Keynote Speech von Nadia Calviño zur Eröffnung der EU Agri-Food Days am 10. Dezember 2024
Lieber Kommissar, lieber Christophe, sehr verehrte Gäste, Partnerinnen und Partner,
es ist beeindruckend, so ein volles Haus zu sehen, um über eine der wichtigsten Prioritäten Europas zu sprechen. Und ich freue mich außerordentlich, hier zu sein und zu erläutern, wie die Europäische Investitionsbank die europäische Politik in diesem Bereich unterstützt. Wie können wir gemeinsam eine erfolgreiche Zukunft für Europas Landwirtschaft und die Bioökonomie im Allgemeinen sicherstellen? Wie Präsidentin von der Leyen schon gesagt hat: Die Europäische Investitionsbank ist dabei, die finanzielle Unterstützung für diesen Sektor auszuweiten.
Europas Landwirtinnen und Landwirte sind unsere wichtigsten Lebensmittelproduzenten, die Hüter des ländlichen Raums, die Beschützer unserer biologischen Vielfalt. Deshalb ist klar: Sie sind entscheidend für die europäische Lebensweise und ein wichtiger Motor unseres wirtschaftlichen Erfolgs. Deshalb sind Investitionen in Europas Landwirtschaft und Bioökonomie bei der Europäischen Investitionsbank-Gruppe eine unserer acht strategischen Kernprioritäten. Sie nehmen in unserem Strategie-Fahrplan einen sehr wichtigen Platz ein. Diesen Fahrplan haben wir unseren Anteilseignern, den 27 Mitgliedsländern der EU, präsentiert, und sie haben ihn einstimmig unterstützt. Das zeigt: Als Finanzierungseinrichtung der Europäischen Union und als eines der weltgrößten multilateralen Finanzinstitute nehmen wir unsere Unterstützung für diesen Sektor sehr ernst.
Diejenigen unter Ihnen, die im Agrarsektor arbeiten, wissen sehr gut – Sie wissen es sogar am besten –, mit welchen Herausforderungen wir hier konfrontiert sind, etwa starke Vertragspartner und Kunden, volatile Preise und zu wenige langfristige Kredite. Das betrifft besonders junge Landwirtinnen und Landwirte, die Geld brauchen, weil sie ihren Betrieb modernisieren, digitalisieren und mit neuen Technologien ausstatten oder einfach passendere, moderne Verfahren für die täglichen Abläufe auf dem Hof einführen wollen.
Und wenn sie denn eine Finanzierung bekommen, sind die Kosten meist sehr hoch; das heißt, sie zahlen hohe Zinsen und müssen umfangreiche Sicherheiten hinterlegen. Gleichzeitig bekommen Landwirtinnen und Landwirte als erste zu spüren, dass Extremwetter häufiger, heftiger und teurer wird. Und der Bedarf an bezahlbaren Lebensmitteln steigt weiter.
Das fasst die Herausforderungen des Sektors ganz gut zusammen, denke ich. Die Europäische Investitionsbank arbeitet seit Jahrzehnten eng mit Europas Landwirtinnen und Landwirten zusammen. Wir haben zentrale Infrastrukturinvestitionen finanziert und tun es natürlich auch weiterhin: Bewässerungssysteme, Transportgerät und neue Ausrüstung für die Agrar- und Lebensmittelwirtschaft. Vor Kurzem haben wir auch Investitionen in digitale Plattformen finanziert, die Landwirtinnen und Landwirte mit ihren Kunden in Kontakt bringen, zum Beispiel aus den Bereichen nachhaltige Aquakultur, Kreislaufwirtschaft, Forschung und Biotechnologie.
Und heute kann ich Ihnen mit Freude sagen, dass die Europäische Investitionsbank kürzlich ein drei Milliarden Euro schweres paneuropäisches Landwirtschaftsprogramm für kleine und mittlere Betriebe genehmigt hat. Es ist das größte Finanzierungspaket für die europäische Land-, Forst- und Fischwirtschaft in der Geschichte der EIB-Gruppe. Diese Mittel können mit Zuschüssen aus dem EU-Haushalt oder auch mit Zuschüssen aus nationalen Programmen kombiniert werden.
Und um noch mehr Investoren an Bord zu holen, prüfen wir innovative Finanzierungsmechanismen, mit denen sich die Risiken solcher Bioökonomie-Projekte abfedern lassen, damit Kredite billiger werden. Zum Beispiel öffentliche Garantien oder Zinsnachlässe. Insgesamt mobilisieren wir mehr als acht Milliarden Euro an Finanzierung für Europas Landwirtschaft und die Bioökonomie im Allgemeinen – mit einem starken Fokus auf junge Landwirtinnen und Landwirte, grüne Investitionen und Gleichstellung.
Außerdem müssen wir über Versicherungen und andere Möglichkeiten der Risikominderung für den Sektor nachdenken, der den Klimawandel ungebremst zu spüren bekommt. Erst heute Vormittag habe ich mit dem zuständigen EU-Kommissar, mit Christophe [Hansen], über die Dürren und Überschwemmungen gesprochen, die wir jüngst in Mitteleuropa und jetzt gerade in meinem Heimatland Spanien gesehen haben. Sie zeigen nämlich sehr deutlich, dass wir gegen das immer heftigere Extremwetter etwas tun müssen. Diese Ereignisse werden zunehmend unversicherbar. Deshalb arbeiten wir gemeinsam mit der Europäischen Kommission, der Versicherungswirtschaft und den Landwirtinnen und Landwirten an europäischen Hilfen für solche Extremsituationen.
Diese Anstrengungen müssen natürlich nationale Versicherungssysteme ergänzen und dem „Build-Back-Better-Grundsatz“ folgen, das heißt wir nutzen den Wiederaufbau, um unsere Infrastruktur klimafest zu machen. Jeder Euro, den wir in Resilienz und Klimaanpassung stecken, kann fünf bis sieben Euro an Reparaturkosten sparen – und uns darüber hinaus unwiederbringliche Verluste ersparen, wie den tragischen Verlust von Menschenleben.
Deshalb möchten wir bei der Europäischen Investitionsbank-Gruppe zunehmend dazu beitragen, Schäden zu begrenzen und zu verhindern, denn das ist für uns alle nicht nur schlichtweg die richtige, sondern auch eine intelligente Entscheidung.
Und Anpassung kann viele Formen annehmen. Wir investieren zum Beispiel in innovative Lösungen von Unternehmen, die Hochleistungs-Saatgut entwickeln. Dazu gehört unter anderem Florimond Desprez in Nordfrankreich. Das Unternehmen konzentriert sich zunehmend auf die Zucht von Pflanzen, die extremer Hitze oder Dürren und Krankheiten oder Schädlingen widerstehen. Darüber hinaus arbeiten wir an Infrastrukturprojekten mit, etwa im Bereich Wassermanagement und Bewässerung im spanischen Navarra. Unser Kanalausbau-Projekt spart Wasser und Energie. Es stellt bestehende Wasserreservoirs wieder her und sorgt auch dafür, dass in der Region mehr unterschiedliche Kulturpflanzen angebaut werden können.
Das ist ein gutes Beispiel dafür, wie Klima und Wettbewerbsfähigkeit für Europa ein Erfolgsduo sein können. Außerdem überlegen wir, wie wir die zweite Phase dieses Projekts finanzieren können. Denn sie weitet die Agrarproduktion in Regionen aus, die von Landflucht betroffen sind. Wie ich eingangs schon gesagt habe: Der Agrarsektor hat eine Schlüsselrolle, wenn es darum geht, unsere Gemeinschaften in der gesamten EU zu bewahren.
Wir haben sehr engagiert am Strategischen Dialog zur Zukunft der EU-Landwirtschaft teilgenommen, den EU-Kommissions-Präsidentin von der Leyen angesprochen hat. Außerdem haben wir einen Aktionsplan erarbeitet, der neben den drei Milliarden Euro an neuer Finanzierung und dem frischen Blick auf das Thema Versicherungen auch Programme für Venture Debt und Private Equity vorsieht, um innovativen Unternehmen beim Entwickeln neuer Agrartechnologien zu helfen. Und in der gesamten Wertkette der Agrar- und Lebensmittelwirtschaft: Garantieprogramme, die landwirtschaftlichen Betrieben den Zugang zu Krediten oder anderen Formen der Förderung erleichtern, Unterstützung für landwirtschaftliche Organisationen und mehr Infrastruktur im ländlichen Raum, zum Beispiel Straßen, Bewässerungssysteme, Lager-Infrastruktur, Internetanbindung, Bildung, Wassermanagement und so weiter.
Es gibt viel zu tun, aber ich bin weiterhin optimistisch, denn wir sind nicht allein. Mit der Europäischen Kommission, den EU-Mitgliedstaaten und dem Privatsektor ziehen wir alle an einem Strang und verbessern unsere Zusammenarbeit weiter. In den vergangenen zwölf Monaten seit meinem Amtsantritt als Präsidentin der Europäischen Investitionsbank habe ich jedes der 27 Mitgliedsländer besucht. Ich habe dort mit unseren Partnern gesprochen und mit unseren Gouverneuren, den Finanzministerinnen und -ministern der EU-Mitgliedsstaaten.
Eine zentrale Botschaft, die ich mitgenommen habe, lautet: Die EU muss dringend ihre Arbeitsweise vereinfachen. Das hat ja auch Kommissionspräsidentin von der Leyen angesprochen. Das bedeutet Bürokratieabbau, weniger administrative Hürden, und dafür setzen wir uns bei der Europäischen Investitionsbank auch ein. Wir arbeiten aktiv mit der Europäischen Kommission zusammen, mit konkreten Vorschlägen zur Vereinfachung der Nachhaltigkeitsberichte. Damit wir die Anreize für die grüne Wende aufrechterhalten, aber mit Augenmaß und einer geringeren Belastung für Finanzinstitute, große und kleine Unternehmen und auch für die Landwirtinnen und Landwirte.
Ich denke, gemeinsam können wir diesen Sektor, der ein Herzstück Europas bleibt, widerstandsfähiger machen. Europa ist eine Agrarmacht, und wir haben eine sehr starke Grundlage, auf der wir aufbauen können. Deshalb denke ich, dass wir ehrgeizig in die Zukunft blicken können. Wenn wir unsere Stärken bündeln und unser Wissen teilen, können wir dafür sorgen, dass die Landwirtschaft weiter zum wirtschaftlichen Erfolg und zur Stärke unserer lokalen Gemeinschaften beiträgt.
Ich freue mich sagen zu können, und damit komme ich dann auch zum Schluss, dass meine Zuversicht auch damit zu tun hat, dass wir eine enge Arbeitsbeziehung zur Europäischen Kommission haben, zur GD AGRI und zur GD Umwelt und zu all den verschiedenen Generaldirektionen. Wir hatte gerade ein Treffen mit dem neuen Kommissar, und es hat keine fünf Minuten gedauert, bis wir uns bei einer ganzen Reihe von Arbeitsbereichen einig waren! Wir haben die gleiche Vision, und ich denke, Sie wissen: Sie können sich darauf verlassen, dass die Europäische Investitionsbank bei diesem wichtigen Thema an Ihrer Seite steht.
Ich freue mich darauf, Sie alle zu sehen und an diesem konstruktiven Dialog teilzunehmen. Vielen Dank, dass Sie mich eingeladen haben, zur Eröffnung dieser Veranstaltung hier zu sprechen.