Trotz dieser Erfolge stehen wir im Gesundheitswesen weiter vor großen Herausforderungen. Die aktuelle Covid-19-Pandemie zeigt schmerzhaft, wie anfällig unsere Systeme sind. Neben unvorhersehbaren Bedrohungen durch neue Viren stellen demografische Veränderungen Europa vor drängende Probleme, vor allem die Urbanisierung, die alternde Bevölkerung, gesellschaftliche Entwicklungen und neurodegenerative Erkrankungen, die nicht heilbar sind. Hinzu kommen steigende Anforderungen im Beruf, chronischer Arbeitsstress und die Verbreitung neuartiger Krankheiten durch die Globalisierung. Angesichts dieser und anderer Faktoren bleibt die Gesundheitsförderung eine der wichtigsten Aufgaben moderner Gesellschaften.
Für die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten hat Gesundheit hohe Priorität. Im Rahmen des EU-Gesundheitsprogramms bemühen sich die Länder, ihr Gesundheitswesen weiter zu stärken. Außerdem fördern sie Maßnahmen zur Gesundheitsaufklärung, damit die Bevölkerung besser informiert ist und sich besser schützt. Dieser Essay befasst sich mit den wissenschaftlichen und technischen Fortschritten, die neue Therapiechancen für schwere Krankheiten eröffnen und die Gesundheit in Europa und weltweit sichern helfen.
Lebensstil und Klimawandel gefährden unsere Gesundheit
Nicht übertragbare Krankheiten wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs sind weltweit die häufigste Todesursache. Zusammen mit chronischen Atemwegserkrankungen und psychischen Störungen sind sie für etwa 86 Prozent der Todesfälle und 77 Prozent der Krankheitslast in Europa verantwortlich. 1 Bei den meisten dieser Krankheiten könnte ein gesunder Lebensstil die Zahl der frühzeitigen Todesfälle drastisch reduzieren. Verzicht auf das Rauchen und zu viel Alkohol, eine gesunde Ernährung und regelmäßige Bewegung sind nur einige Beispiele dafür. Der Erfolg von Präventionskampagnen lässt sich am besten an den ersten Anti-Tabak-Kampagnen und Werbeverboten in den 1970er-Jahren belegen, nach denen der Lungenkrebs zurückging. Die meisten nicht übertragbaren Krankheiten verlaufen chronisch, was – in Verbindung mit einer alternden Bevölkerung – das Gesundheitswesen zunehmend belastet.
Darüber hinaus beeinträchtigen der verstärkte internationale Reiseverkehr, die Mobilität und der weltweite Handel (vor allem mit Nahrungsmitteln) zusammen mit dem Klimawandel und der Umweltverschmutzung die Lebensbedingungen und fördern die Ausbreitung von Infektionskrankheiten. Die größte Belastung für unsere Gesellschaften stellt dabei die Grippe dar, gefolgt von Tuberkulose und HIV.2 So fallen der normalen Grippewelle alljährlich rund 44 000 Menschen in Europa zum Opfer. Die offensichtliche Schwäche unserer Gesundheitssysteme bei der Reaktion auf Infektionskrankheiten und Pandemien ist besorgniserregend. Das gilt vor allem für die aktuelle Covid-19-Pandemie, aber auch für die jüngsten Ebola- und Zika-Ausbrüche.
Extreme Wetterereignisse beeinträchtigen schon jetzt die Gesundheit und das Wohlbefinden insbesondere älterer Menschen in Europa. Gleichzeitig beeinflusst der Klimawandel mit seinen Folgen für die Ökosysteme auch die regionale Verbreitung von Infektionskrankheiten. In Europa ist künftig mit mehr Infektionen durch subtropische und tropische Erreger zu rechnen. [3] Ebenso steigt die Gefahr durch antibiotikaresistente Bakterien und die Rückkehr von Viruserkrankungen, die in Europa bereits als ausgerottet oder fast ausgerottet galten, darunter so hochansteckende Krankheiten wie die Kinderlähmung und die Masern.