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Invested in Renewables

Leitungen und Batterien – darauf kommt es jetzt an

 

Wie soll die vorhandene Netzinfrastruktur mit Erneuerbaren klarkommen? Das ist gar nicht so einfach. In diesem Artikel geht es um bisherige Lösungen und künftige Innovationen.

Teil der Serie "Invested in renewables" 15 October 2024

Auf der italienischen Insel Sardinien steht ein riesiger kuppelförmiger Bau, gefüllt mit dem Klimakiller CO2. Die Kuppel mit dem Spitznamen „der Dome“ ist ein zentraler Bestandteil der „Superbatterie“ von Energy Dome. Das Start-Up aus Mailand will den Klimawandel ausgerechnet mit dem Treibhausgas bekämpfen, das ihn entscheidend mitverursacht.

„Erneuerbare rücken bei der Stromerzeugung immer mehr in den Mittelpunkt. Aber sie haben einen Haken: Die Sonne scheint nicht immer, und manchmal weht auch kein Wind“, meint Paolo Cavallini von Energy Dome. „Wir wollen den erneuerbaren Strom aber Tag und Nacht. Deshalb brauchen wir einen Langzeitspeicher.“

Die Speicherlösung von Energy Dome macht sich die Tatsache zunutze, dass Kohlendioxid im Gegensatz zu Luft ohne energieintensive Kühlung unter hohem Druck verflüssigt werden kann. Das Verfahren nutzt die überschüssige Energie, die tagsüber vor allem durch Solaranlagen entsteht, um Kohlendioxid zu komprimieren und in Stahltanks zu speichern. Als Nebenprodukt entsteht Wärme, die ihrerseits in speziellen Wärmespeichern aufgefangen wird.

Wird nun zusätzlicher Strom benötigt, wird der Prozess umgekehrt: Das flüssige CO2 wird mit der gespeicherten Wärme erhitzt und in Gas umgewandelt. Das Gas treibt eine Turbine zur Stromerzeugung an und wird danach wieder in den „Dome“ geleitet.

„Es ist ein geschlossener Kreislauf. 75 Prozent der gespeicherten Energie werden wieder freigesetzt, sodass das Ganze hoch effizient ist“, sagt Cavallini. „Anders als andere elektrochemische Technologien, die schnell an Leistung verlieren, funktioniert die Anlage 30 Jahre lang ohne Einbußen.“

Mit der Technik lässt sich Energie bis zu zehn Stunden lang speichern, und sie kostet nur halb so viel wie Lithium-Ionen-Batterien.

Die Demo-Anlage von Energy Dome ist die erste ihrer Art und seit zwei Jahren in Betrieb. Derzeit baut das Unternehmen eine Anlage im industriellen Maßstab in Ottana, Sardinien, die pro Entladung 200 Megawattstunden Strom erzeugen können soll. Das entspricht 2 439 Long-Range-Batterien für den Tesla Model 3.

Warum müssen wir Energie speichern?

Die Europäische Investitionsbank und die von Bill Gates gegründete Plattform Breakthrough Energy Catalyst fördern Energy Dome mit insgesamt 60 Millionen Euro. Denn Energiespeicherlösungen sind dringend notwendig, wenn Europa seine Klimaschutzziele erreichen will. Die Versorgung mit sauberer Sonnen- und Windenergie ist im wahrsten Sinne des Wortes wetterwendisch. Wir müssen also Energie speichern, um für magere Zeiten vorzusorgen.

Mit einem ehrgeizigen Klimaplan will die Europäische Union bis 2050 klimaneutral werden. Dafür müssen langfristig alle CO2-Schleudern – sprich: Kohle- und Gaskraftwerke – abgeschaltet werden. Der Strom muss dann emissionsfrei erzeugt werden, insbesondere durch erneuerbare Energie wie Wind- oder Solarkraft. Hinzu kommt die strategische Notwendigkeit, von russischem Gas unabhängig zu werden. Deshalb will die Europäische Union den Anteil erneuerbarer Energien in ihrem gesamten Netz von 23 Prozent im Jahr 2022 auf 42,5 Prozent im Jahr 2030 erhöhen. Schätzungen der Europäischen Kommission zufolge müssten dafür über zwei Drittel des in der EU erzeugten Stroms aus Erneuerbaren stammen.

Es reicht jedoch nicht, einfach nur fossile Kraftwerke zu ersetzen. Europa muss insgesamt mehr Strom erzeugen, denn die Nachfrage wird in die Höhe schnellen, wenn immer mehr Sektoren Strom nutzen, um ihre Dekarbonisierungsziele zu erreichen, und immer mehr Elektroautos auf die Straße kommen. Insgesamt muss der Anteil der Erneuerbaren an der Stromerzeugung laut Prognosen des Think Tanks Bruegel bis zum Ende des Jahrzehnts um 60 bis 70 Prozent zunehmen.  

„Energiespeicher stabilisieren die Preise, gleichen die Schwankungen der Stromerzeugung aus Erneuerbaren aus und fördern Investitionen.“
Andrea Alessi

Ingenieur, Spezialist für Erneuerbare Energien bei der Europäischen Investitionsbank

Energiewende vor einem Wendepunkt

Die Energiewende ist bereits auf einem guten Weg. Laut dem Energie-Think-Tank Ember stammen inzwischen weltweit über 30 Prozent der Energie aus erneuerbaren Quellen, und wir haben einen Wendepunkt erreicht: Künftig sollte der Anteil des Stroms aus fossilen Energiequellen sinken. Solar- und Windenergie befinden sich in der Europäischen Union in einem sehr viel stärkeren Aufschwung als im Rest der Welt. 2023 fanden Ember zufolge 17 Prozent des globalen Zubaus an Solar- und Windkapazitäten in Europa statt, und die Europäische Union erzeugte 44 Prozent ihrer Energie aus Erneuerbaren.

Aber um den steigenden Strombedarf zu decken und die Nachfrage auch dann befriedigen zu können, wenn das Wetter keine Stromerzeugung zulässt, muss Europa nicht nur in neue Stromerzeugungsanlagen, sondern auch in zwei andere wichtige Bereiche viel Geld investieren: Energiespeicherlösungen und die Netzinfrastruktur. Schätzungen von Bruegel zufolge müssten die Investitionen in Stromerzeugung und -speicherung auf rund ein Prozent des jährlichen Bruttoinlandsprodukts der Europäischen Union verdoppelt werden, und die Europäische Kommission ist der Auffassung, dass 584 Milliarden Euro ins Stromnetz investiert werden sollten.

In diesem Artikel befassen wir uns mit verschiedenen innovativen Energiespeicher-Technologien, die in Europa entwickelt werden – und mit den Herausforderungen, die sich aus der Ertüchtigung der Netzinfrastruktur für eine emissionsfreie Stromversorgung ergeben.



„Weil die Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen schwankt, braucht es eine Lösung, mit der die Produktionsseite stabilisiert werden und das Angebot jederzeit an den ebenfalls schwankenden Bedarf angepasst werden kann. Batterien können Strom sowohl kurz- als auch langfristig speichern.“
Andrea Alessi

Ingenieur, Spezialist für Energiespeicherlösungen bei der Europäischen Investitionsbank

Was Chemie kann

Es ist ja so: Strom soll weitgehend aus erneuerbaren Quellen erzeugt werden, was bedeutet, dass die Produktion je nach Wetterlage unterschiedlich hoch ist. Gleichzeitig soll der Bedarf jederzeit gedeckt werden können, und das System soll stabil sein. Also muss Energie in großem Stil gespeichert werden, um wolkenreiche Flautetage zu überbrücken.

Chemische Batterien wie Lithium-Ionen-Batterien, die etwa in Handys oder Elektroautos verbaut werden, sind eine vielversprechende Lösung.

In Frankreich entwickelt Amarenco Solar in der Gironde große Lithium-Ionen-Batterien, um eine stabilere Energieversorgung mit Hilfe erneuerbarer Energien zu ermöglichen. Das Unternehmen baut eine Lithium-Ionen-Batterie mit einer Kapazität von 105 Megawatt, die bis zu 2 490 Elektroautos antreiben könnte. Diese Batterie – eine der leistungsstärksten in Europa – wird die Netzbelastung für den französischen Netzbetreiber RTE verbessern: Sie speichert Energie aus erneuerbaren Quellen, wenn mehr produziert wird als benötigt wird, und gibt sie frei, wenn ein hoher Bedarf besteht. 

Die Europäische Investitionsbank stellt für die Vermarktung und die Realisierung des Projekts von Amarenco Solar einen Kredit von 16,5 Millionen Euro bereit. Die Mittel stammen aus dem von der Europäischen Kommission unterstützten Fördertopf „InnovFin – Demonstrationsprojekte im Energiesektor“, der innovative Demonstrationsprojekte für die Energiewende vor deren kommerzieller Nutzung unterstützt.

Auch in Norwegen gibt es eine bahnbrechende Initiative für den Bau einer Großfabrik, in der saubere Lithium-Ionen-Batteriezellen für Batteriespeicher im industriellen Maßstab produziert werden sollen. Mit innovativen Herstellungsverfahren und unter Verwendung erneuerbarer Energien will Freyr Battery Norway Batteriezellen mit dem geringsten CO2-Fußabdruck produzieren. Dafür werden nachhaltig abgebaute Rohstoffe mit nachvollziehbarer Herkunft verwendet. Das Unternehmen hat von der Europäischen Investitionsbank Unterstützung bei der Projektentwicklung sowie Fördermittel aus dem Innovationsfonds der Europäischen Kommission erhalten, einem umfassenden globalen Finanzierungsprogramm für innovative kohlenstoffarme Technologien. Der Fonds soll dazu beitragen, die europäische Industrie zu dekarbonisieren, die Klimaneutralität voranzutreiben und die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Die Europäische Investitionsbank stellt für die Projekte Unterstützung bei der Projektentwicklung und spezielle Beratungsleistungen bereit.

Und im französischen Douai entsteht eine Gigafabrik von AESC, in der zahlreiche Lithium-Ionen-Batterien für Elektrofahrzeuge hergestellt werden sollen. Das Unternehmen wird von der Europäischen Investitionsbank mit 449 Millionen Euro gefördert.

„Im Moment liegt der Anteil der erneuerbaren Energien am europäischen Markt bei knapp 40 Prozent. Für eine Steigerung auf 90 Prozent brauchen wir Speichermöglichkeiten für 10 bis 24 Stunden.“

Paolo Cavallini
Chief of Staff, Energy Dome © Freyr

Was Physik kann

Chemische Batterien sind in vielen Fällen eine gute Lösung, aber eine Nutzung im großen Maßstab wirft einige Probleme auf. Batterien ins Stromnetz einzubinden, ist gegebenenfalls kostspielig, und sie liefern nur einige Stunden lang Strom. Das ist vor allem an trüben Tagen problematisch, weil dann auch mal über mehrere Stunden zu wenig Strom erzeugt wird. Außerdem werden für die Herstellung von Batterien Rohstoffe wie Lithium benötigt, die in Europa knapp sind und deren Abbau Umweltschäden verursachen kann. 

Um das Problem der Produktionsschwankungen wirklich zu bewältigen, braucht es längerfristige Lösungen, mit denen das Stromsystem mehrere Stunden oder sogar Tage überbrücken kann.

Bewegungsenergie

Die einfachsten Speichersysteme sind mechanische Systeme, die sich Rotationsenergie oder die Schwerkraft zunutze machen. Für die Speicherung wird Masse durch Schwungräder oder in Form von Gewichten angehoben und bei Bedarf wieder abgesenkt.

Das Start-Up Gravitricity aus Schottland entwickelt ein mechanisches Energiespeicherprojekt mit einer Kapazität von vier bis acht Megawatt in einem stillgelegten Bergwerk. Die verwendete Technologie ist mit einem Aufzug vergleichbar: Mit überschüssigem Strom aus erneuerbaren Energien wird ein solides, dichtes Material angehoben. Je größer die Dichte dieses Materials, desto höher die Energiespeicherkapazität. Wenn die Energie benötigt wird, bewegt sich das Gewicht der Schwerkraft folgend langsam nach unten. An das Gewicht angeschlossene Kabel treiben dann eine Reihe von Motoren an, die wiederum Strom erzeugen.

Die Batterien von Gravitricity können bis zu acht Stunden lang Strom liefern und sind damit ideal für die Speicherung von Solarstrom geeignet. Sie können überschüssigen Solarstrom tagsüber aufnehmen und nachts wieder abgeben. So kommen Angebot und Nachfrage ins Gleichgewicht.

Gravitricity geht davon aus, dass jede Batterie nach der vollständigen Installation als Spitzenwert ein bis zwanzig Megawatt abgeben und Strom für bis zu acht Stunden bereitstellen kann. Bei einer Leistung von 20 Megawatt könnten durch die Entladung pro Stunde 63 000 private Haushalte versorgt werden.

Nachdem einem erfolgreichen Demo-Projekt mit 250 Kilowatt in Edinburgh stellte die Europäische Investitionsbank über den Innovationsfonds Unterstützung bei der Projektentwicklung bereit.

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„2023 investierte die Europäische Investitionsbank mehr als 20 Milliarden Euro in Energieeffizienz, Erneuerbare, Stromnetze und Speicherinfrastruktur in der Europäischen Union.“
„2023 investierte die Europäische Investitionsbank mehr als 20 Milliarden Euro in Energieeffizienz, Erneuerbare, Stromnetze und Speicherinfrastruktur in der Europäischen Union.“

Pumpenergie

Pumpspeicherkraftwerke gehören zu den ältesten und verbreitetsten Großspeichertechnologien. So funktionieren sie:

  • Wasser wird in zwei Becken gespeichert, die sich auf unterschiedlicher Höhe befinden.
  • Bei einem Energieüberschuss wird Wasser vom unteren in das obere Becken gepumpt.
  • Wenn die gespeicherte Energie zur Deckung von Bedarfsspitzen benötigt wird, wird das Wasser wieder in das tiefer gelegene Becken abgelassen. Auf dem Weg nach unten treibt es Turbinen an, die Strom erzeugen. 

Das Verfahren ist einfach und effektiv, kostengünstig und energieeffizient und stößt keine Treibhausgase aus.

In Nordportugal hat Iberdrola an den Flüssen Tâmega und Torno drei große neue Staudämme für Wasserkraftwerke und ein Pumpspeicherkraftwerk gebaut. Mit einer Gesamtkapazität von 1 158 Megawatt handelt es sich um das größte Wasserkraftwerk, das in den vergangenen 25 Jahren in Europa gebaut wurde.

Jährlich kann die Anlage in Tâmega 1 766 Gigawattstunden erzeugen. Das reicht für die Versorgung der umliegenden Ortschaften und Städte. Dazu gehören unter anderem Braga und Guimaraes mit mehr als 440 000 Haushalten. Die Speicherkapazität beläuft sich auf 40 Millionen Kilowattstunden, was dem täglichen Strombedarf von elf Millionen Menschen entspricht.

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Das Projekt diversifiziert die Stromerzeugung in Portugal und verringert die Ölimporte des Landes. Dadurch sollten die CO2-Emissionen um 1,2 Millionen Tonnen pro Jahr und die Ölimporte um über 160 000 Tonnen sinken. Außerdem steigert es die wirtschaftliche Aktivität in der Region und stärkt die Beschäftigung; in der Bauphase sollen geschätzt 3 500 direkte und 10 000 indirekte Arbeitsplätze entstehen.

Darüber hinaus plant Iberdrola zwei Windparks mit einer Gesamtkapazität von 300 Megawatt, was die Anlage in Tâmega-Komplex zu einem hybriden Kraftwerk machen wird. Die Europäische Investitionsbank hat 2018 zur Förderung des Projekts ein Darlehen von 650 Millionen Euro an Iberdrola unterzeichnet.



Ein Balanceakt

Investitionen in Speicherkapazitäten reichen aber nicht aus, um das Stromnetz für die Einbindung von erneuerbaren Energien zu ertüchtigen. Die Netzinfrastruktur muss noch weitere Probleme bewältigen.

  • Weil die Solar- und Windstromerzeugung schwankt und wetterabhängig ist, können die Netzbetreiber das Stromangebot und den Strombedarf nur schlecht prognostizieren. Zeitweise übersteigt die Stromproduktion den Bedarf. Wenn keine ausreichenden Speicherkapazitäten vorhanden sind, müssen dann z. B. Windparks die Turbinen abschalten und ihre Produktion drosseln.
  • Weil Windparks und Solaranlagen häufig weit entfernt von Städten oder Industriegebieten liegen, wo der Strom gebraucht wird, werden gegebenenfalls neue Leitungen benötigt.
  • Wenn mehr erneuerbare Energien eingesetzt werden, wird es unter Umständen schwieriger, die Netzfrequenz stabil zu halten. Das bringt Risiken mit sich, denn bei plötzlichen Störungen wie dem Ausfall eines großen Generators oder einer Flaute kann das Netz zusammenbrechen.

„Wir gehen davon aus, dass der Bedarf an erneuerbaren Energien deutlich steigt. Damit stellt sich die Frage, von wo nach wo der Strom künftig fließt und welche Trassen besonders beansprucht sein werden.“

Mike Karaschinsky
Geschäftsbereichsleiter TEAG © TEAG

Ein besseres Netz

Der Verteilnetzbetreiber TEAG aus dem deutschen Thüringen ist einer von vielen Anbietern in Europa, die jetzt auf dem Weg zu einer CO2-armen Wirtschaft in die Beseitigung dieser Hindernisse investieren. Thüringen, das wegen seiner dichten Wälder auch als „grünes Herz Deutschlands“ bezeichnet wird, erzeugt über 57 Prozent seines Stroms aus erneuerbaren Energien. 22,4 Prozent stammen aus Windkraft.

Im April 2024 unterzeichnete TEAG mit der Europäischen Investitionsbank ein Darlehen über 400 Millionen Euro, mit dem ein 600 Millionen Euro schweres Investitionsprogramm zur Ertüchtigung des kleinteiligen regionalen Stromnetzes finanziert werden soll. Die TEAG versorgt 620 Gemeinden, von denen viele lediglich 10 000 bis 20 000 Einwohner haben.

„Wir gehen davon aus, dass der Bedarf an erneuerbaren Energien deutlich steigt“, sagt Mike Karaschinsky, Geschäftsbereichsleiter bei TEAG. „Deutschland stellt von einem stark zentralisierten System, in dem Kohle- und Atomkraftwerke nahe bei den Abnehmern lagen, auf ein stark dezentralisiertes System um, in dem der Strom dort erzeugt wird, wo die Witterungsbedingungen optimal sind. Damit stellt sich die Frage, von wo nach wo der Strom künftig fließt und welche Trassen besonders beansprucht sein werden.“

Der regionale Netzbetreiber investiert nicht nur in neue, dauerhafte Hochspannungsleitungen und Umspannwerke, sondern beträchtliche Summen fließen auch in die Digitalisierung, unter anderem in intelligente Zähler und IT-Sicherheit.

„Wenn die Elektromobilität zunimmt und Autobatterien und Ladesysteme Energie zurück ins Netz einspeisen können, müssen wir in ein sehr viel intelligenteres Netz investieren“, sagt Karaschinsky.

Von 2013 bis 2023 hat die Europäische Investitionsbank mit über 30 Milliarden Euro an Krediten Maßnahmen zur Netzertüchtigung in der Europäischen Union gefördert, die mehr als 74 Milliarden Euro gekostet haben. Aber es bleibt noch viel zu tun, wenn die Netze die Energiewende voranbringen sollen. Bisher sind sie ein Bremsklotz.

In ihrer Mitteilung zum „EU-Aktionsplan für Netze“ vom November 2023 schreibt die Europäische Kommission, dass die Genehmigungsverfahren für den Netzausbau derzeit vier bis zehn Jahre in Anspruch nehmen; bei neuen Hochspannungsleitungen sind es sogar acht bis zehn Jahre. Diese Zeiträume müssen deutlich verkürzt werden, wenn die Energiewende auf Kurs bleiben soll.

Insgesamt schätzt die Kommission den Investitionsbedarf in das Stromnetz bis 2030 auf 584 Milliarden Euro. Der Großteil davon entfällt auf die lokalen Verteilernetze, die digitalisiert, echtzeitüberwachungsfähig, fernsteuerbar und cybersicher gemacht werden sollen.

In diesem Sinne hat die Kommission einen 14-Punkte-Plan vorgelegt, um die langfristige Netzplanung zu verbessern, die Genehmigungsverfahren zu beschleunigen und den Zugang zu Finanzmitteln für Netzprojekte sowohl auf der Übertragungs- als auch auf der Verteil-Ebene zu verbessern.

Eine bessere Verknüpfung der nationalen Netze könnte die Effizienz ebenfalls steigern und den Brennstoffbedarf nach Berechnungen des Think Tanks Bruegel um bis zu 21 Prozent verringern.

Außerdem müssen die rechtlichen Rahmenbedingungen dringend geändert werden. Im März 2023 schlug die Europäische Kommission eine umfassende Reform des EU-Strommarkts vor, um die Preisschwankungen für die Verbraucherinnen und Verbraucher zu mindern und günstigere Bedingungen für Investitionen in CO2-arme Energien und Energiespeicherlösungen zu schaffen.



„Wir gehen davon aus, dass der Bedarf an erneuerbaren Energien deutlich steigt. Damit stellt sich die Frage, von wo nach wo der Strom künftig fließt und welche Trassen besonders beansprucht sein werden.“
Mike Karaschinsky

Geschäftsbereichsleiter TEAG