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Anpassbare Antikörper

Ein französisches Unternehmen könnte mit polyklonalen Antikörpern gegen mutierende Viren die nächste Pandemie früh stoppen

Fabentech ist aus Seuchen geboren. Zwei Ausbrüche gaben einst den Startschuss für den französischen Hersteller von Therapien gegen tödliche Viren und Biogifte: Ebola und die Vogelgrippe, auch als Geflügelpest bekannt.

Bertrand Lépine, damals Vice President bei Sanofi Pasteur, gründete Fabentech 2009. Seine Idee: Unter Lizenz von Sanofi Pasteur eine Technologie für die Produktion polyklonaler Antikörper optimieren. Diese Antikörper sollten tödliche Viren und Gifte besser neutralisieren als bestehende Mittel wie monoklonale Antikörper. Sanofi Pasteur hatte mit der Technologie bereits polyklonale Antikörper entwickelt, die verhindern, dass Schlangen- und Skorpiongift in menschliche Zellen eindringt. Lépine wollte sie nun auch gegen tödliche Krankheiten einsetzen.

Ab 2012 führte Fabentech klinische Studien für ein Mittel gegen die Vogelgrippe durch, und ab 2015 arbeitete das Unternehmen zusammen mit der Weltgesundheitsorganisation und der Europäischen Arzneimittelagentur EMA an Therapien gegen Ebola. 2017 entwickelte es in Partnerschaft mit dem französischen Militär ein Gegenmittel für ein tödliches Pflanzengift.

Die Medikamente waren allesamt vielversprechend, aber es gab einen großen Markt dafür. Vor Corona hatte sich Europa nicht aktiv auf mögliche Bedrohungen durch Bioangriffe oder neue Infektionskrankheiten vorbereitet – im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten, die nach dem 11. September 2001 Entwicklungsprojekte von Biotech-Start-ups finanzierten.

„In Europa war das einfach kein Thema, sich auf biologische Bedrohungen vorzubereiten“, sagt Sébastien Iva, der CEO von Fabentech. 

Doch dann kam Corona.

„Das war ein Paradigmenwechsel. Da begannen die EU-Länder, sich mit den EU-Institutionen auf solche Bedrohungen vorzubereiten“, so Iva, der 2020 in der Pandemie zu Fabentech kam. „Auf einmal gab es Budgets dafür.“



Vorbereitung auf biologische Bedrohungen

Fabentech

Ein solches Budget ist HERA Invest. Das Geld dafür kommt von der neuen Generaldirektion für die Krisenvorsorge und -reaktion bei gesundheitlichen Notlagen (GD HERA), die die Europäische Kommission 2021 geschaffen hat. HERA soll unter anderem europäische Unternehmen und Forschung in den Bereichen Antibiotikaresistenz, Bioverteidigung und Pandemievorsorge fördern.

Die Europäische Investitionsbank unterzeichnete im Oktober 2024 mit einer Venture-Debt-Finanzierung über 20 Millionen Euro für Fabentech die erste Investition unter HERA. Fabentech wird mit dem Geld FabShield weiterentwickeln – seine Plattform für polyklonale Antikörper, die aus der ursprünglichen Technologie von Sanofi Pasteur hervorgegangen ist. Außerdem will das Unternehmen die Produktion einer Reihe von Therapien hochfahren, etwa gegen das Nipah-Virus, gegen Sarbecoviren, die zur Familie der Coronaviren gehören, aber auch gegen pflanzliche Gifte.

„HERA ist wirklich eine verlässliche Stütze, die uns allen bei der Vorbereitung auf biologische Bedrohungen helfen wird, seien es bioterroristische Angriffe oder natürliche Epidemien und Pandemien“, sagt Iva.

Fabentech leitet e-Fabric, ein Konsortium aus europäischen Universitäten und Unternehmen, die an Therapien gegen Sarbecoviren arbeiten. In diesen Viren sieht die WHO ein hohes Risiko für den Ausbruch einer neuen Pandemie. SARS-Cov-2, das die Coronapandemie auslöste, zählt zu den Sarbecoviren. Das Konsortium arbeitet an Therapien auf Basis der Technologie von Fabentech für polyklonale Antikörper. Im Januar 2024 genehmigte die Europäische Kommission dafür einen Zuschuss von 7,7 Millionen Euro aus dem Programm Horizont Europa.

„Das Unternehmen war bereits von HERA und von der Europäischen Kommission vorgemerkt“, sagt Henri-François Boedt, der als Kreditreferent bei der EIB für das Projekt mit Fabentech zuständig war. „Es arbeitet an einem Thema, das viel Forschung verlangt, die mit viel Geld finanziert werden muss.“

Der Ernstfall: Corona

Als Iva im Juli 2020 zu Fabentech kam, hatte das Management beschlossen, sich ganz auf Medikamente gegen Corona zu konzentrieren. Mit EU-Mitteln entwickelte Fabentech schnell seine Therapie FabenCOV, bei der polyklonale Antikörper gegen das Virus und seine Varianten eingesetzt werden. Mit der rasanten Entwicklung von Corona-Impfstoffen und den Virusmutationen schwand dann allerdings der Bedarf für die Therapie, obwohl sie gute Ergebnisse bei bekannten Varianten zeigte.

Was aber sofort klar wurde: Europa musste andere tödliche Viren identifizieren, die eine Pandemie auslösen könnten, und einen Vorrat an möglichen Therapien aufbauen.

Viele Therapien gegen Corona beruhten auf zielgerichteten monoklonalen Antikörpern, die sich an das Spike-Protein auf der Oberfläche von SARS-Cov-2 heften und so verhindern, dass das Virus in Zellen eindringt. Wenn sich das Virus aber verändert, wirken diese Therapien oft nicht mehr.

Therapien mit polyklonalen Antikörpern greifen Viren oder Gifte breiter an, sagt Ginger Smith, die als Senior Economist im Bereich Life Sciences bei der EIB arbeitet.

Und so funktioniert es:

  • Die polyklonalen Antikörper erkennen verschiedene Rezeptoren bzw. Epitope auf einem Antigen. Solche Antigene sind zumeist Proteine, Lipide oder Nukleinsäuren auf der Oberfläche eines Virus oder Giftes. 
  • Die Antikörper heften sich an mehrere Epitope auf einem einzelnen Antigen.
  • Damit schalten sie das Virus oder Gift wirksam aus. Es kann nun nicht mehr in Zellen eindringen und den behandelten Menschen infizieren oder krank machen.

„Die polyklonalen Antikörper greifen das Virus von allen Seiten an“, sagt Iva. „Wenn ein Virus mutiert, können sich monoklonale Antikörper nicht mehr gut anheften und verlieren ihre Wirkung. Die polyklonalen Antikörper können sich immer noch an Teile des Antigens anheften und das Virus oder Gift ausschalten.“



Ein „wirklich sehr gefährliches“ Virus

Neben Sarbecoviren hat Fabentech noch ein anderes tödliches Virus mit Pandemiepotenzial im Visier: das Nipah-Virus. Es wurde 1998 bei einem Ausbruch in Malaysia und Singapur entdeckt. Namensgeber ist das malaysische Dorf Sungai Nipah, in dem Schweinebauern damals an einer Hirnhautentzündung erkrankten. Das Nipah-Virus kann von Tieren auf Menschen übertragen werden. Etwa 40 bis 75 Prozent der Infizierten sterben daran.

„Es ist wirklich sehr gefährlich“, sagt Iva von Fabentech.

Seit 2022 arbeitet das Unternehmen an einer Therapie mit polyklonalen Antikörpern gegen das Nipah-Virus, mit Geldern aus einem Programm des französischen Staates.

Die Regierungen in Frankreich, Amerika und Deutschland sind schon eine ganze Weile besorgt über das Virus, so Iva. Bislang ist es nicht von Mensch zu Mensch übertragbar, aber eine Mutation könnte das ändern. Bei einem Ausbruch könnte die Therapie von Fabentech das Virus im menschlichen Wirt entwaffnen, bevor es sich ausbreitet. Das Unternehmen hofft, 2027 damit an den Markt zu gehen.

Die nächste Krise im Blick

Iva und sein Team denken sehr konkret an die nächste Pandemie oder einen Bioangriff.

„Wir werden auf die eine oder andere Weise von einem biologischen Ereignis betroffen sein“, glaubt er. „Das wird kommen.“

Er sieht, dass die Staaten und Einrichtungen der EU seit Corona diese Bedrohungen im Blick haben und ihnen Priorität einräumen. Aber die Entwicklung wirksamer Therapien gegen neue Erreger kostet sehr viel Geld. Und in Europa ist es schwer, private Investoren dafür zu finden.

„Was mir nachts den Schlaf raubt, ist, dass wir nicht genug Geld haben, um alles auf den Markt zu bringen, woran wir arbeiten“, sagt Iva. „Denn unsere Produkte können nicht nur Leben retten, sondern auch Pandemien eindämmen.“