Seit den 1970er Jahren entwickelte Airbus neue Konzepte für den Luftverkehr mit Flugzeugen „made in Europe“.

Im Palazzo dei Conservatori auf dem von Michelangelo prachtvoll umgestalteten Kapitolshügel unterzeichneten Vertreter von sechs europäischen Nationen am 25. März 1957 die Römischen Verträge. Das Vertragswerk, das auch die Artikel zur Gründung der Europäischen Investitionsbank enthält, war – wie ein Historiker es formulierte – „eine Erklärung der guten Absichten für die Zukunft”. Über einen Zeitraum von zwei Wochen veröffentlichen wir eine kleine Auslese von Geschichten zum sechzigsten Jahrestag der Unterzeichnung der Römischen Verträge – eine Geschichte für jedes Jahrzehnt der Entwicklungsgeschichte der Bank. Diese Geschichten dokumentieren, wie die EIB dazu beigetragen hat, gute Absichten Wirklichkeit werden zu lassen.

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Auf ihrer ersten Reise heben die Flügel eines Airbus A380 nicht vom Boden ab. Tatsächlich werden sie auf ziemlich altmodische Weise mit Frachtkahn und Schiff zu ihrem Ziel befördert. Hergestellt in Broughton im Vereinigten Königreich werden die riesigen Tragflächen von Nordwales aus nach Toulouse verschifft und dort an den Rumpf des größten Verkehrsflugzeugs der Welt montiert. Andere Teilkomponenten werden aus Hamburg und Cadiz geliefert. Airbus ist ein Paradebeispiel für erfolgreiche europäische Zusammenarbeit: ein Flugzeughersteller, dessen Produkte in Einzelteilen in verschiedenen europäischen Ländern gefertigt werden, mit Zulieferern in noch viel mehr Ländern, liegt gleichauf mit Boeing auf dem Weltmarkt für Verkehrsflugzeuge.

Die EIB war bei jedem neuen Airbus, der seit dem A300 entwickelt wurde, mit von der Partie. Schon dessen ursprüngliche Produktionsanlagen in Toulouse und Saint-Nazaire wurden 1971 mit einem Darlehen der EIB von 80 Millionen französischen Francs finanziert. Der A300 war eine Reaktion auf die stark zersplitterte Branche der Flugzeughersteller in jener Zeit und auf die Notwendigkeit, sich zusammenzuschließen, um die gewaltigen Forschungs- und Entwicklungskosten für immer komplexere Projekte zu finanzieren. „Anspruchsvolle Hochtechnologieprojekte erforderten erhebliche Kapitalaufwendungen“, so José Doramas Jorge Calderón, Senior Economist in der Abteilung Luft- und Seeverkehr und innovative Verkehrskonzepte der EIB. „Größere Unternehmen oder Konsortien waren hier ganz klar im Vorteil.“ In den USA erkannten Flugzeughersteller wie Boeing, Douglas und Lockheed, die damals 80 Prozent des Weltmarktes beherrschten, die Notwendigkeit, sich zusammenzuschließen. Auch in Europa erkannte man die Zeichen der Zeit. Airbus begann als multinationales Projekt, an dem sich Unternehmen aus Frankreich, Deutschland, dem Vereinigten Königreich und den Niederlanden beteiligten. Unterstützt wurde es außerdem von der französischen und der deutschen Regierung. Airbus Industrie wurde 1970 von der französischen Aérospatiale und dem deutschen Konsortium Deutsche Airbus gegründet. 1971 gewann der Konzern mit Construcciones Aeronáuticas einen spanischen Partner hinzu, und 1979 wurde der frühere Unterauftragnehmer Hawker Siddeley Aviation, der inzwischen in der British Aerospace aufgegangen war, britischer Anteilseigner.

>@Airbus
© Airbus

Finanzierung eines neuen Konzepts

Der A300 verkörperte ein neues Flugzeugkonzept. Gegenüber seinen unmittelbaren Konkurrenten auf der Langstrecke, der Boeing 707 oder der Douglas DC-8, die als Schmalrumpfflugzeuge einen einzigen Gang in der Passagierkabine und vier Triebwerke aufwiesen, verfügte der A300 über zwei Gänge und lediglich zwei Triebwerke. Auf der Kurzstrecke war er weitaus größer als die mit drei Triebwerken ausgestattete Boeing 727. Der Größenvorteil in Verbindung mit der geringeren Anzahl von Triebwerken bedeutete größere Wirtschaftlichkeit. Der A300 war fast genauso groß wie die Boeing 727, hatte aber weniger Triebwerke und war damit wirtschaftlicher. Diese Entwicklung setzte Airbus beim A320 fort, der die Cockpit-Technologie revolutionierte. Das traditionelle Steuerhorn des Piloten und die herkömmlichen mechanischen Flugsteuerungssysteme wurden durch einen seitlichen Steuerknüppel und ein elektronisches „Fly-by-Wire“-System ersetzt. Mit dem A380 erhielten Fluggesellschaften später die Möglichkeit, die Passagierkapazität auf bis zu 800 Personen zu erhöhen, wenn alle Plätze als Economy-Klasse ausgelegt waren, und auf diese Weise ihre Erträge zu steigern. Die meisten Gesellschaften haben jedoch weiterhin Bereiche für die Business-Klasse und die Erste Klasse, so dass die Sitzplatzkapazität bei etwas über 500 liegt. In jüngster Zeit hat die vermehrte Verwendung von Kohlefaserverbundwerkstoffen bei der Herstellung von Großraumflugzeugen wie dem A350 dazu geführt, dass Flugzeuge leichter werden, was deren Umweltauswirkungen verringert. All diese bahnbrechenden technischen Neuerungen und die Entwicklung der Luftfahrtindustrie insgesamt wurden von der Bank durch die Finanzierung zahlreicher FuE-Projekte, sowohl bei Airbus selbst als auch bei Airbus-Zulieferern wie dem Triebwerkshersteller Rolls Royce, gefördert.

„Airbus hat mit der Bank einen langen Weg zurückgelegt“, sagt Klaus Heege, ein Luftfahrtingenieur und Pilot, der bei der EIB bis zu seiner Pensionierung vor drei Jahren Airbus-Projekte betreute. „In dieser für Europa schwierigen Zeit ist es wichtig, sich den Wert solcher Projekte vor Augen zu führen: sie haben Mitarbeiter und Unternehmen aus verschiedenen europäischen Ländern zusammengebracht, ungeachtet aller kulturellen Unterschiede und unterschiedlichen Arbeitsabläufe. Und die Bank hat ihren Teil zum Gelingen beigetragen.“

>@Klaus Heege
© Klaus Heege

Volkswirtschaftlicher Nutzen

Die EIB beurteilt ihre Darlehen nach der Wirkung, die sie auf das Leben der Menschen in Europa haben. Jeder, der jemals mit einem Airbus geflogen ist, hat gewiss einen Nutzen davon gehabt. Der wahre Nutzen liegt jedoch in den Arbeitsplätzen, die überall in Europa mit Airbus verbunden sind:

  • In Frankreich beschäftigt Airbus an seinen Produktionsstandorten in Blagnac bei Toulouse, Nantes und Saint-Nazaire 26 000 Mitarbeiter.
  • An den Standorten in Deutschland arbeiten 17 000 Beschäftigte, ein Großteil davon in Norddeutschland.
  • In Spanien, wo die Höhenleitwerke für alle Flugzeuge der Airbus-Familie entworfen und hergestellt werden, sind an den Standorten Getafe, Puerto Real und Illescas 3 000 Menschen tätig.
  • Von Zulieferern im Vereinigten Königreich bezieht Airbus jährlich Bauteile im Wert von vier  Milliarden Pfund Sterling und unterstützt damit 110 000 Arbeitsplätze.

Heege kam in den 1990er Jahren zur EIB, nachdem er zuvor bei einem kleinen Hersteller von Privatflugzeugen und später bei Dornier in Friedrichshafen gearbeitet hatte. Er und Jorge Calderón befassten sich mit der Finanzierung von Forschungs- und Entwicklungsvorhaben für den A380 sowie mit Airbus-bezogenen Finanzierungen für Rolls Royce. Außerdem betreuten sie spanische KMU, die als Zulieferer an Projekten großer Luftfahrtunternehmen beteiligt waren. In jüngster Zeit hat die EIB Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten für den A350 und den A330neo sowie Vorhaben einer Reihe von Airbus-Zulieferern in ganz Europa finanziert. „Die Unterstützung einer großen Bank wie der EIB ist für Großprojekte wie Airbus besonders wichtig“, sagt Heege. Schließlich sind die Kosten für FuE immens und die Sicherheitsanforderungen im Luftverkehr sehr streng. „Aus offensichtlichen Gründen kann es für Versuch und Irrtum keinen Spielraum mehr geben, wenn das Produkt erst einmal fertig ist“, betont er. „Bevor man das Produkt auf den Markt bringt, muss man hundertprozentig sicher sein, dass es wirklich funktioniert.“ Die Beteiligung der EIB trägt dazu bei, dass jede einzelne Phase der Entwicklung und Herstellung rasch zum Abschluss gebracht wird. Dafür wird sie sich auch in Zukunft einsetzen.