Diese Geschichte beginnt in einer Zeit, in der Europa in einer schweren Krise steckte. Vier Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2008 lag das Bruttoinlandsprodukt der EU immer noch unter dem Vorkrisenniveau. Die Sachinvestitionen waren um 15 Prozent gesunken und die Zahl der Langzeitarbeitslosen stieg an. Die EU-Mitgliedstaaten baten die Europäische Investitionsbank, ihr Finanzierungsvolumen zu erhöhen, um Beschäftigung und Wachstum zu fördern. Zu diesem Zweck stimmten sie einer Kapitalerhöhung um zehn Milliarden Euro zu.
Bereits im April 2015 hatte die EIB ihr Ziel, mit den Mitteln aus der Kapitalerhöhung ihre Darlehensvergabe um 60 Milliarden Euro auszuweiten, erreicht. Nachdem die Finanzierungen vergeben waren, musste die Bank jedoch darlegen, was diese im Laufe der Zeit bewirken würden. Dabei galt es, die komplexen Wechselbeziehungen zwischen der Tätigkeit der EIB und den Wirtschaftsaktivitäten allgemein aufzuzeigen.
Mit einem erprobten ökonomischen Modell beurteilten die Volkswirte der EIB, was die Bank mit den Aktivitäten, die durch die Kapitalerhöhung ermöglicht wurden, bewirken wird. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass die Wirkung auf die Wirtschaft in Europa deutlich spürbar sein wird: Bis 2017 entstehen insgesamt 830 000 neue Arbeitsplätze, und bis 2030 sollen es sogar 1,4 Millionen sein.
„Das Modell wurde zur Erfassung langfristiger Faktoren wie auch kurzfristiger Effekte entwickelt“, erklärt Debora Revoltella, Direktorin der Hauptabteilung Volkswirtschaftliche Analysen der EIB. „Nur auf diese Weise lässt sich abschätzen, wie sich die Tätigkeit der EIB letztendlich auf die Realwirtschaft auswirken wird.“
Die Volkswirte der Bank entwickeln das Modell derzeit weiter, um auch die Wirkung des Europäischen Fonds für strategische Investitionen (EFSI) beurteilen zu können, der Teil des Investitionsplans für Europa ist.
Modell zur Wirkungsmessung der EIB-Tätigkeit
Die Methode, mit der die Wirkung der Kapitalerhöhung (2013-2015) gemessen wurde, liefert zahlreiche Hinweise darauf, wie sich auch die Wirkung des EFSI ermitteln lässt und welchen Nutzen zusätzliche Finanzierungen bringen könnten. Dies ist umso wichtiger, als der Präsident der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker, eine Verdoppelung des Volumens und der Laufzeit des EFSI vorgeschlagen hat.
In Zusammenarbeit mit der Gemeinsamen Forschungsstelle (Joint Research Centre) der Europäischen Kommission in Sevilla versuchten die Volkswirte der EIB, die Wirkung der EIB-Tätigkeit während der Kapitalerhöhung zu erfassen. Dabei verwendeten sie ein ökonomisches Modell, das 2010 entwickelt worden war, um die Wirkung der EU-Strukturfonds einzuschätzen. Strukturfonds sind Finanzierungsinstrumente der EU zur Verringerung der wirtschaftlichen Unterschiede zwischen den europäischen Regionen. Mit dem sogenannten RHOMOLO-Modell wurde ermittelt, ob die zunehmend knappen öffentlichen Mittel effektiv verwendet werden. Deshalb ist es für die Zwecke der EIB bestens geeignet.
„Das Modell ist solide und wir haben es mit der gebotenen Vorsicht eingesetzt“, so EIB-Volkswirt Georg Weiers, der an der Wirkungsmessung beteiligt war.
Zu den Hauptstärken dieses Modells gehört, dass es:
• die kurzfristige Wirkung auf die Wirtschaftsaktivitäten erfasst,
• eine Schätzung ermöglicht, wie Investitionen die Produktivität und das längerfristige Wachstum fördern.
Finanziert die EIB zum Beispiel eine Straße, kommt es in der Bauphase zu einer erhöhten Wirtschaftsaktivität. Aber auch nach ihrer Fertigstellung wirkt das EIB-Darlehen weiter. Durch die Straße verringern sich die Fahrtzeiten und Transportkosten, was zu einer Steigerung von Produktivität, Wachstum und Beschäftigung beiträgt. Um die Wirkung eines EIB-Darlehens zuverlässig einzuschätzen, müssen beide Faktoren erfasst werden.
Die Wirkung der EIB – schwarz auf weiß
Mit dem RHOMOLO-Modell ermittelten die Volkswirte der EIB die kurz- und langfristige Wirkung der EIB-Tätigkeit im Zeitraum der Kapitalerhöhung (Januar 2013 bis März 2015).
Die regulären EIB-Aktivitäten und die Tätigkeit im Zusammenhang mit der Kapitalerhöhung summierten sich auf 1 024 Finanzierungsverträge. Diese wurden im Rahmen von 812 Operationen in der EU unterzeichnet und beliefen sich auf insgesamt 142 Milliarden Euro. Damit mobilisierte die EIB Investitionen von insgesamt 372 Milliarden Euro.
Kurzfristig prognostiziert das Modell bis 2017:
• eine Steigerung des BIP um 0,8 Prozent
• 830 000 neue ArbeitsplätzeLangfristig prognostiziert das Modell bis 2030:
• eine Steigerung des BIP um 1,1 Prozent
• 1,4 Millionen neue Arbeitsplätze
Wirkung der EIB und die Rolle des EFSI
Es ist sehr wichtig, dass die EIB ihre Wirkung abschätzt. Nur so kann sie sicherstellen, dass sie ihre Mittel auch zum Wohle der EU-Bürger einsetzt. Als Bank der EU ist nicht nur sie selbst daran interessiert zu erfahren, inwiefern sich ihre Finanzierungen auszahlen. Drei namhafte Organisationen haben bereits Prognosen für die Wirkung des EFSI im Rahmen des Investitionsplans für Europa abgegeben:
• Schätzungen der Europäischen Kommission zufolge wird der EFSI einen Beitrag von 410 Milliarden Euro zum BIP der EU leisten und 1,3 Millionen neue Arbeitsplätze schaffen.
• Oxford Analytica, ein Anbieter volkswirtschaftlicher Analysen, geht von einem BIP-Effekt in Höhe von 1,4 Prozent aus.
• Die Internationale Arbeitsorganisation prognostiziert 1,8 Millionen neue Arbeitsplätze, gefördert durch den EFSI.
Die Volkswirte der EIB passen das Modell derzeit an die Erfordernisse des EFSI an und entwickeln es weiter. Das Modell soll künftig auch Informationen über die Wirkung der gesamten Finanzierungstätigkeit der EIB liefern. „Das Modell ist kompliziert und ziemlich anspruchsvoll. Es ermöglicht nicht nur eine Schätzung der direkten, sondern der gesamten Auswirkungen auf die Wirtschaft“, erklärt Debora Revoltella. „Erst durch diese tiefe Analyse erhält man einen klaren Eindruck davon, was die Bank mit ihrer Tätigkeit bewirkt.“