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Wie konnten EU-Firmen trotz hoher Inflation weiter investieren?

Die Investitionen in Europa blieben in der jüngsten Phase hoher Inflation stabiler als erwartet. Firmen, die steigende Energiekosten weitergeben konnten, verbuchten höhere Gewinne; anderen halfen öffentliche Maßnahmen, sagen Fachleute der EIB

Von 29 August 2024
 

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Die Investitionen in der Europäischen Union halten sich seit der Pandemie stabiler als erwartet und besser als in vergleichbaren Phasen. Ein Grund dafür ist die robuste wirtschaftliche Erholung und ein kräftiger Anstieg der Unternehmensgewinne (EIB, 2024). Zudem können viele Firmen die strafferen Bedingungen für externe Finanzierungen anderweitig ausgleichen: durch Liquiditätspolster dank öffentlicher Hilfen, höhere Gewinne im raschen Aufschwung nach der Krise oder weil sie ihre Kosten erfolgreich weitergeben.

Das ist das Fazit des Arbeitspapiers „Investment decisions in a high inflation environment“, in dem die Europäische Investitionsbank Zusammenhänge zwischen der steigenden Inflation ab 2021 und Investitionsentscheidungen vor allem kleiner und mittelgroßer Unternehmen (KMU) analysiert.

Inflation ist Gift für Investitionen

Kurzfristig erhöht Inflation die Material- und Lohnkosten im Verhältnis zu den Erträgen – es sei denn, die Unternehmen können ihre Preise sofort anpassen. Damit schrumpfen die Gewinnmargen und entsprechend die liquiden Mittel für Investitionen.

Langfristig schmälert Inflation die Realeinkommen, frisst Ersparnisse auf und dämpft die Nachfrage. Ein schwieriges Umfeld: Weniger Nachfrage bedeutet weniger Umsatz. Das Geschäft läuft weniger rentabel, und die Unternehmen investieren nicht mehr. Abwärtsdruck auf die Nachfrage, eingetrübte Wirtschaftsaussichten und eine wachsende Unsicherheit über die Preisstabilität und die Entwicklung der inflationsbereinigten Realeinkommen drängen Firmen, ihre Investitionspläne zu kürzen (EIB, 2023; Kolev & Randall, 2023). Das bestätigen auch andere Studien, die zeigen, dass Inflationsraten von über zehn Prozent die Investitionen eher belasten (Asab & Al-Tarawneh, 2018).

Außerdem mindert eine hohe Inflation die Ertragskraft der Unternehmen und erschwert ihnen den Zugang zu externen Finanzierungen. Denn im Kampf gegen die Inflation schrauben die Zentralbanken die Zinsen nach oben, sodass Kredite teurer und knapper werden. Indirekt bremst die straffere Geldpolitik auch die Nachfrage und drückt damit weiter auf Umsatz, Erträge und Gewinne.

Mehr Investitionen trotz hoher Inflation. Wie das?

Steigende Energiepreise und gestörte Lieferketten trieben 2021 und 2022 die Inflation nach oben. 11,5 Prozent waren es in der Spitze im Oktober 2022 (Eurostat). Trotzdem arbeiteten die meisten EU-Firmen in dieser Zeit weiter profitabel: 79 Prozent im Jahr 2022 und 80 Prozent im Jahr 2023 laut Investitionsumfrage der Europäischen Investitionsbank. Gründe dafür waren die Wirtschaftshilfen in der Pandemie und die rasche Erholung der Nachfrage. Dadurch konnten die Firmen die nötigen finanziellen Reserven für Investitionen aufbauen (EIB, 2024). Die Gesamtinvestitionen wuchsen in diesem Zeitraum (2021 und 2022) stark und lagen 2023 rund 4 Prozent über dem vorpandemischen Niveau (2019).

Obwohl aus den genannten Gründen eine negative Korrelation zwischen hoher Inflation und Investitionen zu erwarten war, entwickelten sich die Investitionen in der jüngsten Hochinflationsphase positiv. Einige Faktoren können das erklären:

Erstens hängen Investitionsentscheidungen davon ab, ob Unternehmen die höheren Kosten weitergeben können. Laut dem Arbeitspapier der EIB war das zum Teil der Fall. Daher belasteten die steigenden Kosten die Ertragskraft und die Finanzlage der Unternehmen nicht so stark.

Zweitens war die hohe Inflation stark durch die Energiekosten und andere Input-Preise befeuert. Das gab einen Anreiz, in mehr Energieeffizenz zu investieren, um Kosten zu sparen.

Und drittens setzen die negativen Folgen der Inflation liquiden Mitteln besonders zu. Die Unternehmen taten also gut daran, zu investieren und damit deren Wert zu sichern.

Statistiken zeigen, dass europäische Firmen vor dem Energiepreisschock erhebliche Liquiditätspolster aufgebaut hatten. Viele hatten auch in der Pandemie massive Liquiditätshilfen erhalten. Diese hohen Barreserven schaffen vielleicht ein Polster für laufende Investitionen oder lohnende Investitionen in mehr Energieeffizienz (Ampudia et al., 2023). Studien belegen auch, dass Unternehmen mit hohen Barreserven oder leichterem Zugang zu externen Finanzierungen wohl vergleichsweise besser in der Lage sind, Hochinflationsphasen durchzustehen (Cleary, 1999; Cleary et al., 2007).

Die nachstehende Abbildung fasst die empirischen Ergebnisse des Arbeitspapiers zusammen. Sie zeigt: Wenn Unternehmen durch Weitergabe der Kosten (Pass-Through-Rate) höhere Gewinne erzielten und (auch dank öffentlicher Hilfen) Liquiditätsreserven hatten, ermöglichte dies höhere Investitionen – vor allem in Energieeffizienz. Hohe Energiepreise befeuerten sowohl die Inflation als auch die Investitionen, besonders in die grüne Wende. Das glich Faktoren aus, die Investitionen bremsen: die Unsicherheit und den erschwerten Zugang zu externen Finanzierungen.

Abbildung 1: Unternehmensinvestitionen und ihre Determinanten

Weitergabe der höheren Energiekosten erlaubte mehr Investitionen in Energieeffizienz

Die positive Beziehung zwischen Inflation und Investitionen lässt sich auch damit erklären, dass einige Unternehmen ihre Gewinne dank der hohen Inflation sogar steigern konnten. Aus der nachstehenden Abbildung wird deutlich: Wo die steigenden Energiepreise weitergegeben werden konnten, investierten Unternehmen auch verstärkt, vor allem in Energieeffizienz.

Abbildung 2: Weitergabe der Energiekosten und Investitionen in Energieeffizienz

Hohe Inflation schadet trotzdem

Viele europäische Unternehmen konnten also in der jüngsten Hochinflationsphase ihre Gewinne steigern und weiter investieren. Aber längerfristig dürften doch die negativen Effekte anhaltender Preissteigerungen und Zinserhöhungen spürbar werden. Wenn die Liquiditätspolster aufgebraucht sind und Kredite auslaufen, werden die Finanzierungskosten für neue Investitionen deutlich steigen. Höhere Zinsen, straffere Kreditbedingungen und wachsende Unsicherheit durch wiederholte Schocks – all diese Nebenprodukte der Inflation bremsen Unternehmen bei Investitionsentscheidungen. Das dürfte sichtbar werden, wenn die kurzfristigen positiven Effekte schwinden.

Darüber hinaus gibt es Gruppen von liquiditätsarmen Unternehmen, bei denen strukturelle Engpässe die Investitionsfähigkeiten einschränken, und zwar mehr noch als die Bedingungen für externe Finanzierungen.  Kleine, junge und innovative Firmen mit einem hohen Anteil an immateriellen Vermögenswerten tun sich überdurchschnittlich schwer, Investitionen zu finanzieren. Das Gleiche gilt für Firmen, die höhere Kosten nicht weitergeben können. Das kann die grüne und digitale Wende bei diesen Unternehmen verzögern.

Damit die Transformation auch im Abschwung weitergeht, sollte sich die öffentliche Unterstützung auf das Geschäftsumfeld konzentrieren. Wichtig sind Maßnahmen, die der wirtschaftlichen Unsicherheit und den strukturell größeren Finanzierungsproblemen kleiner und mittlerer Unternehmen entgegenwirken. Dazu gehören beispielsweise alternative Finanzierungsangebote jenseits herkömmlicher Bankkredite. Sie sollten zum Risikoprofil solcher Firmen bei ihren längerfristigen Investitionen passen und so die investitionsdämpfende Wirkung der zyklischen Straffung ausgleichen. Besondere Aufmerksamkeit verdienen kleine und mittlere Unternehmen, die in hart umkämpften Märkten agieren oder sehr preiselastische Produkte oder Dienstleistungen anbieten und deshalb höhere Produktionskosten nicht weitergeben können.

Literatur:

Ampudia, M., Eren, E., & Lombardi, M. (2023). Resilient risk-taking in financial markets – Non-financial corporates’ balance sheets and monetary policy tightening. Bank für Internationalen Zahlungsausgleich. https://www.bis.org/publ/qtrpdf/r_qt2309a.htm

Asab, N. A., & Al-Tarawneh, A. (2018). The impact of inflation on the investment: the non-linear nexus and inflation threshold in Jordan. Modern Applied Science12(12), 1913–1844.

Cleary, S. (1999). The Relationship between firm investment and financial status. The Journal of Finance54(2), 673–692.

Cleary, S., Povel, P., & Raith, M. (2007). The U-shaped investment curve: theory and evidence. Journal of Financial and Quantitative Analysis42(1), 1–40.

EIB. (2023). Investitionsbericht 2022/2023: Resilienz und Neustart in Europa. Europäische Investitionsbank. https://www.eib.org/publications/20220211-investment-report-2022.

EIB. (2024). Investitionsbericht 2023/2024: Wettbewerbsfähig durch Transformation. Europäische Investitionsbank. https://www.eib.org/publications/20230323-investment-report-2023.

Kolev, A., & Randall, T. (2023). The effect of uncertainty on investment: evidence from the EIBIS. EIB.

Arbeitspapier 2024/02. EIB. https://www.eib.org/publications/20240131-economics-working-paper-2024-02