Koexistenz und Biodiversität zu den Bedingungen der Natur
Siedlungszentren waren von jeher eine Herausforderung für die Landschaft und die natürliche Umgebung. Wie der Biber hat der Mensch versucht, Flüsse zu zähmen, um ihre Unberechenbarkeit in den Griff zu bekommen und sie verlässlicher als Ressource nutzen zu können. Die Natur kann nur wachsen und gedeihen, wenn sich Landschaften frei entwickeln und verbinden können, und wenn wir den Raubbau und die Einleitung von Chemikalien in Böden, Flüsse und Meere stoppen.
Es gibt verschiedene Konzepte für die künftige Bodennutzung, die nebeneinander bestehen und sich gegenseitig befruchten können. Ein Konzept, das sogenannte „Rewilding“, sieht vor, der Natur ihren Lauf zu lassen und den Einfluss des Menschen auf ein Minimum zu beschränken. Ein anderes zielt auf das Nebeneinander einer großen biologischen Vielfalt und menschlicher Aktivitäten in bewirtschafteten offenen und bewaldeten Landschaften und sogar in Städten. Wichtig ist: Wenn wir die Rückkehr zur Wildnis vorantreiben, müssen wir mit betroffenen Bevölkerungsgruppen zusammenarbeiten und mögliche Konflikte zwischen wild lebenden Tieren und Menschen berücksichtigen.
Vor dem Hintergrund schwindender Ackerflächen und wachsender Umweltherausforderungen baut die Welt auf eine produktivere und effizientere Landwirtschaft und Agrarindustrie. 815 Millionen Menschen auf der Welt hungern, weitere zwei Milliarden sind bis 2050 von Unterernährung bedroht. Um sie alle zu ernähren, müssen wir dringend in die Landwirtschaft und Nahrungsmittelproduktion investieren.
Nur mit einer effizienteren und produktiveren Landwirtschaft und einer innovativen Bioökonomie kann es außerdem gelingen, Agrarflächen an die Natur zurückzugeben, damit sie sich erholen, und die Anpassung an den unvermeidlichen Klimawandel zu schaffen. Wenn wir mit weniger Einsatz mehr produzieren, Nebenprodukte nutzen und Abfälle verwerten, werden wir wettbewerbsfähiger, widerstandsfähiger gegen Klimaschocks und bilden nachhaltige Wertschöpfungsketten.
Es gibt auch in der Landwirtschaft Methoden, die die Bodengesundheit wiederherstellen und dafür sorgen, dass die Böden das Wasser wieder besser aufnehmen können, was viele Vorteile bringt. Dabei müssen wir aber zwei Transformationsprozesse parallel steuern: den Wandel der Bodennutzung und den Weg zu einer neuen Existenzgrundlage für die vom Boden abhängigen Menschen. Dazu brauchen wir faire Lieferketten, von denen alle Beteiligten angemessen profitieren.
Mit die größte Herausforderung sind das fest verankerte Eigentum und subventionsbedingt überhöhte Bodenpreise. Beides bremst den Transformationsprozess, selbst wenn die Opportunitätskosten einer anderen Bewirtschaftung gering sind, etwa wenn Böden bereits degradiert sind.
Zusammenarbeit mit der Natur bringt neue Chancen und Risiken
Ein Großteil der biologischen Vielfalt wird in den kommenden Jahrzehnten wohl verloren gehen. Das hat Auswirkungen auf die Wirtschaft und auf die Natur. Wir müssen eine nachhaltige Wirtschaft und ein nachhaltiges Finanzsystem aufbauen, was neue Chancen und Risiken mit sich bringt. Wie wir mit Landflächen umgehen, sollte sich nicht nach den historischen Gegebenheiten richten. Vielmehr müssen wir aktiv Entscheidungen treffen, die auf der Gegenwart gründen und materiell den Kosten Rechnung tragen, die mit der Entwicklung und dem Erhalt der Natur verbunden sind.
Investitionen in die natureigene Infrastruktur zur Klimaregulierung sind eine wichtige Komponente des Klimaschutzes und der Anpassung an den Klimawandel. Nur so können wir auch den Trend umkehren und verhindern, dass weiter große Mengen an Kohlenstoff aus natürlichen Speichern freigesetzt werden. Die Arbeit mit der Natur bei der Wasser- und Wärmeregulation ist auch ein wichtiges Mittel, um eine lebenswerte Umwelt zu erhalten – regional ebenso wie lokal, etwa in Städten. An Land und auf See müssen wir Gebiete rekultivieren und der Natur zurückgeben. Nur dann haben die Ökosysteme eine bessere Chance, sich an unvermeidliche Klimaveränderungen anzupassen.
Wenn wir Hand in Hand mit der Natur arbeiten, nutzen wir ihre Verbindungen und Synergien. Es liegt an uns, den Nutzen daraus zu ziehen, der vielfältig ist. Der Finanzsektor kann die Transformation unterstützen, wenn der Zeitrahmen und die mit natürlichen Auswirkungen verbundenen Risiken handhabbar sind. Die EU geht hier voran – mit neuen nachhaltigen Finanzierungsinstrumenten wie der Fazilität für Naturkapital, die zeigt, wie eine künftige Architektur rund um Biodiversität und naturbasierte Lösungen aussehen kann.
Wir haben das Wissen und die Einsicht, um eine Zukunft zu schaffen, in der unser Handeln im Einklang steht mit natürlichen Prozessen, und in der das, was die Natur hervorbringt, gleichmäßiger verteilt wird. Um Zeit für Innovationen zu gewinnen, die unsere Volkswirtschaften in eine CO2-arme Zukunft bringen, müssen wir jetzt in natürliche Lösungen investieren.
Innovationen und Technologien können der Effizienz und der Gerechtigkeit dienen – im Zusammenspiel mit der Natur.