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Invested in Renewables

Die Geschichte der Erneuerbaren

 

In der Geschichte der erneuerbaren Energien gab es oft Rückschläge – aber auch immer wieder plötzliche Durchbrüche. Inzwischen hat die Menschheit Mittel und Wege gefunden, um sich die Energien der Natur zunutze zu machen

1973: Im Jahr der Ölkrise lebte der 16-jährige Schüler Henrik Stiesdal auf dem Hof seiner Eltern in einer Kleinstadt im östlichen Dänemark. Damals deckte Dänemark seinen Energiebedarf zu über 90 Prozent durch importierte Brennstoffe. Die Ölpreise verdreifachten sich, und die Strompreise zogen entsprechend an. Genau wie vielen anderen dänischen Haushalten fiel es auch der Familie Stiesdal schwer, ihre hohen Energierechnungen zu bezahlen.

Schon vor der Energiekrise waren Tausende kleiner Windmühlen auf Höfen im ganzen Land gebaut worden.

Einige davon produzierten sogar Strom. Stiesdal wollte ein Windrad kaufen, um Strom für den Hof zu erzeugen und so die Stromrechnung seiner Eltern zu drücken. Aber so etwas war nicht zu bekommen. Also dachte er sich: „Wenn es das nicht zu kaufen gibt, dann bauen wir es eben selbst.“

Henrik Stiesdal (links) mit seinem 10-Meter-Windrad Henrik Stiesdal

Für seine ersten Versuche verwendete er ein kleines Windrad mit lediglich zwei Rotorblättern. „Das war ziemlich dramatisch: Ich hielt das Ding in der Hand, und die Rotorblätter drehten sich mit mehreren hundert Stundenkilometern direkt vor meiner Nase“, erinnert sich Stiesdal. Schon kurz danach baute er eine größere Version mit einem dritten Rotorblatt und einem Rotordurchmesser von zehn Metern. Damit erzeugte er so viel Energie, dass es beinahe für den gesamten Bedarf des Hofs reichte.

1979 verkauften Stiesdal und ein Schmied aus der Nähe, der ihm beim Bau geholfen hatte, ihren Entwurf für ein Windrad mit drei Rotorblättern an Vestas, ein dänisches Unternehmen, das Küchengeräte, Milchkühler und später auch hydraulische Kräne herstellte. Dieses „dänische Konzept“ hat in der Folge weltweit Nachahmer gefunden.

Nicht zuletzt dank Stiesdals Ideen ist Dänemark inzwischen führend in der Erzeugung und Nutzung erneuerbarer Energien und Vestas mittlerweile der weltweit größte Anbieter von Windkraftanlagen. Heute erzeugt Dänemark mehr als die Hälfte seines Stroms mit Windkraft und ist damit eines der energiesichersten Länder der Welt.

Europa möchte diese Erfolgsgeschichte nun auf den gesamten Kontinent ausdehnen. Bis 2030 sollen 35 Prozent des gesamten Strombedarfs durch Windkraft gedeckt werden, und bis 2050 soll der Anteil auf 50 Prozent steigen. Dies ist Teil eines Gesamtkonzepts für erneuerbare Energien, mit dem die Europäische Union ihre Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen verringern und den CO2-Ausstoß drastisch senken will. Eine Frage drängt sich allerdings auf: Wenn Europa bereits vor den Siebzigerjahren über die notwendigen Technologien verfügte, um erneuerbare Energien zu erzeugen, warum haben wir bloß zugelassen, dass wir so abhängig von fossilen Energieträgern wurden? Die Antwort erfahren Sie in diesem Artikel.



European Patent Office
„Das war ziemlich dramatisch: Ich hielt das Ding in der Hand, und die Rotorblätter drehten sich mit mehreren hundert Stundenkilometern direkt vor meiner Nase.“
Henrik Stiesdal

Der Mensch und die Elemente

Mit der Industriellen Revolution begann das Zeitalter der billigen und leicht verfügbaren fossilen Brennstoffe. Bis zum 19. Jahrhundert nutzte die Menschheit jedoch tatsächlich vor allem erneuerbare Energien.

Das fing im Grunde schon vor einer Million Jahren an, als die Frühmenschen das Feuer entdeckten. Durch das Verbrennen trockener Pflanzen und Hölzer entsteht Energie, die wir heute als Bioenergie bezeichnen. Diese Entdeckung war ein entscheidender Schritt in der Entwicklung der Menschheit. Feuer diente als Wärme- und Lichtquelle, bot Schutz vor Beutegreifern und machte das Kochen möglich.

Die ersten bildlichen Darstellungen von Windkraft lassen sich auf etwa 3 200 v. Chr. datieren. Im alten Ägypten wurden Segelschiffe auf dem Nil benutzt. Um 200 v. Chr. pumpten die Menschen in China und dem Nahen Osten Wasser mithilfe einfacher Windmühlen.

Die Römer heizten mit der Kraft der Sonne und geothermischer Energie ihre Wohnungen und Bäder, und im antiken Griechenland wurden die ersten Wasserräder entwickelt, um Weizen zu mahlen.

Wasserkraft war im Mittelalter eine der wichtigsten Energiequellen. Als im 19. Jahrhundert die Grundprinzipien der Elektrizität entdeckt wurden, suchte die Wissenschaft nach Möglichkeiten, Strom aus erneuerbaren Energien zu erzeugen.

Diese Versuche wurden weitgehend aufgegeben, als in der Industriellen Revolution der Verbrennungsmotor erfunden wurde. Der wiederum führte zur Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen, vor allem Kohle.  Fortan stützte sich die Energieversorgung hauptsächlich auf fossile Brennstoffe, einschließlich Öl, die bis heute dominieren.

Dank des technischen Fortschritts im 20. Jahrhundert kam es jedoch zu einer Renaissance von Wind- und Sonnenenergie, auf die sich die Energiewende wesentlich stützt.



Wasserkraft: Der Siegeszug der „weißen Kohle“

Wasserkraft war die einzige erneuerbare Energiequelle, die auch in der Industriellen Revolution weiter florierte. Aus dem Wasserrad wurde die hydraulische Turbine, und Wasserkraft bekam den Beinamen „weiße Kohle“.

Bis heute spielt sie eine wichtige Rolle. Weltweit wird ein Sechstel des Stroms mit Wasserkraft erzeugt – mehr als mit allen anderen erneuerbaren Energieträgern zusammen. Im Gegensatz zu anderen erneuerbaren Energien ist die Staudammtechnologie ausgereift. Die Energieerzeugung durch Wasserkraft lässt sich nur noch begrenzt steigern.

Mehr als die Hälfte der entsprechenden Infrastruktur in Europa ist über 40 Jahre alt und muss saniert werden. In manchen Ländern ist die Wasserkraft bereits an ihren Grenzen angelangt. Außerdem haben das Aufstauen von Flüssen oder Änderungen von Flussläufen unter Umständen schwerwiegende Folgen für die Tierwelt oder für ganze Ökosysteme.

Vor allem aus diesen Gründen haben Sonnen- und Windenergie an Bedeutung gewonnen.

Windkraft: Eine frische Brise

Windrad in Dänemark, Anfang des 20. Jahrhunderts Wikimedia

Stiesdal griff für seine Idee, wie er den Hof seiner Eltern mit Strom versorgen könne, auf einen dänischen Erfinder und Pionier der Windkraft aus dem 19. Jahrhundert zurück: Poul la Cour. La Cour glaubte, Windenergie könne einen entscheidenden Beitrag zur damals stattfindenden Elektrifizierung des Landes leisten.

1891 konstruierte er eine der ersten Windkraftanlagen, mit denen Strom erzeugt werden konnte. Diese Technik wollte er auf dem Land verbreiten. Mithilfe von Windkraft sollte die Landwirtschaft modernisiert werden: Die Bauern hätten damit ihre Felder bewässern und Strom für ihren eigenen Bedarf erzeugen können. In Nordamerika gab es zur selben Zeit ähnliche Initiativen.

Bereits 1918 deckten 120 an das Stromnetz angeschlossene Windkraftanlagen drei Prozent des dänischen Strombedarfs, und über 25 000 Höfe erzeugten Strom mit kleinen, privaten Anlagen. Diese Anlagen wurden jedoch schon kurz darauf durch Dieselgeneratoren ersetzt.

Im Zweiten Weltkrieg wurde die Windkraft wegen der Ressourcenknappheit als Energiequelle reaktiviert. Das größte Windrad wurde damals in den USA auf einem Hügel in Vermont betrieben. Es erzeugte genügend Energie, um im Krieg mehrere Monate lang den Bedarf des lokalen Stromnetzes zu decken. Das Interesse an Windkraft schwand jedoch, als nach Kriegsende wieder fossile Brennstoffe importiert werden konnten.

Dänemark geht in Führung

Die 1978 errichtete Anlage Tvindkraft war damals das größte Windrad der Welt Wikimedia

Erst die Energiekrise der Siebzigerjahre brachte eine frische Brise für die Windkraft. Die dänische Regierung beschloss Subventionen für Windräder und förderte die Forschung zum Thema Windenergie. „Die Windräder waren für eine Stromerzeugung im großen Stil einfach noch zu klein“, erläutert Peter Karnøe, Professor an der Universität Aalborg, der sich mit der Geschichte der erneuerbaren Energien befasst. „Ursprünglich sollten die Subventionen dazu dienen, Arbeitsplätze zu schaffen und ländliche Gemeinden zu unterstützen. Schon bald zeigte sich jedoch, dass dadurch auch die Energieimporte spürbar reduziert werden konnten.“

Ende der Siebzigerjahre baute ein kleines dänisches Fischerdorf einen Windpark, mit dem es seinen gesamten Strom- und Heizenergiebedarf decken wollte. Das damals weltweit größte Windrad wurde 1978 ebenfalls in Dänemark errichtet.

Tvindkraft hat eine Höhe von 53 Metern und eine Spannweite von 54 Metern und wurde erst in den Neunzigerjahren übertroffen. (Die Anlage ist derzeit das älteste Windrad der Welt, das noch in Betrieb ist).

1979 begann Vestas mit der Massenproduktion von Windkraftanlagen. „Der Erfolg der Subventionen zeigte sich in den folgenden Jahren: Plötzlich wurden dänische Windräder nach Kalifornien exportiert“, so Karnøe.

Dänemark erarbeitete sich eine weltweit führende Position im Windkraftsektor. Und nun stand der nächste Entwicklungsschritt an: vom Land aufs Meer.

Neue Impulse für die Windkraft

„1989 beschloss die dänische Regierung den Bau von Offshore-Windfarmen“, erinnert sich Stiesdal. „Sie erkannte, dass der Platz an Land früher oder später knapp werden würde. Deshalb wollte sie aufs Meer hinaus.“

Stiesdal war am Bau des weltweit ersten Offshore-Windparks Vindeby beteiligt. „Zu meinen Aufgaben gehörte die Entwicklung geeigneter Windkraftanlagen und passender technischer Lösungen für einen Offshore-Windpark.“ Der 1991 errichtete Windpark bestand aus elf Anlagen, die jeweils 450 Kilowatt Energie erzeugen konnten. Damit konnte Vindeby jedes Jahr 2 000 bis 3 000 Haushalte mit Strom versorgen.

Küstennahe Offshore-Windfarmen erwiesen sich in Dänemark als Erfolg. Der Bau der nach wie vor relativ kleinen Windräder auf Fundamenten im Meeresgrund und die Installation der Rotorblätter auf See konnten in ähnlicher Weise erfolgen wie an Land. Die Niederlande und Großbritannien folgten Dänemarks Beispiel und bauten ebenfalls Windparks. Die flachen Küstengewässer der Nordsee erwiesen sich als besonders günstig für Offshore-Windfarmen.

Aber küstennahe Windparks brachten auch einige Probleme mit sich. In Deutschland etwa war es wegen der Fahrrinnen für den Schiffsverkehr und ausgewiesener Naturschutzgebiete praktisch unmöglich, Windfarmen vor der Küste zu bauen. Außerdem fanden Anwohner und Touristen den Anblick der Windräder unschön. So kam man auf eine Idee: Könnte man die Windparks nicht weiter draußen im Meer bauen, wo der Wind zudem stärker und beständiger weht?

Die deutsche Regierung zog den Bau von Offshore-Windfarmen zum ersten Mal in den Neunzigerjahren in Betracht. Der neu entstehende Windkraftsektor war von der Idee begeistert.

Und im nächsten Jahrzehnt ... tat sich erst einmal gar nichts.



Könnte man die Windparks nicht weiter draußen im Meer bauen, wo der Wind auch stärker und beständiger weht?

Auf hoher See

Anfang des neuen Jahrtausends wurde die Idee wieder aufgegriffen. Die Bundesregierung vereinbarte mit den Energieunternehmen EWEE.ON und Vattenfall den Bau eines Pilotprojekts 45 Kilometer vor der Küste der ostfriesischen Insel Borkum.

Die Unternehmen wollten testen, ob mitten in der Nordsee in etwa 30 Meter tiefem Wasser größere und stärkere Windräder mit einer Leistung von fünf Megawatt errichtet werden könnten. Diese modernen Windräder sollten 100 Meter hoch sein (also etwa so hoch wie der Turm von Big Ben in London) und würden starken Seewinden und kräftiger Brandung standhalten müssen.

„2009 waren manche Leute skeptisch, ob man solch große Windräder weit vor der Küste in tiefem Wasser bauen und betreiben könne. Sie meinten, die Anlagen seien zu groß und zu weit draußen“, sagt Bernhard Lange, technischer Direktor beim Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme, der die Forschungsinitiative zum Pilotprojekt Alpha Ventus koordinierte. „Wir mussten durch den Bau des Pilotprojekts alle Fragen und Zweifel in Bezug auf Offshore-Windparks ausräumen.“

Auch um Investitionen anzuziehen, mussten Antworten her. Es musste nachgewiesen werden, dass Offshore-Windfarmen sinnvoll betrieben werden konnten und wie teuer ihr Bau und Betrieb war. Vor Alpha Ventus waren die Investoren skeptisch, sagt Lange. „Manche Leute rieten von derartigen Investitionen ab. Das Risiko eines Scheiterns sei zu hoch.“

Im vergangenen Jahrzehnt hat Alpha Ventus 2,1 Terawattstunden ins deutsche Stromnetz eingespeist. Damit können etwa 57 000 private Haushalte mit Strom versorgt werden. Außerdem hat das Projekt den Weg für zahlreiche andere Windparks geebnet, die in deutschen Gewässern betrieben oder entwickelt werden. Heute drehen sich über 1 500 Offshore-Windräder vor der deutschen Küste – deutlich mehr als die ersten zwölf im Alpha Ventus-Projekt.

Bei vielen dieser frühen Projekte, auch bei Alpha Ventus selbst, kam es zu Verzögerungen, die die Kosten in die Höhe trieben. Darüber hinaus erwies es sich während der Finanzkrise 2008 als schwierig, Mittel für riskante Offshore-Windprojekte aufzutreiben. Einige Windparks wären wohl nicht gebaut worden, wenn nicht die Europäische Investitionsbank (EIB) und andere nationale und europäische Einrichtungen in die Bresche gesprungen wären und die Projekte finanziell unterstützt hätten.

Öffentliche Einrichtungen wie die EIB haben die Aufgabe, Gelder für Industriesektoren bereitzustellen, die für das Wohl der Allgemeinheit wichtig sind – auch, wenn derartige Finanzierungen für private Anleger als zu riskant angesehen werden. Und genau dieser Aufgabe ist die EIB als Bank der Europäischen Union bei Offshore-Windparks nachgekommen.

 „Zu Anfang wurden viele dieser Projekte komplett von der EIB finanziert“, erklärt Alessandro Boschi, Abteilungsleiter Erneuerbare Energien bei der Bank. „Wir haben wirklich viel dazu beigetragen, dass dieser Sektor Fahrt aufgenommen hat.“

„2009 waren manche Leute skeptisch, ob man solch große Windräder weit vor der Küste in tiefem Wasser bauen und betreiben könne. Sie meinten, die Anlagen seien zu groß und zu weit draußen.“
Bernhard Lange

Technischer Direktor beim Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme

Alpha Ventus: Raus aufs Meer

2006 fand in Kassel, in der Mitte Deutschlands, eine Konferenz deutscher Windkraftspezialisten statt. Das Thema: die Herausforderungen am Teststandort Alpha Ventus. Der Windpark Vindeby in Dänemark war bereits 15 Jahre zuvor gebaut worden, aber in Deutschland gab es nach wie vor keine Offshore-Windfarmen – vor allem, weil die Bedingungen für küstennahe Projekte ungünstiger waren. Deutschland wollte daher erforschen lassen, welche Probleme bei Offshore-Projekten auf hoher See entstehen und wie sie gelöst werden könnten.

Das war der Startschuss für Alpha Ventus. Die daran beteiligten Wissenschaftler konzipierten mehrere Forschungsprojekte, um die vom Pilotprojekt aufgeworfenen Fragen zu beantworten: Lassen sich die Windräder auch im tiefen Wasser sicher im Meeresboden verankern? Haben die Windräder negative Auswirkungen auf die Meeresfauna und die marinen Ökosysteme, insbesondere durch den Lärm und die Erschütterungen bei der Verankerung der Anlagen im Meeresboden? Würden U-Boote oder andere Schiffe mit den Windrädern kollidieren?

„Für Offshore-Windanlagen gab es nicht viele Fachleute“, sagt Bernhard Lange vom Fraunhofer-Institut. „Es musste erst einmal eine Community aufgebaut werden, die über das nötige Fachwissen für die Entwicklung verfügte.“

Wissenschaftler testeten, wie gut die Windräder dem rauen Klima der Nordsee standhalten konnten. Eine Wellenmaschine simulierte die Kraft der Brandung. Windgeschwindigkeit, Wellen und die Strömungen im für das Pilotprojekt vorgesehenen Areal wurden gemessen, und es wurden Modelle entwickelt, um zu simulieren, ob die Windräder diesen Bedingungen standhalten könnten. Außerdem wurde erforscht, wie die Fundamente für die Windräder im tiefen Wasser aussehen müssten und überwacht werden könnten.

Besonders kompliziert war die Tatsache, dass sich das Pilotprojekt nicht in Küstennähe befinden würde. Was für Schiffe und was für Hafenanlagen würden nötig sein, um 800 Tonnen schwere Windräder, die dazugehörigen Rotorblätter und sonstiges Material für den Bau (z. B. Kräne) zu transportieren? Wie teuer würde es sein, all das auf hohe See zu schaffen und die Windräder auf Fundamenten im tiefen Wasser zu errichten?

Als Alpha Ventus 2010 in Betrieb ging, waren viele technische Probleme im Zusammenhang mit dem Bau von Windkraftanlagen auf hoher See gelöst worden. Blasenvorhänge dämpften wirksam den Lärm, der durch die Verankerung der Fundamente im Meeresboden entstand, was die Umweltauswirkungen reduzierte. Die Meeressäuger, die das Gebiet in der Bauphase gemieden hatten, kehrten zurück.

Das Pilotprojekt wies nach, dass Offshore-Windfarmen mit größeren Anlagen auf hoher See möglich waren. „Das schuf Vertrauen in die Machbarkeit. Es war möglich“, so Lange, „und aus technischer Sicht funktionierte es.“

Heute drehen sich über 1 500 Offshore-Windräder vor der deutschen Küste – deutlich mehr als die ersten zwölf im Alpha Ventus-Projekt.
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Solarenergie: Nicht bloß ein Zaubertrick

Seit der Antike versuchen die Menschen, die Kraft der Sonne zu nutzen. In römischen Badeanstalten gab es häufig einen nach Süden ausgerichteten Raum mit großen Fenstern, der die Wärme der Sonne in einen bestimmten Bereich lenkte, das sogenannte Solarium. Die alten Griechen lenkten bei Zeremonien mithilfe von Brennspiegeln die Sonnenstrahlen auf Fackeln und zündeten sie so an.

Aber erst im 19. Jahrhundert wurden echte Fortschritte in der Solartechnologie gemacht. Der französische Physiker Edmond Becquerel interessierte sich für die Kraft der Sonne und erkannte 1839, dass elektrischer Strom entsteht, wenn man Sonnenlicht auf zwei Elektroden fallen lässt, von denen die eine mit Silberchlorid und die andere mit Silberbromid beschichtet ist. Außerdem wird Becquerel häufig die Entdeckung des photovoltaischen Effekts zugeschrieben, den sich auch moderne Solarmodule zunutze machen.

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Becquerels Landsmann, der Mathematiklehrer Augustin Mouchot, erfand einen solarbetriebenen Wassererhitzer für Badewasser und einen Solarkocher. Diese Erfindungen entsprangen vor allem der Furcht, dass der damalige Hauptenergieträger Kohle eines Tages ausgehen könnte. Mouchot gewann bei der Weltausstellung in Paris 1878 sogar eine Goldmedaille für seine Erfindungen. Er produzierte publikumswirksam Eisblöcke mithilfe eines solarbetriebenen Kühlgeräts. Sein Solarkonzentrator hatte die Form eines großen, reflektierenden Metallkegels.

Mit dem Siegeszug des Verbrennungsmotors flaute das Interesse an Mouchots Erfindungen jedoch ab.

Der Durchbruch der Solarkraft kam 1954 mit der Entwicklung der Silizium-Photovoltaikzelle durch Daryl Chapin, Calvin Fuller und Gerald Pearson bei Bell Labs in den USA. Zum ersten Mal wurde ein elektrisches Gerät mehrere Stunden lang mit Sonnenlicht betrieben.

In Europa und den USA sprossen nicht zuletzt aufgrund der Ölkrise in den Siebzigerjahren Solarforschungslabore aus dem Boden. Der breite Erfolg der Solarkraft ist aber vor allem auf die klare, durchdachte Politik für erneuerbare Energien im wolkenverhangenen Deutschland zurückzuführen. Ein Beispiel ist das „1000-Dächer-Programm“.

Solarmodule auf jedem Dach

1990 legte Deutschland das „1000-Dächer-Programm“ auf, um die Installation von Solaranlagen auf den Dächern von Ein- und Zweifamilienhäusern zu fördern. Die Hauseigentümer erhielten Subventionen von Bund und Ländern und erschwingliche Darlehen für die Finanzierung der Solarmodule. Das Programm war so erfolgreich, dass es 1999 auf 100 000 Dächer ausgedehnt wurde.

In Deutschland spielten ökologische Erwägungen wie Umweltverschmutzung und Klimawandel bereits eine Rolle. Im Rahmen des „100 000-Dächer-Programms“ sollten 300 Megawatt Solarleistung installiert werden, wozu vor allem attraktive Finanzierungsbedingungen für Solaranlagen beitragen sollten. Bis zum Auslaufen des Programms im Jahr 2003 wurden 55 000 Solaranlagen mit einer Gesamtleistung von 261 Megawatt gefördert. 

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Deutschland trieb den Umstieg auf saubere Energien mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz weiter voran, das 2000 in Kraft trat. Darin wurden Einspeisevergütungen festgelegt, aufgrund derer Solarstromproduzenten für den von ihnen eingespeisten Strom ein höheres Entgelt als den Marktpreis erhielten. So wurden Solarprojekte finanziell tragbar, denn Solarstrom war damals noch teurer als Strom aus fossilen Energieträgern wie z. B. Erdgas.

Spanien führte nach diesem Vorbild ebenfalls Einspeisevergütungen für Solarprojekte ein. „Die Einführung der Einspeisevergütungen war ganz wichtig“, sagt Ignacio Antón, Forscher beim Institut für Solarenergie an der Polytechnischen Universität Madrid. „Von diesem Zeitpunkt an waren Photovoltaikinstallationen finanziell attraktiv.“

Einige Jahre später waren nirgends in der Welt so viele Photovoltaikmodule (PV-Module) installiert wie in Spanien. Daraus entstand eine florierende Solarindustrie – sowohl in Bezug auf die Herstellung der Module als auch mit Blick auf das Know-how der Ingenieure und Fachkräfte und das für die Installation von Solarmodulen benötigte Material. „Spanien spielte nicht nur in Europa, sondern weltweit eine Schlüsselrolle bei der Einrichtung von Photovoltaikanlagen“, sagt Antón.

Genau wie in Deutschland ergab sich jedoch auch in Spanien das Problem, dass die staatlichen Anreize kostspielig waren und die geförderten Projekte wohl nicht sorgfältig genug ausgewählt wurden. Zeitweise gab Spanien 2,6 Milliarden Euro pro Jahr für die Förderung der Solarindustrie aus. Das war nicht haltbar, und die Ausgaben stiegen just zum Beginn der Finanzkrise an.

„Das Interesse war sehr viel höher als erwartet“, erinnert Antón sich. „Die Regierung musste auf die Bremse treten, weil die Subventionen deutlich mehr Haushaltsmittel verschlangen als erwartet.“

Spanien kürzte die Einspeisevergütungen und zog damit einer Wachstumsindustrie faktisch den Stecker. Bei den Verbrauchern waren die Einspeisevergütungen ohnehin unbeliebt, da sie als teure Subvention galten. „Es gab viele Projekte und eigentlich keine Obergrenze. Praktisch jedes Solarprojekt wurde gefördert“, sagt Boschi von der EIB. „Und dann kam die Finanzkrise. Damit stellte sich die politisch heikle Frage, welche Auswirkungen die versteckten Vergütungen auf die Endpreise für die Verbraucher hatten.“



Die Übernahme durch China

Deutschland war zu Beginn des Jahrtausends der weltweit führende Hersteller von Photovoltaikmodulen. Grund dafür waren die umfassende Förderung für Solarenergie im Land, die wissenschaftliche Forschung und die hochmoderne deutsche Technologie. 2008 geriet diese Vormachtstellung jedoch in Gefahr.

Auf beiden Seiten des Atlantiks wurden Banken und Investoren von der Finanzkrise erfasst. Zudem hatte die Solarindustrie ihre eigenen Probleme. Das für Solarmodule benötigte Silizium war knapp. Deutsche Solarmodulhersteller wie QCell suchten nach alternativen Technologien, mit denen Silizium ersetzt werden könnte. Gleichzeitig schlossen sie zur Nachschubsicherung langfristige Kaufverträge für Silizium zu hohen Preisen ab, was ihre Kosten in die Höhe trieb.

Chinesische Hersteller traten auf den Plan, weil sie die großzügige Förderung für Wind- und Solarenergie in Europa mitnehmen wollten. Dank der staatlichen Subventionen und billiger Arbeitskräfte konnten chinesische Hersteller die deutschen Produzenten unterbieten. Außerdem profitierten sie davon, dass Silizium in China im großen Stil abgebaut wurde. „China überschwemmte den Markt mit hochwertigen, aber sehr preiswerten Modulen“, erklärt Boschi von der EIB. „Dadurch ging die europäische Industrie vollständig unter.“

Gleichzeitig wurden die großzügigen Förderungen in Europa gekürzt. Deutschland senkte die Einspeisevergütungen, durch die sich die Solarindustrie überhaupt erst entwickelt hatte, über Nacht um ein Drittel. Aufgrund der Finanzkrise und der nachfolgenden Schuldenkrise in Europa hatten die Regierungen kaum Geld oder politischen Willen für die Rettung der Solarindustrie übrig.

Europa versuchte kurzfristig, die Hersteller von Solarmodulen durch die Einführung von Zöllen auf chinesische Solarmodule von 2013 bis 2018 zu schützen, aber diese Maßnahmen reichten nicht aus und kamen zu spät. 2012 ging QCells in Konkurs. Andere europäische Hersteller folgten.

„China überschwemmte den Markt mit hochwertigen, aber sehr preiswerten Modulen.“ Dadurch ging die europäische Industrie vollständig unter.“
Alessandro Boschi

Abteilungsleiter Erneuerbare Energien bei der EIB

Die Renaissance der Erneuerbaren

Heute gehört die Solarenergie zu den preiswertesten Stromquellen weltweit. „Seit 2008 sind die Kosten für Solarstrom um etwa das Zehnfache gesunken“, erklärt David González García, Lead Engineer in der Abteilung Energiewende der EIB.

 

Laut González García konnten Solarkraftwerke die Kosten zum einen durch Größeneffekte senken, zum anderen durch eine Neuausrichtung der Installation zur besseren Energieerzeugung. Die 2015 in Betrieb genommene Photovoltaikanlage Cestas nahe Bordeaux besteht aus einer Million Solarmodule auf einem Gelände so groß wie etwa 600 Fußballfelder.

Die Module sind nicht leicht geneigt, sondern in einem 45-Grad-Winkel gegeneinander gerichtet. So konnte der Anlagenbetreiber Neoen die Anlage rascher bauen und kann jetzt auf geringerem Raum mehr Strom erzeugen.

„Man verliert ein bisschen Leistung, weil die Module nicht nach Süden ausgerichtet sind, aber die Bauzeit wird kürzer und man kann mehr Leistung auf dieselbe Fläche packen“, erklärt González García.

Bei der Einweihung war Cestas das größte Solarkraftwerk in Europa. Es deckte mit seiner Jahresproduktion den Bedarf von etwa einem Drittel der Bewohner im Großraum Bordeaux, also rund 300 000 Menschen. Die EIB förderte das Projekt mit einem Kredit über 56 Millionen Euro.

Solarstrom boomt in ganz Europa wieder.

Die installierte Leistung wurde 2023 auf geschätzt knapp 260 Gigawatt erhöht, was einer Steigerung um 60 Prozent in zwei Jahren entspricht. Bis 2030 möchte die Europäische Union sie mehr als verdoppeln – auf 600 Gigawatt. Außerdem versucht Europa, die Solarmodulproduktion wiederzubeleben. Eine große Gigafabrik ist in Catania auf Sizilien geplant. Die EIB und ein Konsortium italienischer Banken haben einen Kredit von 560 Millionen Euro für das Projekt vergeben.

Einst unvorstellbar

Zusammengenommen stammte 2022 knapp ein Fünftel des gesamten Stroms aus Wind- und Solarkraft. Damit war der Anteil dieser beiden erneuerbaren Energieträger zum ersten Mal höher als derjenige von Erdgas. Europa will mithilfe der Erneuerbaren seine ehrgeizigen Klimaziele verwirklichen und seine Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen verringern, deren Preise nach Russlands Invasion der Ukraine in die Höhe schossen. Vor Kurzem hat die Europäische Union ihren Zielwert für den Anteil der Erneuerbaren am Endenergieverbrauch auf 42,5 Prozent im Jahr 2030 angehoben, wobei sie hofft, sogar 45 Prozent zu schaffen.

Einst war es unvorstellbar, dass die Erneuerbaren einen so großen Anteil an Europas Stromerzeugung haben könnten. Bernhard Lange vom Fraunhofer-Institut befasste sich zum ersten Mal vor 30 Jahren mit dem Thema Windkraft, in seiner Master-Arbeit an der Universität Oldenburg.  

Einer seiner Professoren, Wolfgang Schmidt, arbeitete damals daran. Im Büro des Professors hing eine Karte von Norddeutschland, auf der alle zu dieser Zeit vorhandenen Windkraftanlagen markiert waren. „Das waren so wenige, dass er sie alle kannte“, erinnert sich Lange. Er sagt, ihm sei schon damals klar gewesen, dass Deutschland und Europa von fossilen Brennstoffen loskommen müssten – die Wissenschaft warnte bereits vor dem Klimawandel – und dass erneuerbare Energiequellen wie Solar- und Windkraft die einzige wirkliche Alternative seien.

„Schon damals war ich davon überzeugt, dass die Erneuerbaren eine große Zukunft hätten“, sagt er. „Aber ich hätte nie geglaubt, dass sie so wichtig werden könnten wie heute.“