EIB-Präsidentin Nadia Calviño nahm an der Konferenz „State of the Union 2024“ des Europäischen Hochschulinstituts (EHI) teil. Sie eröffnete die Podiumsdiskussion zum Thema „Investieren in Mittelmeer-Nachbarländern im neuen geopolitischen Kontext der EU“, moderiert von Financial-Times-Redakteurin Pilita Clark und Jos Delbeke, Inhaber des EIB-Klimalehrstuhls am EHI.
Eröffnungsrede
Hallo zusammen und in die Runde – lieber Jos, ich freue mich sehr, hier zu sein bei dieser wichtigen Veranstaltung und zu einem Thema, das den Kern des Auftrags der Europäischen Investitionsbank-Gruppe betrifft.
Vor wenigen Wochen erst war ich bei der Frühjahrstagung von IWF und Weltbank in Washington DC. Der Tenor dort war: „In der Wirtschaft läuft es besser, in der Geopolitik schlechter als erwartet.“ Konflikte, Spannungen und Fragmentierung werden das neue Umfeld wohl auf absehbare Zeit prägen.
Für die Europäische Union heißt das: Wir müssen unsere Beziehungen zu unseren Partnern und Nachbarn festigen, vor allem in Nordafrika und im Nahen Osten. Die EIB kann hier eine wichtige Rolle spielen, mit Projekten und Investitionen, die der Wirtschaft helfen und damit auch die geopolitische Lage verbessern.
Wir müssen unsere Unterstützung stärker strategisch ausrichten, für mehr Wirkung, mehr Wachstum, Jobs und Wohlstand bei unseren Partnerländern im Mittelmeerraum. Und wir müssen diese Länder beim Übergang zu einer nachhaltigeren, klimaresilienten Zukunft für alle begleiten.
Unsere Arbeit für den Klimaschutz in dieser Region ist nicht nur selbstloser Einsatz für ein besseres Leben für die Menschen jetzt und die Zukunftschancen jüngerer Generationen; sie ist auch strategisch motiviert.
Klimaschutz ist ein treibender Faktor für die Stabilität, Resilienz und Energiesicherheit der Region. Mit gemeinsamen Investitionen in nachhaltige Lösungen für Kernsektoren wie Wasser, Energie und Verkehr mindern wir nicht nur die Folgen des Klimawandels, sondern arbeiten auch für eine stabilere und bessere Zukunft für Menschen auf beiden Seiten des Mittelmeers.
Die Europäische Investitionsbank-Gruppe steht bei den Anstrengungen der EU, Investitionen für diese strategischen Ziele anzuschieben, mit ihren globalen Initiativen an vorderster Front. Wir finanzieren Partnerschaften und Projekte, die im Sinne Europas eine nachhaltige Entwicklung und Klimaresilienz in der Region fördern. Davon profitieren beide Seiten.
Einige Beispiele:
- Über das Seekabel ELMED fließt künftig erneuerbarer Strom zwischen Sizilien und Tunesien.
- Das Projekt für eine inklusive und nachhaltige Waldbewirtschaftung in Marokko schützt die Umwelt, stärkt unsere natürliche Abwehr gegen den Klimawandel und fördert einen nachhaltigen Tourismus.
- Und das Aqaba-Amman-Entsalzungs- und -leitungsprojekt wird Jordanien jährlich 300 Millionen Kubikmeter sauberes Wasser liefern und die Versorgungssicherheit dort entscheidend verbessern.
Wenn wir die Chancen in der EU und für unsere Partner im Mittelmeerraum ergreifen und den Übergang zu einer CO2-armen Wirtschaft schneller schaffen wollen, müssen wir die Schlagkraft strategischer Partnerschaften und Industriekooperationen nutzen.
Neue Kooperationen, etwa bei Wasserstoff, Verkehrsinfrastruktur, erneuerbaren Energien und Stromübertragungsnetzen, bieten gute Möglichkeiten für eine Zusammenarbeit zum beiderseitigen Nutzen.
Auch im Digitalbereich gibt es Chancen, und wir bei der EIB sind sehr stolz, dass wir mit unseren Partnern bei der Europäischen Kommission das Internet-Seekabel MEDUSA finanzieren. Mit dem Glasfaserkabel erhalten fünf EU-Länder am Mittelmeer sowie Algerien, Ägypten, Marokko und Tunesien Anschluss an das schnelle Internet.
Das Projekt ist ein Gamechanger – ein greifbares Ergebnis von Europas Global-Gateway-Strategie. Das Seekabel MEDUSA wird über Direktverbindungen an Land auch Bildungs- und Forschungseinrichtungen in Nordafrika anschließen. Es wird damit die Beziehungen zu solchen Einrichtungen in der EU und den wissenschaftlichen Austausch sowie Innovation, Forschung und Beschäftigung in der Region fördern.
Partnerschaft ist hier das Schlüsselwort. Über Dialog und den Aufbau von Vertrauen wollen wir gemeinsame Interessen verfolgen und eine gemeinsame Vision für eine blühende und stabile Zukunft schaffen, in die wir investieren können. Die im März angekündigte strategische und umfassende Partnerschaft zwischen der EU und Ägypten sowie die 2022 unterzeichnete Grüne Partnerschaft für Energie, Klima und Umwelt zwischen der EU und Marokko sind gute Beispiele dafür. Diese Initiativen, die die Regierungen mithilfe der EIB-Gruppe umsetzen, zeigen die internationale Dimension des europäischen Grünen Deals in der Praxis.
Europa teilt mehr als nur das Meer mit diesen Partnerländern. Wir haben viele gemeinsame Interessen. Über strategische Investitionen, partnerschaftliche Kooperationen und den Einsatz für Nachhaltigkeit können wir zusammen für eine bessere Zukunft arbeiten.
Vielen Dank. Ich wünsche Ihnen eine fruchtbare Diskussion.