Mithilfe der Europäischen Investitionsbank verbessert Irland die Lebensqualität von Menschen, die sich hohe Mieten nicht leisten können.
31 Jahre lang lebten Johnny und Ann Lyster in winzigen, überteuerten und skandalös baufälligen Wohnungen. Etwas Besseres konnten sich die beiden in Dublins überhitztem Wohnungsmarkt nicht leisten. Dafür reichte das Einkommen von Johnny nicht aus, der als Busfahrer gearbeitet hatte, bevor er erwerbsunfähig wurde. So standen die Lysters mit 72 000 Mitbewerbern auf der Warteliste für eine Sozialwohnung. Einmal bekam Johnny einen Asthmaanfall und wurde bewusstlos, als er in einer schäbigen Wohnung den Schimmel von den Wänden schrubbte.
Doch dann wendete sich das Blatt: Ann sah, dass gegenüber dem College, an dem sie einen Computerkurs besuchte, Sozialwohnungen gebaut wurden, die beinahe fertig waren. Johnny klemmte sich dahinter und vereinbarte einen Termin bei Clúid Housing, dem Bauträger der neuen Häuser. Im Oktober 2017 bezog das Paar schließlich eine Zwei-Zimmer-Wohnung im Dubliner Arbeiterviertel Cabra West. Auf dem Balkon baut Johnny Kartoffeln an und zieht Erdbeeren. Dort draußen fühlt er sich wie im Sommerurlaub auf Lanzarote. „Für mich ist das hier wie in einem Hotel“, schwärmt er.
„Jetzt können wir unser Leben genießen“, sagt der 57-Jährige. „In dieser Wohnung haben wir wieder das Gefühl, dass unser Leben lebenswert ist.“
Die Wohnung der Lysters und 1 512 weitere in ganz Irland wurden mit finanzieller Unterstützung durch die Europäische Investitionsbank gebaut. Sozialer und bezahlbarer Wohnraum ist ein wichtiges Feld, auf dem die EIB als Bank der EU aktiv ist. Der Markt bietet für einkommensschwächere Menschen oft nicht genügend Wohnungen, die bewohnbar, sicher und energieeffizient sind. Das schadet der öffentlichen Gesundheit, an zentralen Standorten fehlen wichtige Arbeitskräfte, und Energie wird schlecht genutzt. Außerdem will die Bank soziale Ungleichheit mindern.
Immenser Bedarf an Sozialwohnungen in Irland
Die Europäische Investitionsbank arbeitet beim sozialen Wohnungsbau in Irland mit der Housing Finance Agency (HFA) zusammen, einer vom irischen Ministerium für Wohnungswesen, Raumordnung und kommunale Selbstverwaltung geförderten Baufinanzierungsgesellschaft. Die EIB vergibt als Bank der EU Kredite an die Gesellschaft, die das Geld an „zugelassene Wohnungsunternehmen“ wie Clúid weiterleitet. Seit 2014 hat die Bank insgesamt 350 Millionen Euro an die Housing Finance Agency vergeben, ein Antrag auf weitere 200 Millionen Euro wird gerade geprüft. „Der Bedarf an Sozialwohnungen ist immens“, bestätigt Finanzchef Seán Cremen von der HFA. „Die EIB hat viel dafür getan, dass es mit dem Bauen jetzt vorangeht.“
Früher kümmerten sich die Kommunen um den sozialen Wohnungsbau, aber die Finanzkrise vor zehn Jahren hat tiefe Löcher in deren Haushalte gerissen. Seither kommen die zugelassenen Wohnungsunternehmen nur schwer an langfristige Kredite und können den Bedarf nicht mehr decken. (Laut Cremen beziffert die 2016 von der Regierung verabschiedete Strategie Rebuilding Ireland den Bedarf auf 47 000 neue Wohnungen bis 2021.) Mit dem Darlehen der Europäischen Investitionsbank kann die Housing Finance Agency die Lücke schließen und Bauvorhaben von Unternehmen wie Clúid langfristig finanzieren.
„In diesem Sektor haben wir seit 2014 wirklich etwas bewegt“, findet auch Katalin Deppner-Quittner, die sich als Kreditreferentin bei der EIB um Finanzierungen für den sozialen Wohnungsbau in Irland kümmert. „Wir haben günstige Kredite in einer Zeit vergeben, in der es am Kapitalmarkt ziemlich schwierig war. Aber wir haben auch die zugelassenen Wohnungsunternehmen unterstützt. Sie sind ja diejenigen, die hauptsächlich die Sozialwohnungen in Irland bauen und verwalten. Mit unserer Hilfe haben sie ihr Geschäftsmodell verändert.“
Steiler Zuwachs bei Neubauten
Bevor die Europäische Investitionsbank ins Spiel kam, finanzierten sich Unternehmen wie Clúid vollständig aus öffentlichen Geldern. Jetzt tragen sie selbst die finanzielle Verantwortung für ihr Geschäft und dafür, ihre Schulden zurückzuzahlen.
Clúid ist ein gutes Beispiel dafür, was die Bank der EU beim sozialen Wohnungsbau bewirkt: Noch vor zwei Jahren machte der Neubau gerade mal sechs Prozent des Geschäfts von Clúid aus. 2020 werden es 55 Prozent sein. Insgesamt will das Unternehmen in den nächsten drei Jahren 1 700 neue Wohnungen bauen.
„Ohne die Finanzierungen der EIB und der HFA wäre das nicht möglich gewesen“, so Cathal Callan, der bei Clúid den Finanzbereich leitet.
Öffentlich-private Partnerschaft für sozialen Wohnungsbau in Irland
Die EIB entwickelt noch weitere Instrumente, um den sozialen Wohnungsbau in Irland zu stärken. Ein Beispiel ist die öffentlich-private Partnerschaft zwischen der National Development Finance Authority und Privatunternehmen für den Bau von 1 500 neuen Wohnungen. Die ersten 534 davon sollen von einer Partnerschaft gebaut und verwaltet werden, an der sich die Macquarie Group, die Baufirma John Sisk und Choice and Oaklee Housing beteiligen. Die EIB finanziert das Projekt mit einem Darlehen über 60 Millionen Euro mit einer Laufzeit von 25 Jahren. Sie will auch in späteren Phasen mit an Bord bleiben, wenn das Programm auf andere irische Städte wie Cork ausgeweitet wird.
„Das ist die erste öffentlich-private Partnerschaft im sozialen Wohnungsbau, die wir finanzieren“, erzählt Thomas Briggs, der als Kreditreferent bei der EIB die Finanzierung mitbetreut. „Auf diesem Weg kann der Staat mehr Wohnungen bauen und den Bestand modernisieren, damit die Wartelisten kürzen werden.“
Auch bezahlbarer Wohnraum ist knapp
Der soziale Wohnungsbau ist nicht der einzige Bereich, in dem Irland Unterstützung braucht. Viele Menschen haben keinen Anspruch auf eine Sozialwohnung, weil sie zu viel verdienen. Trotzdem können sie die Mieten in den Städten nicht bezahlen, weil vor allem Wohnungen für das obere Marktsegment gebaut werden. Betroffen sind auch Menschen, die in den Städten dringend gebraucht werden, weil sie in Krankenhäusern, Schulen oder bei der Polizei arbeiten. Für sie muss mehr bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden.
Die EIB berät Irland bei seinem Programm für bezahlbaren Wohnraum, und zwar über URBIS, das neu ins Leben gerufene Beratungsangebot für Städte.
„Die neue Strategie kann im Wohnungsbau wirklich etwas verändern, sodass sich die soziale Lage in den irischen Städten langfristig verbessert“, glaubt Kevin McGillycuddy. Der Senior Economist von der EIB ist überzeugt: „Unsere Städte müssen nachhaltiger werden, und das ist ein Schritt in die richtige Richtung.“
Für Johnny Lyster war das frühere Leben jedenfalls alles andere als nachhaltig. „Das hat mich kaputtgemacht“, sagt er. „Bei jedem Klingeln dachte ich, das ist der Vermieter, der mich aus der Wohnung schmeißen oder die Miete erhöhen will.“
Den Unterschied weiß er wohl zu schätzen: „Das ist fast wie ein Traum. Ich sehe mich um und frage mich: ‚Ist das meins? Nimmt mir das niemand weg?‘ Ich verschwende kein mehr Geld fürs Heizen. Die Küche ist toll. Aus der Dusche kommt heißes Wasser. Es ist alles perfekt!“