Die EIB fördert seit Langem den Zusammenhalt in Europas ärmeren Regionen – ein gutes Fundament für ihre Rolle im Plan der Europäischen Kommission für einen gerechten Übergang
Wer sich jeden Tag mit einem veralteten Fernwärmenetz herumschlägt, kann sich kaum um neue Entwicklungen in der EU-Energiepolitik kümmern. Deshalb wandte sich die westrumänische Stadt Oradea an die Fachleute der Europäischen Investitionsbank. Sie sollten ihr bei der Umstellung auf saubere Energie helfen. „Wir sahen den Wald vor lauter Bäumen nicht“, erzählt Ioan Maghiar, Planungsleiter der Stadt Oradea. „Wir wollten daher eine kreative Lösung von außen.“
2019 legte das Projektberatungsteam der Bank nach achtmonatiger Arbeit eine Studie vor, die Oradea nun umsetzt – erfreuliche Auswirkungen auf die Wirtschaft und das Klima inklusive. Durch neue Energieträger und neue Energieeffizienzmaßnahmen wird das Fernwärmenetz der Stadt bis 2050 44 Prozent weniger CO2 ausstoßen. Und in zehn Jahren muss Oradea dem privaten Netzbetreiber keine Zuschüsse mehr bezahlen. „Für den städtischen Etat ist das eine gute Nachricht“, meint Emmanuel Morelt, Umweltexperte der EIB in Bukarest.
Projekte zu finanzieren, die den Lebensstandard in den ärmeren Regionen Europas heben, hat bei der EIB eine lange Tradition. Allein zwischen 2014 und 2019 reichte die Bank der EU über 100 Milliarden Euro für Projekte in Kohäsionsregionen aus (Hier erfahren Sie mehr über die EIB-Finanzierungen für ein Europa, das alle Menschen einbezieht).
Die EU will den Kontinent bis 2050 dekarbonisieren. Mit dem Mechanismus der Europäischen Kommission für einen gerechten Übergang, der zum europäischen Grünen Deal gehört, treten die Kohäsionsfinanzierungen der Bank in eine neue Phase. Der Mechanismus soll sicherstellen, dass Regionen und Branchen, die von fossilen Brennstoffen abhängig sind, nicht zurückbleiben – die Europäische Investitionsbank spielt dabei eine Schlüsselrolle. „Der gerechte Übergang ist für die EIB ein Heimspiel“, meint Leonard Reinard, Leiter der Abteilung Regionalentwicklung der Bank. „In jeder Stadt und jeder Region wird der Übergang anders aussehen. Da gibt es kein Patentrezept. Jede Region muss ihren eigenen maßgeschneiderten Übergangsplan finden. Und die Bank wird ihn dann in konkrete Investitionspläne und Projekte gießen.“
Das Projektberatungsteam der Bank half Oradea und zwei weiteren rumänischen Städten, eine saubere und effizientere Zukunft für ihre Fernwärmenetze zu entwerfen. Oradea testet bereits Erdwärme aus Wasser in zwei Kilometern Tiefe, die sieben Prozent der Energie für das Fernwärmenetz liefert. Das Netz deckt den Heiz- und Warmwasserbedarf von 70 Prozent der 200 000 Einwohner der Stadt. „Ohne die EIB hätten wir nicht so schnell verstanden, welche Möglichkeiten es in Europa gibt“, erzählt Maghiar.
Die Versorgung wird immer zuverlässiger, und die Stadt zieht mehr und mehr Menschen und Unternehmen an. „Eine Stadt, die das schafft, hat den Heiligen Gral der Stadtplanung gefunden“, meint Sebastian Hyzyk, Leiter des Projektberatungsteams der EIB. „Sie wird attraktiv für die Menschen, und Menschen sind das A und O für Wissen und Wachstum.“ 2020 wird das Projektberatungsteam ähnliche Projekte mit vier anderen rumänischen Städten umsetzen. Sie sind Teil seines 7-Jahres-Beratungsprogramms, das mit 70 Millionen Euro ausgestattet ist.
Hier erfahren Sie mehr darüber, wie die Bank der EU die städtische Infrastruktur in Oradea förderte.
Gut für Europa
In der Bergbauregion um Bulgariens zweitgrößte Stadt Plovdiv raffiniert das Unternehmen KCM seit Jahrzehnten Metalle, vor allem Zink und Blei. Jetzt modernisiert es seine Herstellungsverfahren, um Ressourcen effizienter zu nutzen, die Gesundheit seiner 1 500 Beschäftigten besser zu schützen und die künftigen strengeren Umweltauflagen für die Hüttenindustrie zu erfüllen.
Die EIB stärkte KCM dabei 2019 mit einem Kredit über 65 Millionen Euro den Rücken. Das Unternehmen will künftig mehr „sekundäre Rohstoffe“ verwenden, d. h. Zink und Blei aus Recyclingmaterial wie Batterien, Schmelzofenstaub und Oxiden. Die neuen Anlagen sind stärker automatisiert und werden die Metalle umweltfreundlicher und mit höherer Recyclingkapazität produzieren. „Das ist gut für Europa, denn das Projekt zeigt, wie Metallurgie im 21. Jahrhundert aussehen sollte“, erklärt Ivan Dobrev, der CEO von KCM. „Mit dem Kredit bringen wir die Technologie auf eine neue Stufe ihres Nutzens.“
Besichert wird die Finanzierung über den Europäischen Fonds für strategische Investitionen, weil ein innovatives Unternehmen und der einzige Blei- und Zinkhersteller in Mittel- und Südosteuropa unterstützt wird. „Die beiden Metalle sind unverzichtbar für andere Branchen in der Region, etwa die Automobil- und Bauindustrie“, erklärt Venera Gandzhova, die Kreditreferentin der EIB für das Projekt, das auch der Umwelt nützt: „Das Projekt folgt dem Trend der Branche, mehr Recyclingmaterial zu verarbeiten, und das mit hoch energie- und ressourceneffizienter Technologie“, erläutert Liesbet Goovaerts, Ingenieurin bei der EIB. „Damit erfüllt es die Vorgaben des Pariser Übereinkommens.“
Ein gerechter Übergang für die Umwelt und für die Menschen
Im Mai 2020 legten die EIB und die Europäische Kommission gemeinsam eine neue Darlehensfazilität für den öffentlichen Sektor zur Förderung grüner Investitionen in der EU auf.
Der Übergang muss aber nicht nur für die Wirtschaft gerecht sein, denn er hat auch eine wichtige soziale Dimension. Deutlich macht das ein Projekt der EIB aus dem Jahr 2019: Mit einem Kredit über 153 Millionen Euro kofinanziert sie Sanierungs- und Energieeffizienzmaßnahmen für 9 600 Sozialwohnungen in der früheren Bergbauregion Nord-Pas-de-Calais im Nordwesten Frankreichs. Das Projekt senkt den Energieverbrauch von 22 457 Endkunden und trägt damit zum Klimaschutz bei. Außerdem spart jeder Haushalt 1 200 Euro Energiekosten pro Jahr.
Der Kredit gehört zu einem 765,2 Millionen Euro schweren Projekt der öffentlichen Wohnungsbaugesellschaft Maisons & Cités. „Das ist keine Entweder-oder-Frage, also entweder lebenswerteres Zuhause oder Umweltschutz“, erklärt Souad Farsi, Ingenieurin bei der EIB. „Es ist gut für die Umwelt und für die Menschen.“ Genau darum geht es beim gerechten Übergang.