Mit einer neuen Methode wandelt ein Unternehmen Meerwasser in Trinkwasser um
Wasser ist ein knappes Gut in Abu Dhabi. Im Jahr 2010 beaufsichtigte der niederländische Ingenieur William Janssen dort den Bau des Ferrari-World-Themenparks – und erlebte einen Heureka-Moment. Dieser hatte allerdings nichts mit Achterbahnen oder Rennautos zu tun. Sondern mit Wasser.
„Schon oft war mir aufgefallen, dass in den Mittelmeerländern Wasserbehälter auf den Dächern stehen, die Warmwasser liefern. Im Prinzip waren das ja nur Sonnenkollektoren mit einem Tank“, erinnert sich Janssen. „Sollte es nicht auch möglich sein, auf diese Weise Wasser zum Kochen zu bringen?“ Denn kochendes Salzwasser erzeugt Dampf, der das Salz zurücklässt. Dieses destillierte Wasser musste man nur wieder mit Mineralien anreichern und hätte Trinkwasser gewonnen, so seine Idee.
Niemand hatte dafür bisher ein Patent beantragt, stellte er verwundert fest. Ein Machbarkeitsnachweis bestätigte: Es war möglich, allein mit der Kraft der Sonne aus Salzwasser Trinkwasser zu gewinnen.
2013 meldete er sein erstes Patent an. Wenig später gründete er die Firma Desolenator. Sie bietet die weltweit erste solarbetriebene thermische Entsalzungsanlage an.
Die Technologie funktioniert überall dort, wo die Sonne oft scheint – vom Mittelmeer bis Südafrika, vom Süden der Vereinigten Staaten bis zum Norden Chiles, von Südostasien bis Australien. Also auch dort, wo die Wassernot am größten ist.
An Wasser fehlt es weltweit
Nur etwa ein Prozent des Wassers auf der Erde ist Süßwasser. Und das wertvolle Nass wird immer knapper. Schuld daran sind das Bevölkerungswachstum, die Urbanisierung der Küstengebiete, Wüstenbildung und die Übernutzung des Grundwassers.
Die Klimabewegung hat dieses Problem bisher weitgehend übersehen. Schon 2030 werden zwei Drittel der Weltbevölkerung jährlich Wasserstress erleben, so Janssen. „Bis dahin sind es nicht einmal mehr sieben Jahre. Das ist erschreckend. Milliarden Menschen werden nicht genug Wasser haben.“
Selbst wenn Länder das Regenwasser besser nutzen, ihr Abwasser wiederverwenden und mehr Stauseen bauen – auf die Entsalzung von Meerwasser können sie nicht verzichten, um dem drohenden Mangel zu entgehen. Aber die Entsalzung durch Umkehrosmose, wie sie aktuell üblich ist, fügt der Umwelt große Schäden zu. Sie verbraucht fossile Brennstoffe und Chemikalien, erzeugt CO2-Emissionen und leitet die anfallende giftige Salzlauge zurück in den Ozean.
„Ich könnte auf einem Fischerboot mitten im Arabischen Golf eine Probe nehmen und sie in ein Labor nach Poughkeepsie in New York schicken. Dort würde man anhand der gefundenen Chemikalien sofort wissen, woher das Wasser stammt“, so Janssen.
2016 gewann Desolenator den zweiten Preis im EU-Wettbewerb „Climate Launchpad“ und schaffte es ins Finale des Social Innovation Tournament beim Institut der Europäischen Investitionsbank. Der Wettbewerb zeichnet Unternehmen aus, die einen sozialen, ethischen oder ökologischen Beitrag zur Gesellschaft leisten.
Entsalzen, aber nachhaltig
Die Technologie von Desolenator reduziert die CO2-Emissionen gegenüber der Umkehrosmose um 1 400 Prozent. Sie lässt Salzwasser verdunsten und sammelt den reinen Wasserdampf. Dabei entsteht nur wenig ungiftige Salzlauge oder gar kein Abwasser, weil gleichzeitig Salz gewonnen wird. Interessanterweise lassen sich aus diesem Salz durch sogenannte Nanofiltration Mineralien gewinnen: Kalzium, Magnesium, Natrium, Chlorid und sogar Lithium.
Desolenator verfügt nun über drei Patente. Für ihre Anlagen nutzt die Firma bestehende Technologien und handelsübliche Komponenten. Die Anlagen arbeiten rund um die Uhr, unabhängig vom Stromnetz. Die Technologie funktioniert auch, wenn die Sonne nicht scheint – tagsüber werden Wärmebatterien geladen und nachts entladen. Bei Stromausfällen springen Lithium-Ionen-Batterien ein.
Jo Burgess, Head of Trial Reservoirs bei Isle Utilities, einer internationalen Consultingfirma für die Transformation der Wasserwirtschaft, schrieb dazu: „Wirklich eine der aufregendsten Technologien, die ich in letzter Zeit gesehen habe (und es waren Hunderte). Wir sollten Desolenator im Auge behalten, von denen werden wir noch hören.“
Wasser für die Äcker
Der Markt in Nahost, wo Janssens Idee entstand, ist wie gemacht für Desolenator.
Vor vier Jahren schloss das Start-up seinen ersten Vertrag mit Dubais Strom- und Wasserbehörde und lieferte die Anlage ein Jahr später aus.
Jetzt hat Desolenator den zweiten Vertrag unterschrieben, mit Silal, einem Unternehmen in Abu Dhabi. Dieses Mal geht es um die Bewässerung von Feldern. Silal nennt die Technologie von Desolenator eine „Paradigmenverschiebung im Umgang mit dem lebenswichtigen Nexus Wasser-Essen-Energie“.
Da die Kosten von Janssens Anlagen konkurrenzfähig sind, stellen sie für große Unternehmen keinen Hinderungsgrund dar. Ohnehin sollten sie sich vergegenwärtigen, dass die Wasserknappheit demnächst Milliardenwerte gefährdet.
Kleineren Firmen und Kommunen dagegen könnte die Investition schwerer fallen. Für solche Fälle bietet Desolenator an, die Anlage zu installieren, zu betreiben und zu finanzieren, einschließlich einer Solarzellengruppe. Der Kunde bezahlt den monatlichen Wasserverbrauch, und nach 15 Jahren gehört ihm die Anlage.
Zu lange hat die Menschheit Wasser für selbstverständlich gehalten. Das ändert sich nun. Desolenator hat erkannt, dass die Sonne der Schlüssel ist, um Trinkwasser zu erzeugen, ohne die Umwelt zu zerstören.