Für Menschen mit Immunschwäche bleibt Corona gefährlich. Eine belgische Firma setzt auf Nanokörper von Lamas, um diese und andere Krankheiten in den Griff zu bekommen

Lamas sind eigenwillige Tiere. Sie haben einen langen Hals, spucken gerne und brummen, wenn sie müde sind oder sich langweilen. Vor allem aber haben sie ein außergewöhnliches Immunsystem, das sich als Geheimwaffe gegen Covid-19 und andere Infektionskrankheiten entpuppen könnte.  

Durch einen Zufall der Natur produzieren Lamas ganz spezielle Antikörper. Diese Nanokörper sind nur etwa halb so groß wie menschliche Antikörper. Außerdem sind sie präziser und stabiler und lassen sich dadurch im Labor gezielt einsetzen.

Die belgische Firma ExeVir stellt mit Fragmenten dieser Lama-Nanokörper neue Antikörper gegen Bakterienzellen und Viruspartikel her.

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© Exevir

Fiona du Monceau

„Die Antikörper von Lamas sind kleiner und können sich bei dem Virus an Stellen anheften, an die ein menschlicher Antikörper nicht herankommt“, erklärt Fiona du Monceau, die bei ExeVir das operative Geschäft leitet. „So verhindern sie, dass das Virus an andere Zellen andockt und neutralisieren es damit.

Außerdem lassen sie sich wie Bausteine zu multispezifischen Antikörpern zusammensetzen.“

ExeVir entwickelt mithilfe dieser außergewöhnlichen Antikörper XVR012 – ein Therapeutikum zur Behandlung und Prävention von Covid-19 bei immungeschwächten und älteren Menschen. Die Europäische Investitionsbank (EIB) unterstützt das Unternehmen mit einer Venture-Debt-Finanzierung von 25 Millionen Euro, die im Dezember 2022 unterzeichnet wurde.



Für Menschen mit Immunschwäche ist die Pandemie nicht vorbei

Für Immungeschwächte ist Corona noch lange nicht vorbei. Sie halten sich weiterhin von Freunden und Familienmitgliedern fern und leben in ständiger Angst vor einer Infektion. Das mindert ihre Lebensqualität und belastet sie psychisch.

In Europa leben etwa 14,5 Millionen Menschen mit beeinträchtigtem oder unterdrücktem Immunsystem.  Da sie weniger gut gegen Infektionen und Krankheiten gewappnet sind, haben sie bei einer Coronainfektion ein höheres Risiko für einen schweren oder gar tödlichen Krankheitsverlauf. Selbst wenn sie geimpft sind, ist das Infektionsrisiko für sie 82-mal höher als für die geimpfte Normalbevölkerung, und sie haben 485-mal häufiger einen schweren Verlauf.

Impfstoffe senken das Risiko von Infektionen und schweren Erkrankungen für viele immungeschwächte Menschen. Doch es gibt immer noch viele, die nicht ausreichend geschützt sind.

„Das Virus mutiert schnell. Dadurch wirken bereits vorhandene Antikörper weniger gut gegen die aktuellen Varianten“, so du Monceau. „Wir brauchen also ein Therapeutikum, das auch gegen die Mutanten wirkt.“

XVR012 von ExeVir kann unabhängig vom Immunsystem des Patienten alle bisherigen und aktuellen Varianten neutralisieren. Das bietet einen langanhaltenden Schutz für alle, bei denen die Impfung nicht ausreicht.



Geld für Innovation und Biotechnologie in Belgien 

Bis ein neues Medikament die klinischen Studien geschafft hat und auf den Markt kommt, können mehr als zehn Jahre vergehen.

„Man muss vor allem nachweisen, dass das Präparat sicher ist und wirkt. Bei Infektionskrankheiten mit mutierendem Erreger ist das ziemlich schwierig“, erzählt du Monceau.

Biotech-Firmen brauchen unbedingt Geld – für Laborräume, Ausrüstung, Gehälter und andere Forschungsausgaben. Vor allem die klinischen Studien und die Herstellung sind teuer. Doch viele Unternehmen in der Frühphase haben Probleme bei der Finanzierung. „Es ist ein schwieriger Markt, und es gibt nicht viele Akteure, die in mutierende Krankheiten investieren“, ergänzt du Monceau.

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ExeVir ist ein Spin-out des Vlaams Instituut voor Biotechnologie (VIB), des führenden belgischen Forschungsinstituts für Biowissenschaften

Europa muss seine Biotech-Firmen unterstützen. Denn nur so kann sich die EU auf dem globalen Biotechnologiemarkt besser positionieren. Mit ihrem Venture-Debt-Produkt trägt die EIB dazu bei, die klinischen Studien für das neue Medikament von ExeVir voranzubringen.

„Venture Debt nimmt innovativen Firmen in der Frühphase den Druck. Sie bekommen die entscheidende Liquidität, ohne sich gleich über die Rückzahlung den Kopf zerbrechen zu müssen“, erklärt Viorica Revenco, die bei der EIB Biotech- und Life-Sciences-Kunden betreut. „Im Gegensatz zu anderen Risikokapitalgebern bieten wir langfristige, stabile Finanzierungen, die das Kapital nicht verwässern und an die Bedürfnisse der Firmen angepasst sind. So können sie weiter wachsen und Innovationen vorantreiben.“

Hinter dem Geld der EIB steht InnovFin – Infektionskrankheiten. „Durch diese Initiative können wir innovative Firmen, die Infektionskrankheiten erforschen, im Frühstadium fördern“, sagt Gergely Krajcsi, Senior Investment Officer vom Life-Sciences- und Biotech-Team der EIB. „Wir haben fast 650 Millionen Euro an 30 Unternehmen in ganz Europa vergeben.“



Vorbereitung auf die nächste Pandemie

Infektionskrankheiten sind unvermeidlich. Aber Covid-19 hat gezeigt, dass wir Pandemien eindämmen können, wenn wir in Prävention und Vorsorge investieren.

„Nanokörper können in Pandemiezeiten ein großer Vorteil sein, denn sie lassen sich leicht herstellen und sind sehr stabil. Dadurch können Medikamente in großen Mengen produziert und einfach und schnell eingesetzt werden“, erklärt Valeria Iansante, Life-Sciences-Expertin bei der EIB.

Die Neuentwicklung von ExeVir könnte sich auch zur Behandlung anderer Infektionskrankheiten eignen, die vor allem Menschen in ärmeren Ländern betreffen. So entwickelt ExeVir Antikörper gegen das Denguefieber, eine Krankheit, die weltweit immer mehr zum Problem wird, weil globale Erwärmung und Urbanisierung die Moskitos begünstigen, die den Erreger übertragen.

 „Unsere Arbeit kann als Vorlage für die Entwicklung von Antikörpern gegen künftige Pandemien dienen“, resümiert du Monceau.