- Langfristige Finanzierungen und technische Kompetenz sind laut einer neuen Umfrage der Schüssel zu mehr grünen Investitionen in Lateinamerika und der Karibik
- Klimafolgen für die Landwirtschaft stellen Lateinamerika vor erhebliche Risiken, ergab die Umfrage zur Rolle öffentlicher Entwicklungsbanken bei der grünen Wende
Öffentliche Entwicklungsbanken in Lateinamerika und der Karibik sehen die Klimawende als Chance, stehen laut einer neuen Umfrage aber vor Hindernissen. Es fehlt an langfristigen Finanzierungsmitteln und bei den Kunden an Wissen um Investitionsmöglichkeiten. Das ergab eine Umfrage, die gemeinsam von der Europäischen Investitionsbank (EIB) und der Vereinigung der lateinamerikanischen Entwicklungsbanken (ALIDE) durchgeführt wurde. Eine weitere Bremse ist danach mangelndes Know-how zu grünen Investitionen und Klimaanpassung, und zwar bei Kunden und Entwicklungsbanken.
Die heute veröffentlichte Umfrage unter 28 öffentlichen Entwicklungsbanken in Lateinamerika und der Karibik gibt Aufschluss darüber, wie die Banken die grüne Wende in der Region unterstützen.
EIB-Vizepräsident Ambroise Fayolle: „Lateinamerika und die Karibik leiden zunehmend unter den Folgen des Klimawandels. Die Umfrage von EIB und ALIDE zeigt: Öffentlichen Entwicklungsbanken kommt eine wichtige Rolle zu, wenn es darum geht, mehr Kredite zu vergeben, das Thema ins Blickfeld zu rücken und private Investitionen in grüne Projekte anzuschieben. Wir arbeiten eng mit öffentlichen Entwicklungsbanken, Ländern in der Region und der Europäischen Kommission zusammen, um die grüne Wende voranzutreiben und die Klimaresilienz in Lateinamerika und der Karibik zu stärken.“
Der Umfrage zufolge sehen 55 Prozent der öffentlichen Entwicklungsbanken unzureichendes Know-how der Kunden zu grünen Investitionen und die geringe Priorität, die Investitionen in die Klimaanpassung für sie haben, als größte Hürden. 45 Prozent der befragten Banken sagen, vielen Kunden sei nicht bewusst, welche Möglichkeiten es zur Finanzierung grüner Projekte gebe.
Gleichzeitig verweisen die Banken auf interne Faktoren: fehlende Branchenstandards zur Messung von Klimarisiken (45 Prozent) sowie eigene Defizite bei technischem Know-how und der Kenntnis von Instrumenten für grüne Investitionen (36 Prozent). Ein beträchtlicher Teil (18 Prozent) kämpft auch mit dem eingeschränkten Zugang zu langfristigem Kapital für die lange Laufzeit von Klimaprojekten.
Edgardo Alvarez, Generalsekretär der ALIDE: „In Lateinamerika und der Karibik ist die grüne Wende eine drängende Herausforderung, aber auch eine große Chance. Unsere öffentlichen Entwicklungsbanken stehen bereit, diesen Weg zu begleiten. Sie benötigen aber einen besseren Zugang zu langfristigen Mitteln, technischem Fachwissen und internationalen Kooperationen für mehr grüne Investitionen. Wir bei der ALIDE glauben, dass darin der Schlüssel liegt zu nachhaltiger Entwicklung und Klimaresilienz in der Region.“
Laut der Umfrage sehen 93 Prozent der öffentlichen Entwicklungsbanken die Klimawende eher als Chance denn als Risiko. 77 Prozent berücksichtigen internationale Standards wie die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung oder das Pariser Klimaabkommen bereits in ihrem Geschäft. Allerdings wollen 74 Prozent der Banken künftig weniger Kredite an Sektoren vergeben, die Klimarisiken ausgesetzt sind.
Die gemeinsame Umfrage von EIB und ALIDE wurde im Januar und Februar 2024 durchgeführt. Insgesamt nahmen 28 öffentliche Entwicklungsbanken aus lateinamerikanischen und karibischen Ländern teil. Die befragten Banken stellen zusammen fast 50 Prozent der Bilanzsumme öffentlicher Entwicklungsbanken der Region. Die Stichprobe umfasst nationale und regionale Entwicklungsbanken.
Klimarisiken
Zur Bewertung der Klimarisiken auf Länderebene hat die EIB eine Methodik entwickelt, mit der sie physische Risiken und Transitionsrisiken erfasst und in Klimarisiko-Länderwerten abbildet. Die karibischen Länder sind weltweit mit am stärksten von den Klimafolgen betroffen. Sie leiden vor allem unter akuten Schäden durch Hurrikans und andere Unwetter.
Südamerikanische Länder kämpfen mehr mit den Folgen für die Landwirtschaft. Länder wie Guyana, Bolivien, Paraguay und Ecuador erwirtschaften bis zu zehn Prozent und mehr ihres Bruttoinlandsprodukts im Agrarsektor. In größeren Ländern wie Brasilien, Argentinien und Kolumbien sind es immer noch zwischen fünf und zehn Prozent. Auch in mittelamerikanischen Ländern ist die Landwirtschaft gefährdet. Das gilt vor allem für Nicaragua, Honduras und Guatemala, wo der Sektor rund zehn Prozent und mehr zum Bruttoinlandsprodukt beiträgt.
Wie die Umfrage zeigt, sind die öffentlichen Entwicklungsbanken auch selbst Klimarisiken ausgesetzt: 40 Prozent berichten allein für 2023 über Schäden durch extreme Wetterereignisse an Gebäuden ihrer Filialen oder Zentrale. Gleichzeitig geben 59 Prozent an, durch diese Ereignisse habe sich auch die Qualität der Kredite in ihren Portfolios verschlechtert. Davon nennen 46 Prozent kleinste, kleine und mittelgroße Unternehmen als die am stärksten betroffenen Kreditnehmer, gefolgt von durchgeleiteten Krediten (31 Prozent), Infrastrukturfinanzierungen (15 Prozent) und Krediten an größere Firmen (8 Prozent).
Die EIB auf der COP16
Vizepräsident Ambroise Fayolle leitet die EIB-Delegation auf der UN-Biodiversitätskonferenz COP16. Anfragen für Interviews mit Mitgliedern der EIB-Delegation richten Sie bitte an die Pressestelle. Auf unserer Webseite zur COP16 finden Sie weitere Informationen zur Teilnahme der EIB.
Hintergrundinformationen
Die Europäische Investitionsbank (EIB) ist die Einrichtung der Europäischen Union für langfristige Finanzierungen. Ihre Anteilseigner sind die Mitgliedstaaten. Die EIB ist in über 160 Ländern tätig und vergibt langfristige Mittel für solide Projekte, die den Zielen der EU entsprechen.
Die EIB Global ist der Geschäftsbereich der EIB-Gruppe für wirksamere internationale Partnerschaften und Entwicklungsfinanzierung. Sie arbeitet als Teil von Team Europa eng und zielorientiert mit anderen Entwicklungsfinanzierungsinstituten und der Zivilgesellschaft zusammen. Über Büros in aller Welt bringt die EIB Global die EIB-Gruppe näher zu den Menschen, Unternehmen und Institutionen vor Ort.
Die EIB unterstützt Projekte in Lateinamerika seit 1993 und in der Karibik seit 1978. Mit langfristigen, günstigen Finanzierungen und technischer Hilfe stellt sie sicher, dass diese Projekte eine positive Wirkung auf Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt haben. Vor Ort ist die Bank mit vier Büros vertreten, und zwar in Bogotá, Brasilia, Barbados und Santo Domingo. In Lateinamerika hat die EIB bislang rund 14 Milliarden Euro für mehr als 160 Projekte in 15 Ländern vergeben, in der Karibik über zwei Milliarden Euro in 24 Ländern.
Die ALIDE ist die Vereinigung von Finanzinstituten in Lateinamerika und der Karibik, die mit Entwicklungslösungen die Region voranbringen. Mit über 80 Mitgliedern fördert die ALIDE die Transformation hin zu einem grünen Finanzwesen und eine gute Finanzierungspraxis ihrer Mitglieder. Die Vereinigung ist auch Gründungsmitglied des Weltverbands der Entwicklungsfinanzierungsinstitute (WFDFI).