Nach Gesprächen mit den Finanzministerinnen und -ministern der EU bei der informellen ECOFIN-Sitzung im belgischen Gent erläuterte EIB-Präsidentin Nadia Calviño auf einer Pressekonferenz die ehrgeizigen Pläne der EIB-Gruppe mit acht Kernprioritäten.
Zur Aufzeichnung der Pressekonferenz
Es gilt das gesprochene Wort.
Ich bin sehr froh über die konstruktiven Gespräche heute mit den EU-Finanzministern bei der informellen ECOFIN-Sitzung unter Leitung der belgischen Präsidentschaft. Wir sprachen über unsere ehrgeizige Strategie, die auf den Stärken der EIB-Gruppe aufbaut, sich auf acht Kernprioritäten konzentriert und das volle Potenzial der Institution ausschöpfen soll – mit Blick auf die Ziele der Europäischen Union, die wir erreichen wollen. Es gab sehr viel Zustimmung für diese Strategie von den Ministerinnen und Ministern am Tisch. Das ist natürlich extrem hilfreich, wenn wir in den kommenden Wochen eine Reihe von Arbeitspaketen angehen.
Europa steht am Scheideweg
Die Europäische Union steht an einem Scheideweg. In den letzten Wochen wurden einige wichtige Beschlüsse gefasst, die die EIB-Gruppe handlungsfähiger machen. Sie zeigen: Wenn wir an einem Strang ziehen, wenn wir entschlossen und geeint handeln, können wir den Weg weisen. Das ist auch genau die Überzeugung hinter der Strategie, die wir heute vorgestellt haben und die das Ergebnis eines intensiven Austauschs mit Stakeholdern ist, allen voran den Mitgliedstaaten.
Seit meinem Amtsantritt Anfang Januar dieses Jahres habe ich eine Reihe von Hauptstädten besucht und in Gesprächen ausgelotet, was die Prioritäten für die EIB-Gruppe sein sollten. Alle diese Gespräche haben gezeigt: Es gibt einen großen Willen, unsere Union besser, grüner, sicherer und gerechter zu machen. Inmitten geopolitischer Unsicherheiten sehe ich auch eine große Entschlossenheit, Europas Rolle in der Welt zu stärken, mit hoher Priorität auf der Unterstützung für die Ukraine.
Im Mittelpunkt der Gespräche standen drei Fragen:
- Wie sollen wir auf den Stärken der EIB-Gruppe aufbauen?
- Wie sollen wir die die acht Kernprioritäten angehen?
- Wie können wir das volle Potenzial der EIB als Finanzierungsinstitut der EU ausschöpfen?
Mit einer Bilanzsumme von rund 600 Milliarden Euro, ihrer grundsoliden Finanzlage, ihrem AAA-Rating und ihrem großen Potenzial zur Mobilisierung privater Investitionen ist die EIB-Gruppe fraglos ein sehr mächtiges Instrument. In Verbindung mit ausgewiesenem technischen Know-how und erfolgreichen Investitionen in große Infrastruktur, Klimaprojekte und Innovationen schafft das eine hervorragende Grundlage, um die Aktivitäten der EIB-Gruppe in den kommenden Jahren weiter auszubauen.
Die EIB-Gruppe erzielte 2023 exzellente Ergebnisse. Insgesamt wurden Finanzierungen im Volumen von 88 Milliarden Euro unterzeichnet, über 90 Prozent davon in der EU. Mehr als 50 Prozent der Mittel sind für das Klima bestimmt. Die EIB-Gruppe hat sich als die Klimabank etabliert und als Wegbereiter für neue, innovative Finanzinstrumente für die grüne und digitale Wende. Damit bringt sie Projekte auf den Weg und vor Ort voran.
Für die Zukunft bekundeten die Gouverneurinnen und Finanzminister einmütig, dass die EIB-Gruppe mit Blick auf die wichtigsten Herausforderungen der EU sogar eine noch schlagkräftigere Rolle spielen kann. Klimaschutz, Kohäsion und Wettbewerbsfähigkeit sind untrennbar – da sind sich alle einig. Deshalb müssen wir sie so verbinden und vorantreiben, dass die grüne Wende ein europäischer Erfolg wird. Das bildet die Grundlage für die acht Kernprioritäten, die ich heute vorgestellt habe und die von den Finanzministern voll unterstützt werden.
Erstens: Festigung der Position als Klimabank für mehr Investitionen in Klimaanpassung, Klimaschutz und die Energiewende. Hier werden wir weiter Investitionen in alle relevanten Technologien fördern, wie es unser Mandat vorsieht.
Die Ministerinnen und Minister begrüßten auch unseren Vorschlag zu einem neuen „Wasserprogramm“ für Städte, Regionen und Betriebe. Es soll vor allem der Landwirtschaft helfen, die Folgen von Dürren und Überschwemmungen zu bewältigen und auf eine effizientere Bewässerung umzustellen. Außerdem planen wir ein neues „Energieeffizienz-Programm für KMU“. Damit wollen wir eine Kerngruppe grüner und wirtschaftlich sinnvoller Technologien, die Europa bei der Energieeffizienz voranbringen, in der Breite durchsetzen.
Die zweite Priorität ist mehr Tempo bei Digitalisierung und technologischer Innovation. Hier sprachen wir über die nötige Reindustrialisierung Europas in Sektoren, die wir für unsere strategische Autonomie und wirtschaftliche Sicherheit brauchen: Chips, künstliche Intelligenz, Life Sciences, hochmoderne Fertigung, neue Werkstoffe. Ganz besonders geht es auch um kritische Rohstoffe und Netto-Null-Technologien für robuste Lieferketten.
Wir finanzieren bereits Leitprojekte wie die zirkuläre Batteriefabrik von Northvolt in Schweden und Europas größten Hersteller von Solarmodulen in Italien. Bei den kritischen Rohstoffen werden gerade einige Projekte in der EU geprüft. Und mit dem neuen FASTER-Programm soll es mit der Digitalisierung und technologischen Innovationen in der EU schneller vorangehen.
Die dritte Priorität sind mehr Investitionen in Sicherheit und Verteidigung. Wir müssen Europas Sicherheits- und Verteidigungsindustrie stärken, so viel ist klar. Die EIB investiert seit acht Jahren in diesem Bereich. Zusammen mit den größten europäischen Akteuren finanzieren wir Projekte für neue Technologien, kritische Infrastruktur, Cybersicherheit, Weltraum- und Dual-Use-Technologien sowie Ausrüstung. Dazu gehören Dual-Use-Drohnen und Grenzschutzsysteme. Sie fallen unter kritische Infrastruktur und haben besonders für Länder an den Außengrenzen hohe Priorität, wie ich bei meinen Besuchen in Nordeuropa und im Baltikum letzte Woche erfahren durfte.
Die Strategische Europäische Sicherheitsinitiative SESI, von der EIB-Gruppe für Investitionen in Sicherheit und Verteidigung angestoßen, wurde 2023 auf acht Milliarden Euro aufgestockt. Davon wurden bislang erst zwei Milliarden Euro eingesetzt. Über den Europäischen Investitionsfonds haben wir außerdem die 175 Millionen Euro schwere Defence Equity Facility auf den Weg gebracht, mit der wir Start-ups und KMU auf diesem Gebiet unterstützen.
Und seit meinem Amtsantritt Anfang Januar sage ich: Wir sind bereit, mehr zu tun für gemeinsame Projekte, die die europäische Industrie stärken und Europas Schutz und Abschreckung dienen.
- Wir sind bereits dabei, zusammen mit der Europäischen Kommission und anderen wichtigen Akteuren Art und Umfang der Dual-Use-Technologien festzulegen, die infrage kommen. In zwei Monaten werde ich wieder über den Stand der Dinge berichten und daneben auch mit anderen wichtigen Stakeholdern an den Fragen zu Dual-Use-Technologien arbeiten. Das haben wir heute in der Sitzung vereinbart.
- Außerdem wollen wir zusammen Prozesse straffen und eine gemeinsame Anlaufstelle für Verteidigungsprojekte schaffen, damit die sechs Milliarden Euro unter SESI schneller investiert werden.
- Starke Unterstützung gab es auch für unsere Pläne für engere und neue Partnerschaften, etwa mit der NATO, um so zu diesen wichtigen EU-Zielen beizutragen.
Die vierte Priorität ist unser Beitrag zu einer modernen Kohäsionspolitik. Eine gerechte grüne Wende erfordert Investitionen in den am stärksten betroffenen Sektoren und Regionen – besonders jenen, die stark von CO2-intensiven Aktivitäten abhängig sind. Folglich hat die Europäische Investitionsbank da eine wichtige Rolle zu spielen.
Fünfte Priorität: Entwicklung innovativer Finanzierungen für die Landwirtschaft und Bioökonomie. Die Landwirtschaft ist zentral für die grüne Wende und Europas Ernährungssicherheit und strategische Autonomie. Wir werden deshalb prüfen, wie wir die Wirkung unserer Instrumente maximieren und Synergien mit der Gemeinsamen Agrarpolitik nutzen können. Daneben ziehen wir mögliche weitere Produkte in Betracht, etwa im Bereich der Versicherung. Eine europäische Versicherungspolice könnte der Landwirtschaft bei der Klimaanpassung, beim Klimaschutz und bei der grünen Wende insgesamt helfen.
Die sechste Priorität sind mehr Investitionen in soziale Infrastruktur, wie Bildung und Qualifikation, Gesundheit und bezahlbarer Wohnraum, der in vielen EU-Ländern knapp ist. Wir werden gemeinsam mit den Mitgliedstaaten ausloten, wie wir hier mehr tun können.
Die siebte Priorität liegt auf Pionierarbeit für die Kapitalmarktunion. Wir haben uns über einige Arbeitspakete verständigt, damit die Bank neue EU-Instrumente nutzen und einführen kann, die die Bausteine für eine echte Kapitalmarktunion bilden können.
Und nicht zuletzt wollen wir einen Fokus auf Aktivitäten außerhalb der EU legen. Dabei hat die Unterstützung für die Ukraine natürlich hohe Priorität. Weitere Schwerpunkte sind ein erfolgreicher Erweiterungsprozess, Stabilität und Wohlstand in unserer Nachbarschaft und die Global-Gateway-Strategie der EU außerhalb Europas.
Zu den neuen Initiativen, die wir auf den Tisch gelegt haben – das Wasserprogramm, KMU-Energieeffizienz, Beitrag zur Kapitalmarktunion, Investitionen in Klima, Digitalisierung und neue Technologien, das FASTER-Programm: Alle diese Initiativen, an denen wir in den kommenden Wochen und Monaten arbeiten, sollen regelmäßig im Gouverneursrat und in den ECOFIN-Sitzungen aufgegriffen werden.
Der letzte Diskussionspunkt war, wie wir das volle Potenzial der EIB-Gruppe ausschöpfen – wie wir unser Kapital am wirkungsvollsten einsetzen, natürlich unter Sicherung des AAA-Ratings der EIB, das uns günstige Finanzierungsbedingungen erlaubt. Wie können wir unbürokratischer werden, die EIB-Gruppe effizienter machen und noch besser private Investitionen mobilisieren? Kurzum: Es war ein sehr konstruktiver und fruchtbarer Austausch mit den Finanzministerinnen und Finanzministern. In Zukunft werden wir regelmäßig überprüfen, wo wir mit dieser Strategie stehen.
Europa hat immer wieder gezeigt, dass es sich an neue Situationen anpassen kann. Und dass es gleichzeitig seine Kernwerte bewahren und mit einer klaren Strategie zusammenarbeiten kann. Wir werden dafür sorgen, dass die EIB-Gruppe nicht nur ein wichtiger Akteur ist, sondern Europa maßgeblich hilft, die vielen Herausforderungen um uns herum zu bewältigen und in der Welt und im aktuellen geopolitischen Umfeld mit stärkerer Stimme zu sprechen.