Sonderfonds hilft ukrainischen Unternehmen in besonders schweren Zeiten

Nataliya Andreychuk hat den Krebs besiegt. Sie weiß, wie wichtig es ist, sofort auf die richtigen Gesundheitsinformationen zugreifen zu können.

„Informationen müssen schnell zugänglich, leicht verständlich und für pharmazeutische und medizinische Fachleute klar formuliert sein“, betont Andreychuk. Sie leitet das ukrainische Tech- und Marketingunternehmen Viseven, das auf den Pharmasektor spezialisiert ist. „Mit den entsprechenden Informationen lassen sich Krankheiten schneller diagnostizieren und behandeln. Meine Krebserkrankung hat mir deutlich vor Augen geführt, wie wichtig unsere Arbeit bei Viseven ist.“ 

Viseven berät Pharmaunternehmen, die ihre Kommunikation, Online-Inhalte und Datenanalysen sowie ihr Projektmanagement und den Einsatz digitaler Technologien verbessern wollen. 2023 investierte die ukrainische Private-Equity-Firma Horizon Capital in das Unternehmen, um seine internationale Expansion zu unterstützen. Horizon springt vielen einheimischen Unternehmen bei, die ihr Auslandsgeschäft ausbauen wollen. Damit die Private-Equity-Firma noch mehr tun kann, stellte die Europäische Investitionsbank (EIB) ihr 2023 über den EU für die Ukraine-Fonds (EU4U) 25 Millionen Euro bereit. Der Fonds hilft, den dringendsten Infrastrukturbedarf zu decken und die Wirtschaft der Ukraine am Laufen zu halten.

„Dank der Beteiligung der EIB erhalten Unternehmen dringend benötigte Finanzierungen, um Arbeitskräfte in der Ukraine zu halten und Einnahmen für das Land zu generieren“, sagt Vasile Tofan, Senior Partner bei Horizon Capital.



Zuschüsse, Kredite und Investitionen für den Wiederaufbau

Über den 2023 eingerichteten EU4U-Fonds können Geberländer der Wirtschaft und der Bevölkerung der Ukraine unter die Arme greifen. Bislang unterstützen elf Länder den Fonds: Belgien, Dänemark, Estland, Frankreich, Kroatien, Lettland, Litauen, Luxemburg, die Niederlande, Spanien und Zypern. Er bietet kleinen und mittleren Unternehmen Finanzierungen für ihr Wachstum und vergibt Zuschüsse für den Wiederaufbau von Krankenhäusern, Schulen und anderer kritischer Infrastruktur wie Straßen und Schienenwege. Die Kapitalzusagen für den EU4U belaufen sich auf über 400 Millionen Euro.

„Durch den Fonds können die EIB und die EU-Mitgliedstaaten mehr für die wirtschaftliche Erholung und den Wiederaufbau der Ukraine tun“, erklärt Jesper Persson, Leiter des für die Fondsverwaltung zuständigen EIB-Teams.

Eine Nische im Marketing finden

Gegründet wurde Viseven 2009 von Nataliya Andreychuk, Vyacheslav Vasylenko und Roman Vasylenko im nordukrainischen Zhytomyr. Andreychuk, CEO des Unternehmens und ausgebildete Englischlehrerin, begann ihre berufliche Laufbahn in der Informationstechnologie. Das war vor mehr als zwei Jahrzehnten, als diese Branche in der Ukraine noch in den Kinderschuhen steckte. Sie stellte fest, dass Pharmaunternehmen oft Hilfe beim Marketing und der Geschäftsentwicklung benötigen. Heute hat ihre Firma mehr als 700 Beschäftigte und Büros in der Ukraine sowie in Estland, Indien, Kanada und den Vereinigten Staaten.

Vor 15 Jahren war es für eine Frau in der Ukraine alles andere als leicht, ein Unternehmen in dieser Branche hochzuziehen.

>@EIB

Nataliya Andreychuk präsentiert die eWizard-Content-Plattform ihres Unternehmens auf einer Konferenz

„Die Herausforderung hätte nicht größer sein können, wenn man bedenkt, wie konservativ die Pharmabranche ist und mit welchen Vorurteilen Frauen in der Tech-Branche noch immer zu kämpfen haben“, sagt Denys Sychkov, Partner bei Horizon Capital in Kyjiw.

Viseven stellte Fachleute für Medizin, IT, digitales Marketing, Projektmanagement, Webdesign, Social Media und Geschäftsanalyse ein und ist bis heute erfolgreich. Es betreut weltweit mehr als 50 Pharmaunternehmen und ist bekannt für seine Content-Experience-Plattform eWizard. Mit diesem Tool können Unternehmen eine Digital Content Factory betreiben, die die Planung und Verwaltung von Online-Inhalten automatisiert.

Der Pharmasektor ist stark reguliert und bei der Einführung digitaler Tools oft zögerlich. Viseven macht es diesen Unternehmen leichter, Marketing-Inhalte zu konzipieren und freizugeben. Dadurch können sie das richtige Publikum zur richtigen Zeit mit der richtigen Botschaft erreichen.

Chaosbewältigung in Kriegszeiten

Als Russland im Februar 2022 in die Ukraine einmarschierte, war das Viseven-Team bereits an Telearbeit gewöhnt. Obwohl viele Mitglieder über Nacht zu Flüchtlingen wurden, blieb das Team handlungsfähig.

Denen, die seit 2022 in der Ukraine ausharren, gibt die Arbeit trotz Kriegschaos ein Gefühl der Normalität. Viseven war bereits 2022 global aufgestellt, mit Beschäftigten in verschiedenen Ländern. Geschäftseinbrüche waren nicht zu befürchten, weil das außerhalb der Ukraine beschäftigte Personal bei Bedarf zusätzliche Projekte übernehmen konnte.

Yuliya Sotska, Chief Brand und Communications Officer bei Viseven, sagt, dass die Investitionen von Horizon Capital in der Ukraine auch der Europäischen Union zugutekommen, weil ukrainische Unternehmen großes Interesse haben, mit europäischen Geschäftspartnern zu arbeiten. Ukrainische Firmen stellen hochwertige Produkte her, haben Ausdauer, bieten guten Kundenservice, zeigen Liebe zum Detail und sind bereit, über den Tellerrand hinauszuschauen, betont Sotska.

>@EIB

Yuliya Sotska moderiert bei einem Gipfeltreffen in Lissabon eine Podiumsdiskussion über die Tech-Industrie der Ukraine

„Die Ukraine und die Menschen dort sind es wert, dass man in sie investiert“, sagt Sotska. Die Ukrainerin ist in Kanada aufgewachsen, aber in ihr Herkunftsland zurückgekehrt und dort geblieben, auch während des Krieges. „Unsere Menschen sind unser Kapital. Wir haben enorme Talente, die bereit sind, über sich hinauszuwachsen.“