Die albanische Architektin Pezana Rexha gestaltet mit altem Holz schöne Interieurs und bringt benachteiligte Menschen in Arbeit
Von Chris Welsch
In Kurven windet sich die Basarstraße in Kruja hinauf zur Festung, die über dem Tal thront. 25 Jahre lang trotzte Nationalheld Skanderbeg im 15. Jahrhundert dort den Angriffen der kräftemäßig überlegenen Osmanen und wird dafür bis heute verehrt.
Die Straße am Fuß der Festung liegt schattig unter den breiten Ziegeldächern der niedrigen Häuser aus Holz und Stein – seltenen Überresten traditioneller albanischer Architektur. Rechts und links reihen sich heute Cafés neben Souvenirläden, die Filzhüte, Pantoffeln, handgewebte Teppiche, T-Shirts und Trachtenpuppen feilbieten. Die Basarstraße von Kruja ist eine der beliebtesten Touristenattraktionen Albaniens und ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für die Stadt und Region.
Pezana Rexha marschiert zielstrebig die Straße hinauf und grüßt im Vorbeigehen die Anwohnerinnen und Ladenbesitzer. Man kennt sie in Kruja – unter ihrer Leitung werden sechs Läden in der Basarstraße renoviert und neu gestaltet. Das Geld dafür kommt zum großen Teil von der Albanian-American Development Foundation, die 80 Prozent der Renovierungskosten übernimmt. Den Rest bringen die Eigentümer auf.
Die Architektin beaufsichtigt die Bautrupps ihres Sozialunternehmens Pana/Storytelling Furniture, die in den maroden Gebäuden arbeiten. Wenn alles fertig ist, wird Rexha auch die Innenräume neu gestalten und möblieren. Auf den Baustellen bespricht sie mit ihren Leuten, was ansteht, und räumt charmant die Vorbehalte von Eigentümern aus. Manche bleiben argwöhnisch gegenüber Auswärtigen, selbst wenn diese 80 Prozent der Renovierungskosten tragen.
„Für uns ist das hier der nächste große Schritt“, sagt Rexha über das Projekt. „Das ist eine ganz neue Dimension. Es geht nicht nur um das Design, sondern um Architektur und den Erhalt historischer Gebäude.“
Vor großen Aufgaben schreckt Rexha genauso wenig zurück wie einst Skanderbeg.
Arbeitsplätze für benachteiligte Menschen
Albanien ist seit Langem das ärmste Land Europas und erholt sich sehr schleppend von der kommunistischen Diktatur. Korruption und Misstrauen weichen nur langsam, Fachkräfte wandern in Scharen ins Ausland ab, wo sie sich bessere Chancen erhoffen – die Einheimischen sprechen vom „dritten Exodus“.
„Einer meiner Mitarbeiter wandert jetzt auch aus, mit 60“, erzählt Rexha. „Da sieht man, wie schlimm die Lage ist. Aber ich möchte nicht weggehen. Ich möchte hier etwas bewahren. Ich will nicht, dass Albanien verschwindet.“
Die gelernte Architektin widmete sich zunächst anderen Projekten, bevor sie ihr eigenes Unternehmen gründete. Noch als Studentin eröffnete sie ein Heim für verwahrloste Tiere. Dann entwickelte sie ein Therapie-Programm, bei dem sie die Tiere in der Betreuung von Waisenkindern einsetzte.
„Ich wollte den Kindern vermitteln, dass auch eine verletzte Seele Liebe geben kann, so wie diese Tiere“, erläutert sie.
Doch letztlich endete beides in einer Enttäuschung: Sie brachte die Mittel auf, um alles ins Laufen zu bringen, aber irgendwann war kein Geld mehr da und das Projekt am Ende.
Vor sechs Jahren sah Rexha dann auf Facebook den Hinweis auf einen Wettbewerb für grüne Ideen und soziales Unternehmertum. Obwohl sie sich kaum eine Chance ausrechnete, reichte sie ihr Konzept für Pana ein. 10 000 US-Dollar waren als Preisgeld ausgelobt. Ihre Idee: Möbel und Einrichtungen aus gebrauchtem Holz, das aus abgerissenen Häusern, Paletten und anderen Quellen stammt, sodass keine Bäume gefällt werden müssen. Für die Arbeit wollte Rexha außerdem benachteiligte Menschen einstellen und ausbilden, beispielsweise Waisen, zurückgekehrte Migranten und ältere Arbeitskräfte. Zu ihrer großen Überraschung gewann sie den Wettbewerb. Mit dem Preisgeld schaffte sie Gerätschaften an und richtete im Erdgeschoss ihres Hauses eine Werkstatt ein.
„Das ist jetzt sechs Jahre her“, sagt Rexha. „Mittlerweile beschäftige ich 18 Leute plus 12, die in Kruja mithelfen. Das ist befristet, aber ich hoffe, ich kann sie dauerhaft behalten. Dann wären wir 30.“
Eine Erfolgsgeschichte
Pana hat bisher rund 130 Restaurants, Bars und Läden in Tirana und der näheren Umgebung ausgestattet. Hinzu kommen Hunderte Privathäuser, für die das Unternehmen die Einrichtung plante und Möbel lieferte. Außerdem stellt Pana in Handarbeit Souvenirs her, etwa Uhren und Wandbehänge mit albanischen Motiven.
Vor ein paar Jahren gewann Rexha auch den Wettbewerb für Soziale Innovation. Damit zeichnet das EIB-Institut jedes Jahr europäische Unternehmen aus, die in erster Linie soziale, ethische oder ökologische Ziele verfolgen.
Das Souvenirprogramm ist für Rexha ein Beispiel dafür, dass Sozialunternehmen in der Gesellschaft wirklich etwas verändern können.
„Wir haben eine Werkstatt, in der Waisen und Kinder mit Downsyndrom die Souvenirs herstellen – als eine Art Kunsttherapie“, sagt sie. „Die Beschäftigung macht den Kindern Freude, und der Erlös aus dem Verkauf geht an die Einrichtungen, mit denen wir zusammenarbeiten.“
Olsi Pengili, der das Tourismusbüro in Kruja leitet, hat das Renovierungsprojekt in der Basarstraße zusammen mit der Albanian-American Development Foundation geplant. Er findet die Geschäftsidee von Pana gut und glaubt, dass die Renovierung die Stadt voranbringt. Pengili rät den Ladeninhabern, traditionelle albanische Textilien und Trachten mit moderner Mode zu kombinieren und ihr Angebot zeitgemäß zu vermarkten. Gemeinsam mit Rexha versucht er, die Köpfe und Herzen der Menschen in der Stadt zu erreichen.
„Es ist nicht leicht, hier einen Wandel anzustoßen“, sagt er. „Da gibt es viel Widerstand. Aber Pezana hilft mir dabei.“