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    Schon mal einen Brief von einer Behörde erhalten und (mit einem Anflug von Panik) gedacht: Was bitte soll das heißen? Dann sind Sie nicht allein.  

    In den Vereinigten Staaten kämpfte schon in den 1950er-Jahren die „Plain Language“-Bewegung für eine einfachere Sprache in Verwaltungstexten. Bald danach erfasste sie auch andere Länder und griff über auf die Rechtssprache, die Medizin und die Wissenschaft. Laut einer Studie der Harvard University kommt eine einfache Sprache allen zugute. Besonders aber jenen, die nicht gut lesen können, für die ein Thema oder eine Sprache neu ist oder die geistig beeinträchtigt sind. 

    Behörden beschäftigen Fachleute, die komplexe offizielle Schreiben in Leichte Sprache übertragen. Das dauert aber und kostet viel Geld. Und manchmal muss es einfach schnell gehen. In der Coronakrise etwa konnte man nicht warten – alle brauchten rasch die nötigen Informationen.  

    2022 gründeten zwei Absolventinnen und ein Absolvent der Technischen Universität München das Start-up SUMM AI. Die Idee: Mit einer Software Texte aller Art schnell und kostengünstig vereinfachen. SUMM AI arbeitet mit sogenannten Large Language Models. Das sind leistungsstarke Sprachmodelle, die mit großen Datenmengen trainiert werden. „Wir sind mit der Mission unterwegs, die Welt verständlich zu machen“, sagt Mitgründerin Flora Geske.  

    2023 stand SUMM AI im Finale des Wettbewerbs für Soziale Innovation der Europäischen Investitionsbank. Dort zeichnet das EIB-Institut jedes Jahr Start-ups für ihr soziales, ethisches oder ökologisches Engagement aus. 

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    Für Millionen nicht verständlich

    SUMM AI

    Anfangs hatte SUMM AI das bescheidene Ziel, Flora Geskes Tante zu helfen, die geistig beeinträchtigt ist. Geske machte gerade ihren interdisziplinären Master in Finanz- und Informationsmanagement und befasste sich mit Informationssystemen und KI. An der Uni lernte sie die Mathematikerin Vanessa Theel und den Informatiker Nicholas Wolf kennen.  

    „Das war vor Chat GPT“, erinnert sich Geske. „Damals zeichnete sich gerade erst ab, dass Computer Sprache verstehen und auch erzeugen können. Wir sagten uns: Lasst uns eine Software entwickeln, die schwierige Texte für meine Tante in Leichte Sprache zerlegt.“ 

    In Deutschland haben fast 18 Prozent der Erwachsenen sehr begrenzte Lesefähigkeiten. Hauptsächlich sind das bildungsarme Menschen und Zugezogene, die nicht gut Deutsch können. Laut OECD sind die Zahlen vergleichbar mit denen vieler anderer Länder, in denen relativ große Teile der erwachsenen Bevölkerung nur ganz einfache Texte verstehen.  

    Als der Prototyp stand, sah das Trio auch einen Markt für das Programm. Viele öffentliche Einrichtungen sind nämlich rechtlich verpflichtet, Informationen barrierefrei anzubieten. Trotzdem sagt Geske: „Wir wollten unser Programm nicht nur kommerziell nutzen, sondern auch für einen sozialen Zweck – für etwas, das der Gesellschaft hilft.“  

    Leichte Sprache auf Knopfdruck

    Geske vergleicht die Software von SUMM AI mit Google Translate: Man gibt einen schwierigen Text ein, und auf Knopfdruck erscheint die Übersetzung in Leichte Sprache. Dabei übersetzt die KI nicht Wort für Wort, sondern fasst den Inhalt des Ausgangstextes zusammen. Das Programm schreibt ihn neu, in kürzeren Sätzen mit einfacherem Satzbau, und erklärt schwierige Wörter.   

    Ist das ein weiteres Beispiel dafür, wie KI Arbeitsplätze ersetzt? „Natürlich verändert KI die Lage. Behörden sind nicht mehr ausschließlich auf Menschen angewiesen, um Texte zu überarbeiten“, sagt Geske. „Allerdings beschäftigen sie dafür auch nur wenige Leute, im Vergleich zu den riesigen Textmengen. Deshalb nehmen wir niemandem den Job weg. Vieles würde sonst gar nicht bearbeitet, weil es zu lange dauert und zu teuer ist. Ein KI-übersetzter Text ist immer noch viel besser als ein unverständlicher Text.“ 
     
    Geske betont aber, dass KI-Tools mit Vorsicht einzusetzen sind. „Wir weisen unsere Nutzerinnen und Nutzer (meist in öffentlichen Einrichtungen) auf die Fallen in KI-erzeugten Texten hin. Bevor etwas veröffentlicht wird, müssen sie vor allem prüfen, ob der Ausgangstext richtig wiedergegeben ist und ob alle Fakten stimmen. Wir dürfen uns nicht völlig auf die KI verlassen, um Falschinformationen zu vermeiden. Deshalb müssen immer noch Menschen draufschauen.“  

    Keine Angst mehr vor dem Kleingedruckten

    Die Kunden von SUMM AI sind Behörden und Unternehmen in Deutschland. Zum Beispiel die Stadt Hamburg, deren Senatssprecher Marcel Schweitzer sagt: „Das Programm ist effizient. Damit können wir unsere Zielgruppen schnell und klar informieren, vor allem in Krisenlagen. Mit dem bisherigen Vorgehen wäre das nicht möglich.“ Das Start-up will sein Programm demnächst auch für Französisch und Englisch anbieten. Dazu laufen gerade Pilotprojekte mit dem französischen Staat und einer Einrichtung in Kanada. 

    Nach der EU-Richtlinie zur Barrierefreiheit müssen alle Unternehmen – von Finanzinstituten bis zum Onlinehandel – ab 2025 nutzerfreundlich kommunizieren. Die Richtlinie eröffnet SUMM AI einen ganz neuen Markt, weil etwa Verträge und Kleingedrucktes damit in Leichte Sprache übersetzt werden können.  

    Außerdem hat die neue Regelung dem Start-up Geldgeber gebracht. Geske weiß: „Der soziale Nutzen steht für Investoren nicht immer an erster Stelle. Wenn aber große Unternehmen zu Leichter Sprache verpflichtet werden, dann bekommen wir eine ganz andere Schlagkraft.“ 

    Bislang wurden mit SUMM AI rund 70 000 Texte vereinfacht. Das Start-up entwickelt die Technologie laufend weiter.  

    Mittlerweile hat das Unternehmen 18 Beschäftigte, über die Hälfte davon sind Frauen – in der Tech-Branche schon eine Besonderheit. Für viele ist Deutsch nicht die Muttersprache. „Das ist schon toll, wenn sie sagen: ‚Ich habe das Tool gerade selbst für einen Brief zu meinem Aufenthaltsstatus genutzt‘“, freut sich Geske.   

    Dabei gibt sie zu: „Wenn ich Schreiben zu Rechtssachen bekomme, nutze ich es auch manchmal.“