Nur wenn wir jetzt ernst machen, können wir noch einen glaubwürdigen 1,5-Grad-Pfad einschlagen und den Biodiversitätsverlust umkehren.
Wenn wir nicht aktiv werden, könnte rund eine Million Arten aussterben. Seit 1970 sind die Artenpopulationen nach Schätzungen des WWF Living Planet Report 2022 um durchschnittlich 69 Prozent geschrumpft. Auch Meereslebensräume und die marine Tier- und Pflanzenwelt werden durch Klimawandel und Plastikmüll existenziell bedroht. UN-Generalsekretär António Guterres warnte bei der Eröffnung der UN-Biodiversitätskonferenz in Montreal: „Die Menschheit ist zu einer Waffe der Massenvernichtung geworden.“
Die beispiellose Zerstörung der Natur gefährdet unsere Wirtschaft und unsere Lebensgrundlagen. Für unsere Nahrung, für Wasser und Energie und für die Regulierung des Klimas brauchen wir Biodiversität und gesunde Ökosysteme.
Partnerschaften als Schlüssel
Multilaterale Entwicklungsbanken wie die EIB machen Biodiversität zum zentralen Bestandteil all ihrer Aktivitäten und bauen ihre naturpositiven Investitionen aus.
Vor einem Jahr sagten die multilateralen Entwicklungsbanken in ihrer gemeinsamen Erklärung „Nature, People and Planet“ zu, sich verstärkt für den Schutz, die Wiederherstellung und die nachhaltige Nutzung der Natur einzusetzen. Anhand konkreter Schritte berichteten sie im November 2022 über die Umsetzungsfortschritte.
Die EIB steht voll hinter dieser Initiative. Sie hat zugesagt,
- alle Aktivitäten auf die Ziele des globalen Rahmens für die biologische Vielfalt nach 2020 auszurichten
- ihre naturpositiven Investitionen auszubauen, das heißt: a) Biodiversität in allen Leitlinien, Investitionen und Aktivitäten zu verankern, b) naturbezogene Auswirkungen, Interdependenzen und Risiken zu bewerten und c) Klimafinanzierungen mit positiven Nebeneffekten für die Natur auszuweiten
- konkrete Initiativen, Programme, Partnerschaften anzukündigen mit dem erklärten Ziel, Investitionen in Biodiversität und/oder mit positiven Nebeneffekten für Biodiversität zu fördern
Solide Standards gefragt
Robuste Umwelt- und Sozialstandards sind das A und O, wenn wir den Klimawandel und den Schutz von Natur und biologischer Vielfalt umfassend angehen wollen. Die volkswirtschaftliche Analyse von Projekten muss sich auch mit den Externalitäten im Kontext der Biodiversität befassen. Genau dafür sorgen die Umwelt- und Sozialstandards der EIB.
In unseren Standards folgen wir dem Grundsatz der „Vermeidung erheblicher Beeinträchtigungen“. Beim Standard zu Biodiversität und Ökosystemen haben wir nachgelegt. Der Biodiversitätsanspruch „Nettoverlust vermeiden“ lautet jetzt „Verlust vermeiden“. Die Standards gelten für alle Geschäfte der Bank, innerhalb wie außerhalb der EU.
Auf der COP27 präsentierte die EIB ihren neuen Umweltrahmen. Er hilft uns, die Natur stärker zu schützen, wiederherzustellen, nachhaltig zu nutzen und damit die gemeinsame Erklärung der multilateralen Entwicklungsbanken umzusetzen.
Für die Ausweitung der naturpositiven Investitionen brauchen wir den Privatsektor. Unsere Nachhaltigkeitsanleihen, die für höchste Integritäts- und Transparenzstandards stehen, decken Waldbewirtschaftung, nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen sowie Schutz und Wiederherstellung von Biodiversität ab. Gelingt es uns, Privatinvestoren zu gewinnen, können wir eine Benchmark etablieren und die Messlatte für Emittenten und Investoren am Markt höher schrauben.
Die Stärkung unseres Rahmens für das Risikomanagement ist ebenfalls wichtig, wenn wir den Biodiversitätsverlust stoppen und umkehren wollen. Dazu müssen wir biodiversitätsbezogene (physische, systemische und Übergangs-) Risiken von Projekten und Vertragspartnern bewerten.
Projekte ins Rollen bringen
Alle, ganz gleich ob öffentlicher oder privater, nationaler oder internationaler Investor, müssen mehr Kapital bereitstellen, um den Investitionen in naturpositive Projekte einen Schub zu geben. Multilaterale Entwicklungsbanken können akute Marktversagen ausräumen, die häufig die Konzeption und Umsetzung naturpositiver Investitionen ausbremsen. Und sie können helfen, strukturelle Investitionslücken zu überbrücken – vor allem, wenn es um mangelnden Zugang zu Krediten geht.
Im Vorfeld der COP15 veröffentlichte die EIB ihr neues Arbeitspapier „Forests at the heart of sustainable development“ zusammen mit einer Broschüre, die ein Schlaglicht auf die Rolle öffentlicher Banken für die nachhaltige Entwicklung der Forstwirtschaft werfen. Wälder bedecken rund 30 Prozent der Erdoberfläche und beherbergen etwa 80 Prozent der weltweiten Biodiversität.
Die EIB ist seit über 40 Jahren im Forstsektor tätig. Sie hat in dieser Zeit umfangreiche Expertise in der Finanzierung nachhaltiger Forstbetriebe aufgebaut und steht bereit, noch mehr zu tun. Im vergangenen Jahrzehnt vergab die Bank rund 15 Milliarden Euro im Forstsektor. Durch nachhaltige Wald- und Landbewirtschaftung konnten mit dem Geld über drei Millionen Hektar degradierte Flächen saniert werden.
Wir werden unser Produktspektrum für naturpositive Finanzierungen und mehr Biodiversität weiter ausbauen. Dabei orientieren wir uns am konkreten Investitionsbedarf und an Marktlücken, um zusätzliche grüne Investitionen anzuschieben, bei denen der Privatsektor miteinsteigt.
Der von uns unterstützte Land Degradation Neutrality Fund investiert beispielsweise in Projekte in Entwicklungsländern, die eine nachhaltige Landnutzung und die Wiederherstellung von Ökosystemen vorantreiben. Gefördert werden etwa der Aufbau nachhaltiger Wertschöpfungsketten im Kaffeeanbau in Peru oder eine nachhaltige Forstwirtschaft in Ghana, die die Landverödung bremst und die Waldflächen vergrößert.
Die Arbeit der EIB für saubere Meere und die blaue Wirtschaft ist ein weiteres Beispiel. Mit unserer Blue Sustainable Ocean Strategy wollen wir den Zustand der Meere verbessern, die Widerstandsfähigkeit von Küstenregionen stärken und eine nachhaltige blaue Wirtschaft fördern. Im Schulterschluss mit dem UN-Umweltprogramm und der Globalen Umweltfazilität haben wir 2022 auch die Initiative für technische Hilfe zur Beseitigung von Umweltgefahrenherden im Mittelmeerraum auf den Weg gebracht. Sie hat zum Ziel, die Meeres- und Küstenverschmutzung im Mittelmeerraum einzudämmen.
Die Clean-Oceans-Initiative soll bis Ende 2025 vier Milliarden Euro bereitstellen, um die Meeresverschmutzung durch Plastikmüll zu reduzieren. Projektbeispiele sind die Verbesserung der Abwasserbehandlung in Sri Lanka, Ägypten und Südafrika oder Abfallprojekte in Togo und Senegal.
Nur wenn wir jetzt die Ärmel für die Natur hochkrempeln, gibt es einen glaubwürdigen 1,5-Grad-Pfad. Den Biodiversitätsverlust zu stoppen, reicht nicht. Wir müssen ihn umkehren. Als Klimabank der EU arbeiten wir daher auch künftig mit weiteren Partnern aus Europa und der ganzen Welt zusammen – für mehr Kredite zum Schutz von Natur und biologischer Vielfalt.