in diesem Jahrzehnt Investitionen von einer Billion Euro in Klimaschutz und ökologische Nachhaltigkeit zu fördern.

Auf der heutigen Konferenz geht es darum, wie sich mit Strategien und Finanzierungsinstrumenten weitere Investitionen anstoßen lassen. Angesichts der enormen Summen, die erforderlich sind, müssen wir den Zugang zu Kapital erleichtern. Dazu gehören auch Schritte in Richtung einer grünen Kapitalmarktunion, damit Mittel für die Energiewende auch grenzüberschreitend nahtlos fließen können. Eine grüne Kapitalmarktunion würde zudem einen robusten Rahmen für nachhaltige Finanzierungen schaffen und Greenwashing entgegenwirken. Die Energiewende kann nur in einem Umfeld der Preisstabilität gelingen. Deshalb hat die EZB mit ihrem Engagement für eine geordnete Energiewende entschiedene Schritte unternommen, um Klimaaspekte in ihren geldpolitischen Rahmen und die Überwachung der Finanzmarktstabilität zu integrieren.

IEA-Exekutivdirektor Fatih Birol: „Mit seiner schnellen Reaktion auf die globale Energiekrise hat Europa es geschafft, sich von Russland als wichtigstem Energieversorger zu lösen – reibungsloser, als viele gedacht hätten. Doch jetzt muss die Region lernen, in dieser neuen Realität zu wachsen und zu gedeihen. Vergangenen Winter habe ich betont, dass Europa einen neuen Masterplan für die Industrie braucht, um mit anderen hoch entwickelten Volkswirtschaften Schritt zu halten. Europa hat zwar einen großen Binnenmarkt, qualifizierte Arbeitskräfte und eine erstklassige Forschung und Entwicklung, aber noch ist nicht klar, wie es seine Ambitionen praktisch umsetzen will. Die Politik muss mutig und rasch handeln, damit Europa eine globale Industriemacht bleibt.“

EZB-Präsidentin Christine Lagarde: „Die grüne Wende ist eine beispiellose Herausforderung, weil so viel auf dem Spiel steht, wenn sie scheitert, und der Weg zum Erfolg so steinig ist. Wir müssen die Energiewende durchziehen und uns darüber im Klaren sein, welche Herausforderungen damit verbunden sind und wie wir die Kosten fair verteilen. Außerdem muss der Markt für grüne Finanzierungen vorankommen, damit die Risikoprämien und die Finanzierungskosten sinken.“

EIB-Präsident Werner Hoyer: „Die Energiewende ist eine Chance für Europa und die Welt. Zugleich ist sie eine Herausforderung. Denn unsere Industrie muss schnell sein und den Wandel annehmen. Sonst riskiert sie, auf der Strecke zu bleiben. Nur mit raschen, massiven Investitionen in Netto-Null-Technologien bleibt Europa attraktiv für Unternehmen und ein Standort für Innovation und neue Ideen, die Wohlstand und Arbeitsplätze bringen.“


[1] Die drei Eröffnungsreden werden per Live-Stream am 29. September ab 9.30 Uhr (Ortszeit Paris) übertragen.