Ein niederländischer Kreislauf-Fonds investiert in Kunststoffrecycling, um Klima und Umwelt zu schonen
Jeroen Kelder kommt ursprünglich aus dem Corporate-Finance- und Investment-Geschäft. Viele Jahre finanzierte er kleine und mittlere Unternehmen in Sektoren wie Gesundheit und erneuerbare Energien. Dann nahm die Kreislaufwirtschaft Fahrt auf, und Kelder sah die Chance, seine Erfahrung nun für die Ressourcenwende einzusetzen, vor allem beim Plastik.
„In Europa wird nur ein kleiner Teil des Plastiks recycelt“, sagt Kelder, der heute Managing Partner von Infinity Recycling ist, einem auf Kreislaufwirtschaft spezialisierten Fonds. „Bislang fehlen uns die Lösungen dafür, wenn Produkte das Ende ihrer Lebensdauer erreicht haben. Deshalb wird vieles entweder verbrannt oder landet auf der Müllkippe. Das ist schade, weil sieben bis neun Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes vom Plastik kommen. Wenn wir da was einsparen, würde das schnell viel bringen.“
Kelder wollte etwas bewirken, und er wusste, wo er ansetzen musste: Unternehmen brauchen Kapital, damit sie hochmoderne Technologien entwickeln und Recyclinganlagen hochziehen können. „Es ist zum Verzweifeln, wenn Innovationen und gute Ideen brachliegen, weil sie nicht die Hilfe oder die Finanzierung bekommen, die sie brauchen“, so Kelder. „Der Welt läuft die Zeit weg.“
Die Technologie für viele moderne Recyclingformen gibt es schon seit Jahren, aber die Anlagen sind bislang „zu klein, zu teuer und ineffizient. Zudem ist der Übergang von einer zentralisierten, linearen Wirtschaft zu einer dezentralen Kreislaufwirtschaft wirklich disruptiv. Da wird die etablierte Industrie kaum vorpreschen“, glaubt Kelder. „Was der Sektor braucht, ist unabhängiges Risikokapital und praktische Unterstützung.“
2019 stellte Kelder dem Europäischen Investitionsfonds sein Investmentkonzept vor. Nach einigen Gesprächen, in denen es um die Strategie und Strukturierung ging, investierte der EIF 2023 rund 50 Millionen Euro in den Circular Plastics Fund von Infinity Recycling – eine seiner bislang größten Beteiligungen an einem Erstfonds. Dieser konnte so eine komfortablere Größe erreichen und hat sein Zielvolumen von 150 Millionen Euro bereits fest im Visier.
Recycling reduziert Fußabdruck
Plastik ist ein Riesenposten in der Klimabilanz. Außerdem macht es 80 Prozent der Meeresbelastung aus und gefährdet Ökosysteme und Lebensräume. Und dennoch könnte sich der Kunststoffverbrauch bis 2060 verdreifachen. Der Circular Plastics Fund, einer der ersten europäischen Fonds für Kunststoffrecycling, investiert in neue Technologien, die das Problem angehen. Ziel ist die Rückgewinnung von Kunststoff aus Abfall, um ihn erneut als Rohstoff zu nutzen und den industriellen Kreislauf zu schließen.
„Die stattliche Zusage des EIF für den Fonds dürfte eine starke Signalwirkung haben und passt zu unseren Zielen. Wir wollen Kapital investieren und ein Ökosystem für europäische Investoren in Schlüsselbereichen der Klima- und Umweltpolitik aufbauen, die mehr Kapital brauchen“, sagt João Ramos, Investment Manager im Team des EIF für Eigenkapitalinvestitionen und Garantien.
Der EIF baut sein Engagement für Impact-Fonds im Bereich Klima und Umwelt weiter aus. 2023 sagte er knapp eine Milliarde Euro für über 25 Risikokapital- und Private-Equity-Fonds zu – doppelt so viel wie 2022.
Über seine Beteiligungen will der EIF den anhaltenden Kapitalmangel in wichtigen Märkten entschärfen. Dazu investiert er in neue Fonds in den Sektoren Energie, Agrarlebensmittel, Kreislaufwirtschaft und blaue Wirtschaft. Besonders im Fokus steht außerdem der akute Kapitalmangel in der späten Wachstumsphase und bei der Skalierung von Klima- und Umwelttechnologien. Auch hier beteiligt sich der EIF an einigen neuen Fonds für diese Marktsegmente.
Zurück zum Ursprung
Mit der Technologie von heute lassen sich nur 20–25 Prozent des Kunststoffs mechanisch recyceln.
Henning Jensen ist Aufsichtsratsvorsitzender von Pryme, einem Portfoliounternehmen von Infinity Recycling. Seine Firma hat ein Verfahren entwickelt, das er so erklärt: „Mit sogenannten fortschrittlichen Technologien und chemischen Prozessen werden die Moleküle im Kunststoff in Pyrolyseöl umgewandelt. Dieser verflüssigte Kunststoffabfall lässt sich in üblichere chemische oder petrochemische Prozesssysteme einspeisen. So wird aus dem recycelten im Grunde wieder neuwertiger Kunststoff.“
Dieser „neue“ Kunststoff kann zum Beispiel im Lebensmittelbereich oder der Medizin eingesetzt werden. Weil bei jedem Recyclinggang nur ein kleiner Anteil eingebüßt wird, lässt er sich fast unbegrenzt nutzen. In seiner ersten Recyclinganlage, die Anfang 2024 die Produktion aufnimmt, kann Pryme bald 40 000 Tonnen Kunststoff pro Jahr verarbeiten. Die nächsten Anlagen sollen für 160 000 Tonnen jährlich ausgelegt werden.
„Der Markt ist da, die Lieferkette steht im Wesentlichen, und an Nachfrage mangelt es nicht. Wir müssen das Ganze jetzt technisch und wirtschaftlich machbar in ausreichend großem Maßstab auf die Beine stellen“, sagt Jensen.
Kunststoff-Kreislauf als Win-Win
Kelder ist überzeugt, dass es für Europa langfristig viele Möglichkeiten gibt, Kreislauflösungen in Länder mit begrenzter Recycling-Infrastruktur zu exportieren. Doch bis dahin braucht es mehr Investitionen, um moderne Anlagen zu bauen.
„Die Verbraucherinnen und Verbraucher wollen mehr und besser recyceln, den CO2-Ausstoß senken und von den Fossilen wegkommen“, weiß er. „Wir müssen unseren Umgang mit Abfall völlig neu denken und die chemische Industrie mit Rohstoffen versorgen. Aber nachhaltig. Dann profitieren alle.“
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