Von „Familien“-Waisenhäusern bis zu Kliniken: Die First Lady der Ukraine Olena Selenska ruft zu Hilfe auf und mahnt die Verbündeten, den Krieg nicht zu vergessen
Wir haben standgehalten. Und wir halten weiter durch.
So klingt Olena Selenska, wenn sie nach dem Krieg mit Russland gefragt wird.
„Viele haben gesagt, dass wir diesen Winter nicht überleben. Aber wie Sie sehen: Wir kämpfen weiter und stehen aufrecht. Und die Hoffnung wächst“, erklärt Olena Selenska, First Lady der Ukraine in einem Interview mit der Europäischen Investitionsbank in Kiew. „Die Menschen hier halten weiter durch. Aber sie sind allmählich erschöpft.“
Selenska, Mutter von zwei Kindern, ist eigentlich Architektin und Drehbuchautorin. Im Krieg hat sie eine andere Aufgabe: Sie sammelt Geld, damit die Menschen wenigstens das Allernötigste haben. Dazu gehören für sie Unterkunft, Gesundheit, humanitäre Hilfe, Kinderbetreuung und Bildung. Mit ihrer letztes Jahr gegründeten Olena-Selenska-Stiftung will sie mehr Mittel für ihre Arbeit einwerben. Vom EIB-Institut, das für das philanthropische Engagement der EIB zuständig ist, erhielt sie im März 800 000 Euro.
Diese Spende kommt über 2 000 Kindern in 280 Waisenhäusern im ganzen Land zugute. „Gleich in den ersten Monaten nach der Invasion erhielten wir Hilferufe von Familien-Waisenhäusern“, erklärt Selenska. Hinter diesen Waisenhäusern stehen normale Familien, die jeweils fünf bis zehn Kinder aufnehmen, die ihre Eltern verloren haben. Das EIB-Institut hilft diesen Haushalten, damit sie Haushaltsgeräte, Kleidung, Lebensmittel und Spielzeug kaufen können und „alles, was eine Familie in diesen Monaten für ein normales Leben braucht“, sagt Selenska.
Die Zahl der elternlosen Kinder, die dringend betreut werden müssen, ist durch den Krieg stark gestiegen. Wichtigstes Ziel der Stiftung ist es daher, ein dauerhaftes Heim für die Waisenkinder zu finden. Derzeit sammelt Selenska Mittel für ein Pilotprojekt: zehn Familien-Waisenhäuser für Kinder aus Familien, die ihre Wohnungen durch Beschuss verloren haben oder während der Besatzung fliehen mussten.
„Wir kümmern uns um die künftigen Generationen des Landes“, sagt Selenska.
- Lesen Sie, wie die EIB der Ukraine mit zwei großen Hilfspaketen beim Wiederaufbau hilft
Jeden Tag größere Probleme
Als die humanitären Probleme nach der russischen Invasion jeden Tag größer wurden, war die Hilfsbereitschaft aus dem Ausland groß. Das brachte Selenska auf die Idee, eine Stiftung zu gründen.
„Es gab viele Hilfsangebote für die Ukraine“, erinnert sie sich. „Meine Aufgabe, die Aufgabe der Stiftung, ist es im Grunde, die Hilfe zu bündeln. Und ich hoffe, ich schaffe das.“
Die Stiftung hilft auf vielerlei Weise:
- Sie setzt Kliniken instand und beschafft Medikamente und medizinische Ausrüstung
- Sie schafft neue Büroflächen, damit die Menschen weiterarbeiten können
- Sie sorgt dafür, dass die Kinder zur Schule gehen können, indem öffentliche Gebäude wiederaufgebaut und Luftschutzkeller errichtet werden
- Sie bietet Zuschüsse für Ausbildung und wissenschaftliche Forschung
- Sie fördert ein Programm für die psychische Gesundheit von Menschen, die unter den Schrecken des Krieges leiden, darunter auch Versehrte
Arbeit hält die Menschen zusammen
In diesem Winter ging es vor allem darum, die Strom- und Gasversorgung am Laufen zu halten, erklärt Selenska.
„Das von Laternen beleuchtete Kiew am Abend ist ein wirklich bewegender Anblick. Das bedeutet, dass wir standhalten.“
Überall sind die Menschen im Arbeitsmodus, so Selenska weiter: in den Schützengräben, in Büros oder auf den Straßen, und die Kinder gehen zur Schule. „Die Arbeit hält uns zusammen und gibt uns die Kraft, jeden Morgen aufzustehen.“
Hilfe aus dem Ausland wird immer noch dringend gebraucht, sagt Selenska. Diese Hilfe, ob finanzielle oder militärische Unterstützung oder die täglichen Solidaritätsbekundungen von Politikerinnen und Politikern aus der ganzen Welt, ermutigt die Menschen, weiterzukämpfen.
„Unsere Wirtschaft kann solche massiven Verluste, wie wir sie heute erleben, nicht tragen“, stellt Selenska fest. „Wir müssen noch lange durchhalten, und wir müssen uns darauf einstellen, dass wir weiter Hilfe brauchen.“
Teile der Welt vergessen offenbar allmählich, dass der Krieg hier immer noch wütet. Dies sei der Eindruck einiger Menschen in der Ukraine, berichtet Selenska.
„Wenn man die Ukraine jetzt vergisst, vergisst man auch die eigene Zukunft“, mahnt sie. „Natürlich warten wir alle auf den Sieg. Wir sind sicher, dass er kommt. Bis dahin gibt es für uns alle noch viel zu tun.“
- Lesen sie, warum die Städte in der Ukraine mehr Hilfen für Schulen und Bildung fordern.