Mit einer neuen E-Flotte senkt Poste Italiane seine Emissionen und bedient die landesweit wachsende Nachfrage nach Post und Paketen
Spätherbst in Rom. Es ist noch warm, die Luft kristallklar. Die Sonne scheint durch die Wolken auf terracottafarbene Häuser in einer engen Gasse im Wohnviertel Bravetta. Postbedienstete verteilen eifrig Briefe und Pakete. Ihre stillen Helfer: Elektrodreiräder, etwa so groß wie Golfwagen.
Bald werden Hunderte von E-Dreirädern und E-Autos ein Dutzend römischer Stadtteile abfahren – 57 vom Verteilzentrum Maggiolino aus, das für das Quartier Nomentano zuständig ist. Hier lebt Anna Manghetti. „Die neuen Dreiräder drehen immer weitere Kreise“, freut sie sich, „Das ist aufregend, und es dient einem guten Zweck.“
Manghetti ist Finanzleiterin bei Poste Italiane, dem größten Logistikbetreiber des Landes und führend im Finanz-, Versicherungs- und Zahlungsdienstleistungssektor. Mit einem Darlehen über 100 Millionen Euro der Europäischen Investitionsbank kann Poste Italiane seit März seine Benziner- und Dieselflotte durch emissionsfreie Fahrzeuge ersetzen.
„Als Klimabank der EU sind wir stolz darauf, den ehrgeizigen Dekarbonisierungsplan von Poste Italiane zu unterstützen“, erklärt Giovanni Aldeghi, der bei der EIB an der bisher größten Finanzierung der Bank der EU für eine emissionsfreie Mobilitätsplattform mitgewirkt hat.
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Wie grün sind unsere Pakete?
Besonders komplex bei der Paketzustellung ist die „letzte Meile“, also vom Postlager an die Haustür des Empfängers.
Der Boom beim Online-Shopping seit der Coronapandemie hat die CO2-Emissionen im Verkehr noch verschlimmert. Städte und Logistikfirmen müssen sich mit unnötigen Lieferfahrten, Staus, Parkplatzmisere und Anwohnerklagen wegen Lärmbelästigung und Luftverschmutzung herumschlagen.
Wären Zustellungen auf der letzten Meile effizienter und grüner, würden unsere Städte gesünder und lebenswerter. Dieser Gedanke ging Anna Manghetti im Sommer 2020 nicht mehr aus dem Kopf.
Das Poste-Italiane-Projekt „Grüne Mobilität“ steht unter der Obhut von Chief Executive Matteo Del Fante und dem Team unter Chief Financial Officer Camillo Greco. Auch Joint General Manager Giuseppe Lasco und der Leiter Nachhaltige Entwicklung, Risiko und Compliance der Gruppe Marcello Grosso sind mit im Boot.
Worum geht es? Für die Zustellungen in und um Städte treten 4 150 Stromer an die Stelle der altgedienten Diesel und Benziner. Mit im Paket: die Ladestationen und eine IT-Plattform. Und das alles für 145 Millionen Euro.
„Relativ wenig Geld, mit dem man weit kommen kann“, resümiert Manghetti die erste grüne Finanzierung der italienischen Post.
Ein Unikum in der Welt der Finanzierungen
Das Darlehen der EU-Bank an Poste Italiane ist aus mehreren Gründen einzigartig:
- Es deckt die Mietgebühren für die neue E-Flotte, die Installation der Ladesäulen und die IT-Plattform
- Es finanziert die Leasinggebühren der E-Flotte, die unter den Aktiva als Nutzungsrechte bilanziert
- Es liegt mit 69 Prozent über der üblichen Obergrenze (50 Prozent) der Bank für Finanzierungen, damit Poste Italiane schneller die grüne Wende schafft
Der Plan hat es in sich: Null-Emissions- und Hybridfahrzeuge (die allerdings nicht unter das EIB-finanzierte Projekt fallen) sollen die Emissionen der Postzustellflotte um 40 Prozent drücken. Endziel ist Emissionsneutralität bis 2030. Also noch vor dem Jahr, das die EU angesetzt hat.
„Das ist die Zukunft“
Mitte Oktober 2022 standen bereits 1 100 Stromer in 70 italienischen Städten im Dienst der Post, u. a. in Turin, Florenz, Triest, Bologna, Neapel und natürlich Rom.
Der Strom für die Fahrzeuge kommt aus erneuerbaren Quellen. Das bedeutet: weniger Luftverschmutzung, Treibhausgase und Lärm und 3 000 Tonnen weniger CO2-Emissionen pro Jahr – also in etwa die Emissionen, die 3 000 Passagiere auf einem Flug von Paris nach New York und zurück erzeugen.
Poste Italiane will aber noch mehr für die Umwelt tun und zieht das EIB-Darlehen deshalb auch für seine IT-Plattform heran. Die innovative Plattform optimiert die Route der Briefträgerinnen und Briefträger nach Postaufkommen, Entfernung, Straßenart, Verkehr und Paketvolumen. Die Reichweite der E-Fahrzeuge und die verfügbaren Ladestationen fließen ebenfalls in die Routenplanung ein.
„Der Erfolg des Projekts hängt von der Auswertung einer großen Datenmenge ab, die in Echtzeit erhoben wird“, weiß Tiago Lopes, der bei der EIB als leitender Ingenieur an dem Projekt mitgearbeitet hat. „Das ist die Zukunft.“
Die Technologie entwickelt sich weiter, Batterien werden immer leistungsfähiger. Lopes will deswegen noch ein Stück weiter gehen und das Projekt auf die „mittlere“ Meile (vom Lager zur Postfiliale) und die „erste Meile“ (vom Werk zum Verteilzentrum) ausdehnen.
Manghettis Sohn hat seit Kurzem seinen Abschluss als Umweltingenieur in der Tasche und will nun seinen Teil zu Italiens grüner Wende beitragen.