„Es geht vor allem darum, eine robuste Projektpipeline aufzubauen.“
„Wir wissen, wie es geht.“
Mit Blick auf den Einsatz der Windkraft hat Stiesdal eine gute Nachricht: „Wir wissen, wie es geht. Es gibt ein echtes Erfolgsrezept – das Rezept, mit dem wir die dänische Windenergie an die Weltspitze gebracht haben.“
Stiesdal, der heute ein Unternehmen zur Entwicklung grüner Energie leitet, verweist auf mehrere Schritte, die Dänemark zum Vorreiter für Windenergie gemacht haben. Dazu gehören die Entscheidung der Regierung, einen Festpreis für Windstrom festzulegen, und Subventionen zur Investitionsförderung.
„Die Regierung hat einen Markt geschaffen. Und sobald es einen Markt gibt, folgen Angebot und Wettbewerb von selbst“, erklärt Stiesdal.
Der Erfinder verkaufte die Lizenz für das kommerzielle Design von Windrädern im Jahr 1979 an Vestas, das damals im Bereich landwirtschaftlicher Fahrzeuge, Krane und Milchkühlungen tätig war. Der Verkauf war der Startschuss für die heutige Windindustrie und machte Dänemark zur ersten Adresse im Bereich Windproduktion. Heute bezieht das Land 60 Prozent seines Stroms aus Windenergie.
Ein weiterer Grund für die rasante Entwicklung der Windkraftbranche liegt in den flexiblen Gesetzen und klaren Zielen für den Windenergieausbau in Dänemark. Auch eine bessere Raumordnungspolitik, Genehmigungserteilung und Netzplanung haben eine Rolle gespielt.
Stiesdal schätzt, dass heute weltweit etwa 1 100 Gigawatt Windenergie erzeugt werden und dass ein Viertel dieser Energie auf Windkraftanlagen entfällt, die in Dänemark oder von dänischen Anbietern in anderen Teilen der Welt hergestellt wurden.
Gamechanger im Mittelmeer
Im Mittelmeer ist der Bau von Windparks schwieriger, weil das Wasser in Küstennähe deutlich tiefer ist als in der seichteren Nord- oder Ostsee. Das erschwert die Verankerung von Windrädern im Meeresboden und ist mit ein Grund für die Entwicklung schwimmender Windparks.
„Offshore-Wind im Mittelmeer wäre ein echter Gamechanger“, sagt Alessandro Boschi, Leiter der Abteilung für Erneuerbare Energien bei der Europäischen Investitionsbank.
Boschi zufolge könnte Windkraft im Mittelmeer die vielen europäischen Anrainerländer mit billigerer Energie versorgen – auch sein Heimatland Italien, das nur wenig Platz für Onshore-Windparks bietet. „Italien hat viele Gebirge und bewohnte Gebiete“, so Boschi. „Das schränkt den Bau von Erneuerbare-Energien-Anlagen an Land erheblich ein.“
Mit Windparks auf See würde man diese Hindernisse umgehen. „Und wenn man die Anlagen weit genug von der Küste entfernt errichtet, ist es für Anwohnerinnen und Anwohner auch optisch akzeptabel.“
Schwimmende Windkraft
Für Pionierunternehmen ist es in allen Branchen schwierig, Investoren für ihre Projekte zu finden. Dafür gibt es die EIB. Im Jahr 2018 vergab sie einen Kredit von 60 Millionen Euro für den ersten kommerziellen schwimmenden Windpark Europas. 20 Kilometer von der nordportugiesischen Küstenstadt Viana do Castelo entfernt erreichen drei Windräder mit 80-Meter-Rotoren eine Höhe von 210 Metern über dem Meer – höher als ein 60-stöckiger Wolkenkratzer. Damit sind sie die bisher größten Windkraftanlagen auf Schwimmplattformen.
„Ich halte dieses Projekt für wirklich innovativ und glaube, dass es weiteren schwimmenden Windparks den Weg ebnen wird“, sagt Inocencio Figaredo, Kreditreferent für Windprojekte bei der Europäischen Investitionsbank.
WindFloat Atlantic, ein Joint Venture von Ocean Winds, Repsol und Principle Power, betreibt das Projekt, das mehr als 25 000 Haushalte mit sauberem Strom versorgt.
Vorteile schwimmender Windparks
„Schwimmende Windparks haben viele Vorteile“, betont José Pinheiro, Projektleiter von WindFloat Atlantic. Auf See gibt es keine Hindernisse wie Berge oder Täler, sodass der Wind gleichmäßiger weht als an Land. Das schont die Ausrüstung.
Pinheiro sieht in Offshore-Parks die Zukunft der Windkraft: „Wenn wir die Klimawende schaffen wollen, müssen wir jetzt schnell neue Wege zur Nutzung der Windenergie finden“, fordert er. „Mit unserer Erfahrung wollen wir weitere große Schritte im Bereich der schwimmenden Windparks unternehmen.“
Schwimmende Windparks haben sich bewährt und schweren Stürmen standgehalten. „2023 erlebte unser Park einige der stärksten Stürme seiner Geschichte, mit mehr als 20 Meter hohen Wellen und extrem starken Winden“, erzählt Pinheiro. Er ist auch Ländermanager für Südeuropa bei Ocean Winds, dem von EDP Renewables und ENGIE gegründeten Entwickler, Betreiber und Mehrheitseigner von WindFloat Atlantic.
„Extreme Winde sind eine Herausforderung für Windradkonstrukteure“, weiß Pinheiro. „Die Anlagen müssen schon bei relativ niedrigen Windgeschwindigkeiten Energie erzeugen und gleichzeitig stärksten Winden standhalten.“
„Wir hatten bisher noch keine Probleme mit der Verfügbarkeit der Windräder und mussten sie auch nicht stoppen“, berichtet Pinheiro. Das erfolgreiche Projekt könnte den Weg für die Nutzung von schwimmender Windenergie in vielen Ländern ebnen, an deren Küsten eine feste Verankerung der Anlagen im Meeresboden schwierig ist.
WindFloat Atlantic testet derzeit Technologien, die den Ausbau der Windenergie zusätzlich vorantreiben könnten. Dazu gehören ferngesteuerte Drohnen für Wartungsarbeiten und Tests an den Windrädern sowie KI-gestützte Kameras, die Sicherheitsprobleme feststellen können.
- Hier erfahren Sie mehr über Europas ersten schwimmenden Windpark
Hub für Windenergie
Ein gutes Beispiel für ein aktuelles Hafenprojekt ist in der Nähe von Montpellier in Südfrankreich zu besichtigen. Von Port-la-Nouvelle wurden traditionell Getreide und andere Agrarerzeugnisse nach Nordafrika verschifft. Jetzt investiert die Region 340 Millionen Euro in den Umbau der Häfen von Sète und Port-la-Nouvelle. 150 Millionen davon kommen von der Europäischen Investitionsbank.
Port-la-Nouvelle soll zu einem Hub für den Bau und die logistische Versorgung schwimmender Windparks im Mittelmeer ausgebaut werden. Und irgendwann will man mit der sauberen Energie von den Windparks auch grünen Wasserstoff produzieren.
Port-la-Nouvelle liegt weniger als 20 Kilometer von den Windparks von Les Éoliennes Flottantes du Golfe du Lion (auch ein Projekt von Ocean Winds) und EolMed entfernt, die beide von der EIB unterstützt werden. Aus logistischer Sicht ist das sehr praktisch, gerade bei schwimmenden Anlagen. Durch die relativ kurze Entfernung zwischen Hafen und Windpark ist der Transport der Riesenräder weniger riskant.
Größer ist besser
Der Mensch nutzt die Windenergie bereits seit Jahrtausenden (wenn auch mehr zum Getreidemahlen als zur Stromerzeugung). In den letzten Jahren wurde die Onshore- und Offshore-Windkraft stark weiterentwickelt, um die Stromproduktion zu maximieren. Beispiele für Innovationen sind:
- längere Rotorblätter, die mehr Wind einfangen
- höhere Türme, um stärkere Winde einzufangen
- größere Rotoren, um mehr Energie zu erzeugen
- Steuerungen, die die Anlagen laufend nach dem Wind ausrichten
Wenn die Windräder weiter so schnell wachsen wie in den letzten 15 Jahren, könnten sie bis 2035 eine Leistung von 30 Megawatt erreichen. Heute sind es maximal 15 Megawatt. Windräder größer zu gestalten, ist jedoch technisch anspruchsvoll. Es reicht nicht, einfach einen größeren Turm und längere Rotorblätter zu bauen. Die Konstruktion muss sich offshore oder schwimmend in einem rauen Umfeld bewähren.
Noch in der Frühphase der Entwicklung befinden sich fliegende Windturbinen. Sie erreichen mit einem Gas wie Helium oder ihrer eigenen Aerodynamik luftige Höhen, wo der Wind stärker weht. Mithilfe von autonomen Drachen, Drohnen oder unbemannten Flugzeugen, die mit dem Boden verbunden sind, wandeln sie die Windenergie in Strom um.
Diese Systeme sind für den Einsatz auf See ausgelegt, wo die Installation von konventionellen Windrädern auf hohen Türmen teuer und schwierig ist. „Das Konzept befindet sich noch in der Frühphase“, sagt Smyrnakis von der Europäischen Investitionsbank. „Es ist aber zukunftsweisend und vielversprechend.“
Zukunftstrends
Weitere Zukunftstrends in der Windenergie:
- neue Konzepte für schwimmende Windparks, die das Meeresleben schützen und künstliche Riffe beinhalten
- in Windkraftanlagen integrierte Batterien oder Offshore-Batteriespeicher
- Windkraftanlagen ohne Rotorblätter, die durch Schwingungen Strom erzeugen
- Windkraftanlagen in großen Gebäuden, die sich besser ins Stadtgebiet einfügen
Der 67-jährige Stiesdal will weiter an Innovationen im Windkraftsektor arbeiten. Fünfzig Jahre nach der Konzeption seiner ersten Windräder steckt er immer noch voller Energie und Ideen. Die große Herausforderung sieht er heute darin, die Entwickler dazu zu bringen, die Kosten weiter zu senken – das würde einen raschen Ausbau der Windenergie ermöglichen.
Windenergie kann und muss genutzt werden, um einen Großteil unseres Energiebedarfs zu decken.
„Wir brauchen mehr Windkraft, und das sofort“, sagt Stiesdal. „Wir müssen den Klimawandel mit aller Kraft bekämpfen.“