Werner Hoyer, Präsident der EIB, hielt eine Eröffnungsrede auf der Hochrangigen Internationalen IEA-EZB-EIB-Konferenz


Es gilt das gesprochene Wort.


Präsidentin Lagarde, Dr. Birol,

Exzellenzen, Ministerinnen und Minister, meine Damen und Herren,

ich bin froh, dass wir heute über eine der größten Herausforderungen unserer Zeit sprechen: Wie stellen wir die Energieversorgung unserer Volkswirtschaften um, und wie schaffen wir das auf eine „geordnete“ Art und Weise?

Es ist einige Zeit her, dass sich die Welt hier in Paris gemeinsam verpflichtete, die Dekarbonisierung unserer Volkswirtschaften zu beschleunigen, um die Erderwärmung zu begrenzen.

Seitdem hat sich viel getan. Doch das Erreichte ist bei Weitem nicht genug, und es ist nicht „geordnet“.

Wir haben uns viel zu lange der Illusion hingegeben, dass fossile Brennstoffe eine billige und zuverlässige Energiequelle sind. Erst mit Putins Einmarsch in der Ukraine wurde uns klar: Sie sind weder das eine noch das andere.

Wir hätten es besser wissen sollen, und wir hätten früher handeln müssen.

Es geht hier aber nicht nur um Russland.

Solange wir die Energiewende nicht schaffen, bleibt Europa den Launen derer ausgeliefert, die diese Brennstoffe kontrollieren.

Kürzen sie die Produktion, steigen die Preise. Und das Ergebnis? Präsidentin Lagarde und ihre Kolleginnen und Kollegen bei der EZB müssen eine hohe Inflation bekämpfen.

Europäische Unternehmen geraten im globalen Wettbewerb ins Hintertreffen, und unsere Privathaushalte leiden unter explodierenden Kosten.

Der Übergang zu sauberer Energie ist nicht nur ein moralisches Gebot, um das Leben kommender Generationen auf unserem Planeten zu schützen, er ist auch eine Notwendigkeit, um die Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie und den wirtschaftlichen Wohlstand Europas zu bewahren – nicht erst morgen, sondern schon heute.

Aber bleiben wir fair: Europa tut bereits viel.

Die Europäische Union stellt erhebliche öffentliche Mittel für die Energiewende bereit.

Die EIB unterstützt diese Maßnahmen. Letztes Jahr haben wir Finanzierungen für saubere Energieprojekte in der EU von über 17 Milliarden Euro unterzeichnet – so viel wie noch nie zuvor.

Die Daten der IEA zeigen, dass die Investitionen in saubere Energie in Europa zunehmen und dass sich diese Zunahme beschleunigt.

Doch wie ich bereits sagte: Viel zu tun, ist nicht genug.

Erstens, weil die öffentlichen Kassen einfach nicht tief genug sind, um derartige Investitionen zu stemmen. Wir brauchen also den Privatsektor.

Und private Investoren, meine Damen und Herren, wollen Gewissheit, Klarheit und Effizienz.

Mit Gewissheit meine ich: Es darf keine Zweifel an unserer Entschlossenheit geben. Jedes Anzeichen einer Verwässerung oder Unterbrechung der grünen Wende oder gar einer Umkehr sorgt nur für Verwirrung und bremst Investitionen.

Mit Klarheit meine ich: Wir brauchen einheitliche Regeln, die Investitionen erleichtern. Zu viele wichtige Projekte für die Energiewende stecken heute in den Fängen der Bürokratie fest. Unsere Vorschriften sind oft zu komplex. Dafür haben wir einfach keine Zeit!

Das bringt mich zur Effizienz: Unsere Bankenunion ist immer noch unvollständig und unsere Kapitalmarktunion noch in Arbeit, wie Präsidentin Lagarde gerade sagte. Das bedeutet: Für innovative Cleantech-Unternehmen ist es schwer, Kapital für die Skalierung ihres Geschäfts zu beschaffen.

Deshalb hat die EIB-Gruppe dieses Jahr die European Tech Champions Initiative ins Leben gerufen, einen Dachfonds, der europäischen Innovatoren dringend benötigtes Late-Stage-Kapital bereitstellt. Bislang beteiligen sich fünf EU-Länder an dem Fonds, und ich ermutige alle anderen, sich anzuschließen.

Einige von Ihnen fragen sich vielleicht, warum ich im Zusammenhang mit der Energiewende von Hightech-Start-ups spreche. Ganz einfach: Viele der grundlegenden Technologien für eine geordnete Energiewende existieren noch nicht. Und wenn doch, sind sie noch zu teuer.

In einigen Bereichen, wie der Stromerzeugung, sind saubere Lösungen bereits billiger und lassen sich schneller nutzen als fossile Brennstoffe. In anderen, wie der Luftfahrt oder der Schwerindustrie, fehlen bezahlbare saubere Alternativen noch. Und deshalb ist Innovation so wichtig.

Daher hat die EIB ein spezielles Unterstützungspaket für REPowerEU beschlossen. In den nächsten fünf Jahren stellen wir ergänzend 45 Milliarden Euro bereit – zusätzlich zu dem, was wir ohnehin schon an Finanzierungen für saubere Energien und die grüne Industrie in Europa vergeben.

Angesichts der hohen Zinsen sind diese Mittel eine wichtige Finanzierungsquelle. Aber wie ich vorhin schon sagte: Es geht hier nicht nur um Geld. Ein Teil dieser zusätzlichen Mittel ist für risikoreiche, hochinnovative Investitionen bestimmt. Wir versuchen, das Risiko dieser Investitionen zu verringern und privates Kapital mit an Bord zu holen. Das haben wir schon vor 20 Jahren bei Offshore-Windparks getan, als der Sektor noch in den Kinderschuhen steckte. Und heute tun wir es wieder.

Wichtig dabei ist: Wir finanzieren nicht nur Erneuerbare, Energiespeicher, Netze oder Energieeffizienz. Wir gehen einen Schritt weiter und fördern auch den Ausbau modernster Produktionskapazitäten für strategische Netto-Null-Technologien. Dazu kommen noch Mittel für Investitionen in kritische Rohstoffe.

Wir tun das aus zwei Gründen:

Erstens, weil bei sauberen Technologien – leider – die Gefahr eines weltweiten Subventionswettlaufs besteht. Das ist kontraproduktiv und könnte die Investitionen im Keim ersticken.

Die Bekämpfung des Klimawandels ist ein globales Gut. Europa, die USA, China und alle anderen sollten eigentlich zusammenarbeiten. Dass das nicht immer der Fall ist, ist eine Tragödie.

In dieser Situation will die EIB die europäische Industrie mit ihren Finanzierungen gezielt unterstützen – damit sie weltweit wettbewerbsfähig ist. Aber eines ist klar: Blankoschecks gibt es nicht. Wir wollen bankfähige, moderne Projekte fördern. Für grundlegende Güter und Rohstoffe, die nicht nur Europa, sondern die ganze Welt für die Energiewende braucht.

Der zweite Grund ist, dass die Förderung der grünen Produktion auch Arbeitsplätze schafft.

Wir können nämlich nicht von einer geordneten Energiewende sprechen, wenn hier in Europa keine neuen Jobs entstehen. Wenn die Menschen hier das Gefühl haben, dass sie zurückgelassen werden, dass die Energiewende neue Abhängigkeiten schafft, dann springen sie ab. Dann ist der soziale Zusammenhalt gefährdet und der Übergang zum Scheitern verurteilt.

Liebe Freundinnen und Freunde,

ein geordneter Übergang muss gerecht sein. Die EIB fördert mit ihrem gesamten Arsenal an Ressourcen diejenigen Investitionen, die uns genau dort hinbringen.

Ich freue mich jetzt auf unsere Diskussion.

Vielen Dank!