Vom Finanzcrash vor etwa zehn Jahren bis zu Covid-19: Der EFSI hat flexibel auf Krisen reagiert und trotzdem sein Investitionsziel von 500 Milliarden Euro erreicht. Was bleibt nun davon?
Als das Coronavirus zuschlug, schnürten die Europäische Kommission, EU-Länder und europäische Einrichtungen binnen Kurzem ein gewaltiges Rettungspaket für pandemiegeschädigte Unternehmen. Ein anderes europäisches Programm war da schon aktiv und stellte Hunderte Millionen Euro für Projekte im Kampf gegen Covid-19 bereit.
Gestützt auf den Europäischen Fonds für strategische Investitionen (EFSI) finanzierte die Europäische Investitionsbank im Mai 2020 mit 50 Millionen Euro Covid-19-Studien des deutsch-israelischen Unternehmens Pluristem, das Infektionen mit Plazentazellen bekämpfen will. Im Juni folgten 100 Millionen Euro für das Covid-19-Impfstoffprogramm der deutschen Firma BioNTech, ebenfalls mit Absicherung durch die EFSI-Garantie.
„Am EFSI sehen wir, was sich mit knappen Mitteln erreichen lässt, wenn wir öffentliche und private Kräfte bündeln“, sagt Wilhelm Molterer, ehemaliger österreichischer Finanzminister und heute geschäftsführender Direktor des EFSI. „Diese Erfahrung wird noch wichtiger, wenn man bedenkt, welche Herausforderungen vor uns liegen.“
Zum Beispiel im Klimaschutz. Trotz Corona wird der EFSI auch hier seine Ziele übererfüllen. Schließlich ist die Coronakrise nur ein Kapitel in der ereignisreichen Geschichte des EFSI, dessen Schaffung auf den Finanzcrash von 2008 zurückging. Alles begann mit der Investitionsoffensive für Europa, einem bahnbrechenden Konjunkturprogramm, um die europäische Wirtschaft anzukurbeln. Der EFSI war ab 2015 Teil dieses Programms und sollte in Form einer Garantie aus dem EU-Haushalt die Finanzierungen der Europäischen Investitionsbank stützen, der Bank der EU. Nach seiner Verlängerung und Aufstockung im Jahr 2017 hat der EFSI sein Investitionsziel von 500 Milliarden Euro nun sechs Monate früher als geplant erreicht und sogar übertroffen – und das, obwohl er gleichzeitig der europäischen Wirtschaft in der Coronakrise helfen muss.
„Der EFSI hat die Art und Weise verändert, wie wir öffentliche Gelder einsetzen“, sagt Iliyana Tsanova, stellvertretende geschäftsführende Direktorin des EFSI. „Die öffentliche Unterstützung der EU ist eine Säule der europaweiten Risikofinanzierung. Damit haben wir ein hocheffizientes und flexibles Instrument, mit dem wir gezielt auf den dynamischen Marktbedarf reagieren können.“
Tsanova weiter: „Ich war begeistert, dass wir unsere Strategie in der Coronakrise so schnell anpassen konnten. Wir haben rasch Liquidität für Firmen in Not bereitgestellt – und parallel auch für Unternehmen, die an Medikamenten und Impfstoffen gegen Covid-19 arbeiten. Flexibilität ist der Schlüssel zum Erfolg.“
Am EFSI sehen wir, was sich mit knappen Mitteln erreichen lässt, wenn wir öffentliche und private Kräfte bündeln.
EFSI-Erfolge bei Beschäftigung und Wachstum
Wirtschaftsmodelle zeigen, dass die durch die EFSI-Garantie geförderten Investitionen das EU-BIP bis 2022 um 1,9 Prozent steigern und 1,8 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze schaffen werden (verglichen mit dem Szenario ohne EFSI, wobei die letzten Monate des EFSI noch nicht enthalten sind). Entscheidend hierbei ist: Ohne den EFSI hätte die Europäische Investitionsbank diese Projekte nicht finanzieren können. Dies war nur dank der EFSI-Garantie möglich und hat viele private Investoren ermutigt, ebenfalls an Bord zu kommen.
In Zeiten knapper Kassen muss die öffentliche Hand aus jedem Euro mehr herausholen. Wie das geht, hat der EFSI eindrucksvoll gezeigt. „Diese Erfahrungen werden sich für die Zukunft als hilfreich erweisen“, ist Molterer überzeugt.
Noch vor einigen Monaten hätte Molterer mit der Zukunft wohl vor allem die Investitionen im Rahmen des europäischen Grünen Deals und von InvestEU gemeint, dem Nachfolger des EFSI. Aber dann kam Corona, und der EFSI musste zeigen, wie er Europas Wirtschaft im Abwehrkampf helfen kann.
Der EFSI hat die Art und Weise verändert, wie wir öffentliche Gelder einsetzen.
Mit dem Erbe des EFSI gegen Corona
An den Covid-19-Soforthilfen lässt sich erkennen, wie gut durchdacht die Struktur und Governance des EFSI ist und wie passgenau die Finanzierungen mittlerweile sind. Mit am besten können dies die Leute beurteilen, die im Investitionsausschuss sitzen und darauf achten, dass die vorgeschlagenen Projekte den Kriterien für die EFSI-Garantie entsprechen.
Ein Mitglied des Ausschusses, der ehemalige ungarische Ministerpräsident Gordon Bajnai – heute beim Investmentberater Campbell Lutyens für den Bereich Global Infrastructure zuständig –, vergleicht die Coronakrise mit einem Tsunami: „Wer die erste Welle überlebt, hat eine Chance, wieder auf die Beine zu kommen. Wenn aber die Industrie zusammenbricht, kann es Jahrzehnte dauern, die Produktion wiederaufzubauen – oder sie entsteht woanders neu, nicht in Europa.“
Deshalb war die schnelle EFSI-Antwort in der Pandemie entscheidend. Bajnai, der seinerzeit Ungarn durch die Finanzkrise führte, hat gelernt: „In der Krise sind Soforthilfen dreimal so wertvoll wie Gelder, die später fließen.“
Eine facettenreiche Geschichte
Im Sommer und Herbst werden sicher weitere Covid-19-Finanzierungen des EFSI folgen – und damit neue Kapitel für den EFSI aufgeschlagen. Der EFSI ist so vielseitig, dass es unzählige Möglichkeiten gibt, seine Story zu erzählen.
Man könnte ihn anhand einer Karte von Europa beschreiben. Die EFSI-Projekte erstrecken sich von Las Palmas auf den Kanarischen Inseln, wo die EIB mit dem EFSI neue, saubere Busse finanzierte, bis nach Estland im hohen Norden. Hier erhielt Skeleton Technologies einen Kredit mit EFSI-Garantie für seine Forschung an Ultrakondensatoren zur Energiespeicherung. Sogar bis ins All reicht die Karte: Das Bremer Raumfahrtunternehmen OHB erhielt einen EFSI-Kredit für die Entwicklung elektrisch angetriebener Satelliten.
Man könnte die Geschichte des EFSI auch am Lauf des Lebens erzählen, beginnend mit der EFSI-Finanzierung für Jennewein Biotechnologie und seine Produktion von synthetischem Muttermilchzucker. Weiter geht es mit Science4You, das in Portugal pädagogisches Spielzeug herstellt. Danach folgen ein Schulprojekt in Finnland und schließlich der Kampf gegen den Tod – mit einer Investition des ebenfalls zur EIB-Gruppe gehörenden Europäischen Investitionsfonds. Der Spezialist für kleine Unternehmen unterstützte über einen Fonds für Forschungsausgründungen die universitäre Krebsforschung. Ebenso ließe sich das Erbe des EFSI am Beispiel vieler Unternehmen erzählen. Nicht wenige Start-ups und junge Firmen haben von Finanzierungen profitiert, die durch die EFSI-Garantie abgesichert waren. So wie etwa Winnow, das KI-Tools zur Reduzierung von Lebensmittelabfällen entwickelt.
Oder man erzählt die Geschichte der Größe nach, angefangen bei einem westdeutschen Familienbetrieb für Gießereimodellbau, der vom EIF eine Finanzierung mit EFSI-Garantie erhielt, bis hin zu EIB-Darlehen an Großkonzerne wie Ericsson, Telefónica und die Deutsche Telekom für den Aufbau des 5G-Netzes.
All diese Beispiele illustrieren, wie der EFSI den Weg in die Zukunft weist, in ein Europa mit einer innovativen, nachhaltigen Wirtschaft: Elektroautos in Kroatien, Ladestationen in Italien. Die Digitalisierung traditioneller Unternehmen in Spanien. Die Forschung in Frankeich an Hochleistungssaatgut für schädlingsresistente Nutzpflanzen. Der Bau von Sozialwohnungen in Polen und von medizinischen Einrichtungen in den Niederlanden.
Eines ist allen EFSI-Geschichten gemein: Knappe öffentliche Mittel werden optimal genutzt, um Arbeitsplätze und Wachstum für die Menschen in Europa zu schaffen. Das Erbe des EFSI besteht in den Existenzen, die er sichert. Und in den Lehren, die die Politik für die nächste Krise daraus zieht.