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Plattformen für Kapital

Die Kapitalmarktunion wird den Märkten für Verbriefungen und Risikokapital Aufwind geben und Investitionen in die Realwirtschaft anschieben. Europas Pioniere weisen den Weg

Von 8 November 2024
 

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Als IPM Rubi die Produktionslinien in seinen Stanzwerken nachrüsten musste, wandte sich der mittelständische Metallverarbeiter aus Vitoria-Gasteiz in Spanien an die Banco Santander. Denn die Firma brauchte Geld für die Investitionen. Mit einem Kredit der spanischen Bank über vier Millionen Euro konnte IPM Rubi seine Werke in Galicien und Álava modernisieren. Das brachte dem Unternehmen im Oktober 2024 einen Nachhaltigkeitspreis ein, weil es mit den Investitionen den Energieverbrauch und damit die Emissionen um die Hälfte senkte. Außerdem kann IPM Rubi mit seinen 400 Beschäftigten nun mit Entwicklungen in der Automobilindustrie Schritt halten und seine beiden größten Kunden halten: Mercedes-Benz und den Stellantis-Konzern, zu dem Marken wie Fiat, Opel und Peugeot gehören.

„Für uns ist das ein Riesenschritt. Das war notwendig. Ohne dieses Projekt könnten wir nicht überleben“, sagt Firmenchef Ricardo Romo. „Und ohne die Finanzierung hätten wir es nicht machen können.“

Auf den modernisierten Produktionslinien werden Autoteile gefertigt. Schon bald müssen wohl auch die Linien für Transporter nachgerüstet werden. „Wir hoffen, dass wir demnächst weitere Gelder aufnehmen können“, so Romo. „Damit wir mit der Elektrifizierung in der Automobilindustrie mitgehen können.“

Und hier treffen die Stanzteile von IPM Rubi, dem Metallverarbeiter mit einem Jahresumsatz 2023 von 128 Millionen Euro, auf die schwer greifbare, immaterielle Welt der Verbriefung. Die Banco Santander packt Kredite wie den an IPM Rubi in Wertpapiere. Diese verkauft sie an Investoren und verwendet den Erlös, um neue Kredite zu vergeben – etwa an IPM Rubi für seine Transporterlinie. In den Vereinigten Staaten und Asien sind Verbriefungen ein riesiger, liquider Markt. Europa will jetzt aufholen, damit mehr Geld für Investitionen von Unternehmen wie IPM Rubi da ist, die wichtig sind für die Realwirtschaft. Die Europäische Investitionsbank beteiligt sich an Verbriefungen europäischer Banken. Sie entwickelt auch neue Verbriefungsstrukturen, von denen sie hofft, dass sie den Markt größer machen. Damit fördert sie den europäischen Binnenmarkt für Kapital: die Kapitalmarktunion.

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Passende Finanzierungen für kleine und mittlere Unternehmen

Im Vergleich zu den USA und Asien bremst in Europa die straffe Regulierung das Wachstum bei Verbriefungen, und zwar besonders den Markt für Verbriefungen mit höherem Rating und geringerer Rendite. Deshalb hilft die EIB-Gruppe (die Europäische Investitionsbank und der Europäische Investitionsfonds), einen liquideren Markt zu schaffen, und unterstützt innovative Banken mit größeren Beteiligungen an Verbriefungen.

Das ist eine der Maßnahmen, mit denen die Gruppe die Kapitalmarktunion fördert (in jüngsten Vorschlägen auch als Spar- und Investitionsunion bezeichnet). Gleichzeitig mobilisiert sie damit Kapital für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) in verschiedenen Sektoren, darunter Schlüsselbereiche wie Klima und Innovation.

„Wir engagieren uns stärker im Verbriefungsmarkt“, sagt Kreditreferent Manuel Conthe von der EIB. „Das ist ein effizienter Weg, Kredite an KMU zu finanzieren.“

Im Mai 2024 unterzeichnete die EIB-Gruppe eine Beteiligung von 530 Millionen Euro an einer Verbriefung der Banco Santander. Die EIB investierte 440 Millionen Euro in hoch geratete Tranchen von Anleihen, die auf einem Pool von Krediten der Banco Santander an ihre Kunden basieren; mit weiteren 60 Millionen Euro beteiligte sie sich an Tranchen mit einem Rating unter Investment Grade. Die Banco Santander wird ihrerseits im doppelten Umfang neue Kredite an kleine und mittelgroße Firmen in Spanien vergeben. Diese Unternehmen tragen die Wirtschaft des Landes und spielen eine wichtige Rolle für Wachstum und Beschäftigung.

„Über diese Anleihen setzen wir Kapazitäten für zusätzliche Kredite an unsere Kunden frei“, erklärt Koldo Oleaga Gascue, Leiter Asset Mobilisation bei der Santander in Madrid. „Wir recyceln Kapital und können damit Kommunen und unsere Kunden noch stärker unterstützen.“



Eine Lücke im Verbriefungsmarkt schließen

Der europäische Verbriefungsmarkt ist seit Mitte des letzten Jahrzehnts etwas gewachsen. Das beschränkt sich jedoch weitgehend auf die Tranchen, bei denen das Risiko geringer ist. Solche risikoarmen und deshalb auch geringer verzinsten „Senior-Tranchen“ machen bei den meisten Verbriefungen den größten Teil der Struktur aus – oft fast 80 Prozent, wie im Fall der Santander-Verbriefung. Das bedeutet: Banken wie die Santander müssen bei diesen Tranchen ein beträchtliches Volumen im Markt unterbringen.

Und dabei spielt die EIB-Gruppe als Investor eine wichtige Rolle. „Die EIB-Gruppe übernimmt einen größeren Teil der Senior-Tranche und erleichtert damit die vollständige Platzierung sehr großer Anleihen im Markt“, sagt Balint Konya, Structured Finance Analyst beim Europäischen Investitionsfonds.

Der Europäische Investitionsfonds, kurz EIF, ist die Tochtergesellschaft der EIB und konzentriert sich auf kleinere Unternehmen. Seine Beteiligung an der Verbriefung von Santander war mit 30 Millionen Euro zwar viel kleiner als die der EIB, aber der Fonds brachte wertvolles Know-how in der Strukturierung, Aushandlung und Durchführung von Verbriefungen ein. Für die Beteiligung des EIF an der Verbriefung sagte die Banco Santander zu, neue Kredite von insgesamt 60 Millionen Euro an kleine und mittelgroße Unternehmen zu vergeben. 30 Prozent davon sollten in Nachhaltigkeitsprojekte fließen, 20 Prozent in genderorientierte Projekte wie etwa Unternehmen in Frauenhand.

Für Karen Huertas, Senior Investment Manager beim EIF, machen Transaktionen wie diese deutlich, was die EIB-Gruppe für die Kapitalmarktunion leistet: „Mit ihrer Beteiligung hilft die EIB-Gruppe, solche Verbriefungstransaktionen wirtschaftlich effizient und effektiv im Markt zu platzieren; gleichzeitig tragen wir zum Wachstum der europäischen Wirtschaft bei. Wir müssen als EIB-Gruppe strategisch investieren – da, wo der Markt und seine Akteure uns am meisten brauchen.“

In der EU geboren und gewachsen

Europäische Unternehmen sind mehr auf Bankfinanzierungen angewiesen als vergleichbare Firmen in den USA und Asien, wo die Märkte für Risikokapital größer sind. Deshalb werden europäische Start-ups oft von US-Investoren aufgekauft. Die europäischen Kapitalmärkte sind auch nicht so tief wie die US-Märkte, weil sie auf die Länder beschränkt und entsprechend kleiner sind.

Der jüngste Vorstoß zur Kapitalmarktunion begann 2020 mit einer Initiative der Europäischen Kommission. Im März 2023 riefen die EU-Spitzen dann auf dem Euro-Gipfel in Brüssel dazu auf, „die gemeinsamen Bemühungen unter Einbeziehung der politischen Entscheidungsträger und Marktteilnehmer in der gesamten Union zu verstärken, um die Kapitalmarktunion voranzubringen“. Im Oktober 2024 begrüßten die EU-Finanzminister Vorschläge der EIB-Gruppe zur Vertiefung der Kapitalmarktunion.

Präsidentin Nadia Calviño nannte Möglichkeiten, wie die Europäische Investitionsbank Bausteine für die Kapitalmarktunion liefern kann, damit „Ideen, Unternehmen und Technologien, die in der Europäischen Union geboren werden, auch bei uns wachsen und gedeihen können“. Ein Vorschlag ist eine Verbriefungsplattform. Sie würde stärker standardisierte Transaktionen ermöglichen, kleine Banken ins Spiel bringen und bei ihnen Kapital für Kredite an kleinere Unternehmen freimachen.

Zeitaufwendig

Standardisierung wäre wichtig, denn maßgeschneiderte Verbriefungen sind kompliziert und zeitaufwendig.

Im Juli unterzeichnete die EIB eine Transaktion mit der BPCE, einer großen französischen Bankengruppe. EIB und EIF übernahmen dabei jeweils Teile der Senior-Tranche, die Bank für 750 Millionen Euro, der Fonds für 50 Millionen Euro. Die BPCE sagte dafür zu, innerhalb von drei Jahren in doppelter Höhe Kredite zu vergeben. Es ist das erste EIB-Projekt dieser Art in Frankreich, das gezielt neue Kredite an kleine Technologiefirmen fördert, unter anderem im Gesundheitssektor.

„Das ist auf jeden Fall etwas, was wir mehr tun wollen“, sagt Nicolas Mardam-Bey, der als Kreditreferent bei der Bank an der Transaktion beteiligt war. „Die Kapitalmarktunion sollte die Vorschriften lockern, damit mehr emittiert werden kann. In den USA müssen die Banken viel weniger Kapital vorhalten als in Europa, weil die Kapitalanforderungen viel weniger streng sind. Daraus könnte Europa wertvolle Schlüsse ziehen.“

Bis die Kapitalmarktunion Form annimmt, beteiligt sich die EIB selbst an Transaktionen, die sonst gar nicht möglich wären.

„Mit dem Volumen ihrer Beteiligung macht die Europäische Investitionsbank Transaktionen wirtschaftlich effizient“, sagt Jean-Philippe Foeillet, leitender Experte bei Natixis, der Investment-Banking-Tochter der BPCE. „Solche Transaktionen sind anspruchsvoll, was Ressourcen, Zeit und Informationstechnologie betrifft. Da helfen Größenvorteile, die die Abwicklung tragfähiger machen.“

Wenn sich die EIB in diesem Umfang beteiligt, da ist Foeillet sich sicher, steigen auch andere Investoren mit ein.

Strukturen als Plattformen

Die Struktur, die für die BPCE-Transaktion entwickelt wurde, ist komplexer und innovativer als eine typische Verbriefung.

Die meisten Verbriefungen bündeln Kredite, die in einem bestimmten Zeitraum vergeben wurden. Bei der Transaktion mit der BPCE kann die französische Bank die zugrunde liegenden Kredite regelmäßig durch neue Kredite ersetzen. Im Prinzip könnte die Bank die Struktur noch jahrzehntelang weiterführen, wenn die ersten verbrieften Kredite längst zurückgezahlt sind. Damit geht die Struktur in Richtung einer Verbriefungsplattform, wie die EIB sie für die Kapitalmarktunion im Auge hat, meint Jesper Skoglund, der als Structured Finance Manager beim EIF an der Transaktion mit der BPCE arbeitete.

„Wir wollen weiter solche Verbriefungsinstrumente arrangieren, damit mehr Kredite vergeben werden“, sagt Skoglund. „Das wird den Verbriefungsmarkt in Europa in Schwung bringen und die Kreditvergabe an die Realwirtschaft ankurbeln.“

Tech-Champions

Der EIF steht auch hinter einer anderen Initiative der EIB-Gruppe für die Kapitalmarktunion, die quasi eine eigene Investitionsplattform ist.

Die European Tech Champions Initiative soll eine Lücke im europäischen Markt für Risikokapital schließen und öffentliche und private Mittel für Deeptech-Unternehmen mobilisieren. Denn die meisten dieser Unternehmen in Europa werden von ausländischen Investoren finanziert. Nur ein kleiner Teil hat europäische Investoren, und fast keine Mittel stammen von den Kapitalmärkten.

Ein großer Teil des Risikokapitals, das in Europa bereitgestellt wird, kommt vom EIF: Er beteiligt sich an Fonds, die ihrerseits in Start-ups und Scale-ups investieren. Das ist für die zweite Phase der Tech Champions Initiative auch geplant. Außerdem sollen in dieser Phase aber auch umfangreiche Mittel von europäischen Pensionsfonds und Versicherungsgesellschaften mobilisiert werden, die über ein Investitionsinstrument an Technologiefirmen fließen.

Für solche Investoren ist Risikokapital normalerweise nicht attraktiv. Ihnen ist der Zeit- und Ressourcenaufwand für relativ kleine Investments schlicht zu hoch. Die Tech Champions Initiative 2.0 soll das ändern. Sie bietet die Chance zu größeren Investments über ein Instrument, das ihnen Zugang zu einem breiten europäischen Portfolio gewährt.

„Wenn die Investoren erst mit der Anlageklasse vertraut sind, werden sie sich mit größeren Beträgen engagieren“, meint Adrian Zambrano, der als Strukturierungsexperte beim EIF arbeitet.

EIB-Präsidentin Nadia Calviño bei einem Tech Champions Event
EIF

Europas Risikokapitalmärkte erhalten durch die Tech Champions Initiative einen doppelten Schub: Erstens steigen Investoren wie Pensionsfonds mit Investitionen über die Tech-Champions-Plattform in den Markt ein. Und zweitens erreichen mit den folglich steigenden Investitionen in Risikokapitalfonds mehr dieser Fonds ihre Kapitalziele und können mehr Mittel an Start-ups und Scale-ups vergeben.

„Wir wollen diese Anlageklasse für europäische Investoren zugänglich machen“, sagt Zambrano. „Das ist eine große Aufgabe, aber wir gehen davon aus, dass wir eine wegweisende Lösung bieten können.“

Sechs EU-Länder und die EIB beteiligen sich bislang mit 3,7 Milliarden Euro an der Initiative, um die Plattform an den Start zu bringen. 2025 soll sie auch privaten Investoren offen stehen.