Die Europäische Investitionsbank unterzeichnete heute im schwedischen Lund einen Finanzierungsvertrag über 100 Millionen Euro (985 Millionen Schwedische Kronen) zugunsten der Europäischen Spallationsquelle (ESS – European Spallation Source). Das Darlehen wurde im Rahmen des Programms „InnovFin – EU-Mittel für Innovationen“ mit finanzieller Unterstützung der Horizont-2020-Initiative der Europäischen Union bereitgestellt. „Horizont 2020“ ist das Rahmenprogramm der EU für die Forschungs- und Innovationsfinanzierung, das auch mögliche Erstverluste absichern kann. Aus den InnovFin-Mitteln der EIB wurden nicht nur Finanzierungsmittel bereitgestellt, sondern auch technische Beratungsleistungen erbracht, so dass die ESS mit einer geeigneten Finanzierungskonstruktion auch Zugang zu Außenfinanzierungsmitteln für die Baukosten erhalten konnte.
Für die EIB ist diese Operation das allererste Darlehen für ein Bauvorhaben eines Konsortiums für eine europäische Forschungsinfrastruktur (ERIC – European Research Infrastructure Consortium). Gleichzeitig nimmt ein ERIC auch erstmalig Außenfinanzierungsmittel für den Bau einer Forschungseinrichtung auf. Hierbei bündelte die EIB ihre Kräfte mit der Nordischen Investitionsbank (NIB) und der Svensk Exportkredit (SEK), die jeweils 100 Millionen Euro bereitstellten. Insgesamt kamen so 300 Millionen Euro für die finanzielle Unterstützung der ESS zusammen.
„Die Unterstützung der europäischen Forschungsinfrastruktur erleichtert die wissenschaftliche Zusammenarbeit zwischen den europäischen Ländern und passt daher perfekt zum Profil der EIB als Bank der EU. Darüber hinaus eröffnet dieses einzigartige Vorhaben mit seinen hochmodernen Forschungskapazitäten wichtige und spannende Chancen in den Bereichen Lebenswissenschaften, Energie und Umwelttechnik, die ebenfalls auf der Prioritätenliste der EIB stehen“, meinte EIB-Vizepräsident Jan Vapaavuori. „Wissenschaft braucht Geduld, da Ergebnisse nicht über Nacht erreicht werden, und manche Forschungsergebnisse, die hier möglicherweise erzielt werden, liegen jetzt noch außerhalb unseres Erwartungshorizonts. Wir müssen weiterhin in derartige Einrichtungen investieren, um Fortschritte für die Wissenschaft und die Menschheit zu erzielen.“
Carlos Moedas, EU-Kommissar für Forschung, Wissenschaft und Innovation, erklärte dazu: „Die EU unterstützt die ESS mit Zuschüssen aus unserem Forschungs- und Innovationsprogramm ‚Horizont 2020‘ und durch die im letzten Jahr erfolgte Zuerkennung der ERIC-Rechtsform. Das durch ‚Horizont 2020‘ unterstützte Darlehen wird dazu beitragen, die Wissensgrenzen in verschiedenen Disziplinen zu erweitern, die konkrete Auswirkungen auf das Leben der Menschen haben: vom Bau von Industriemotoren bis zur Entwicklung von Proteinen für medizinische Anwendungen.“
„Diese Finanzierungsvereinbarung ist sehr wichtig, weil sie uns hilft, unseren ehrgeizigen Zeitplan einzuhalten und dieses vorrangige Wissenschaftsprojekt rechtzeitig fertigzustellen“, erklärte ESS-Generaldirektor John Womersley. „Jede Verzögerung wäre mit immensen Mehrkosten verbunden. Das EIB-Darlehen hilft uns daher, Spitzenforschung für die europäischen Steuerzahler möglichst kostengünstig bereitzustellen.“
Die ESS-Neutronenquelle für die Werkstoffwissenschaften ist ein Schlüsselelement der europäischen Anstrengungen für den weiteren Ausbau ihrer Großforschungsinfrastruktur, die weltweit führend ist. Mit der beispiellos hohen Leistung der in der neuen Einrichtung verwendeten Neutronenquelle wird Europa seine weltweite Führungsposition in den breit gefächerten Forschungsbereichen, die Verfahren zur Neutronenstreuung erfordern, wahren. Die EIB-Finanzierung erfolgt zu einem entscheidenden Zeitpunkt in der Bauphase der Spallationsquelle. Mit ihrem Darlehen an die ESS unterstützt die EIB europäische Forschungskapazitäten, für die die Leistungen der bestehenden Einrichtungen nicht ausreichen würden.
Als nukleare Spallation bezeichnet man den Prozess, bei dem ein schwerer Atomkern von einem Elementarteilchen mit hoher kinetischer Energie beschossen wird. Dabei setzt er eine große Zahl von Nukleonen frei, während seine relative Atommasse stark abnimmt. Die ESS wird mit der leistungsstärksten Neutronenquelle der Welt ausgestattet sein, die im Vergleich zu bestehenden Anlagen hundertmal stärkere Intensitäten erreicht. Die ESS kann mit einem großen „Mikroskop“ verglichen werden, da auf der Neutronenstreuung beruhende Verfahren die Möglichkeit bieten, Werkstoffstrukturen und ‑bewegungen auf molekularer Ebene zu beobachten. Forschern in verschiedenen Disziplinen eröffnen sich so neue Möglichkeiten, etwa in Lebenswissenschaften, Ökologie, Energieversorgung, Verkehr und Maschinenbau sowie Physik, Chemie und sogar Archäologie.