Künstliche Intelligenz (AI) und Blockchain sind zwei der bedeutendsten disruptiven Technologien unserer Zeit, mit gewaltigen Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft. Auf die Europäische Union entfallen aber nur 7 Prozent des jährlich in die beiden Technologien investierten Eigenkapitals; die Vereinigten Staaten und China kommen zusammen auf 80 Prozent. In der Forschung steht die EU hingegen gut da, und sie hat auch den größten Pool an digitalen Talenten.
Die Europäische Investitionsbank und die Europäische Kommission empfehlen in ihrem Bericht „Künstliche Intelligenz, Blockchain und die Zukunft Europas: Wie disruptive Technologien Chancen schaffen für eine grüne und digitale Wirtschaft“: Europa muss mehr tun, um die Investitionslücke von geschätzt zehn Milliarden Euro zu schließen und die Entwicklung und Einführung von KI- und Blockchain-Technologien in der EU zu beschleunigen.
KI und Blockchain – was ist das?
Hinter künstlicher Intelligenz verbirgt sich die Theorie und Praxis von Maschinen, die Aufgaben ausführen können, die Intelligenz erfordern. Zu den neuen Technologien, die dies leisten, zählen derzeit maschinelles Lernen, künstliche neuronale Netze und Deep Learning.
Eine Blockchain ist ein neuartiges Ablagesystem für digitale Informationen, das Daten verschlüsselt speichert. Es ist ein transparentes, dezentrales System zur Aufzeichnung von Transaktionen. Die verschlüsselten Daten sind verteilt auf vielen verschiedenen Computern gespeichert. So lassen sich manipulationssichere, äußerst robuste Datenbanken erstellen, die nur von autorisierten Personen gelesen und aktualisiert werden können.
Vereinfacht könnte man künstliche Intelligenz als den „denkenden“ Teil bezeichnen und die Blockchain als das „Gedächtnis“. Die Kombination beider Technologien bietet Chancen für neue Produkte, Dienstleistungen, Vermögenswerte und sogar neue Formen der Governance.
Warum Europa die Lücke schließen muss
Als übergreifende Technologien könnten KI und Blockchain eine Vielzahl von Sektoren transformieren. Europa braucht sie auch für die grüne und digitale Wende, und um seine technologische Souveränität zu stärken.
Ohne Investitionen werden Regionen im KI-Rennen zurückfallen und vermutlich in vielen Branchen Marktanteile einbüßen – im Finanzsektor und E-Commerce ebenso wie im verarbeitenden Gewerbe und im Bergbau.
Investitionen in die Erforschung und Entwicklung von KI sind auch wichtig für die Sicherheit und Verteidigung. Bleiben sie aus, könnte dies europaweit die nationale Sicherheit gefährden. Und nicht zuletzt dürfte KI maßgeblich die Fortschritte bei den UN-Entwicklungszielen bestimmen, vor allem beim Klima, aber auch in Sachen Diversität und Teilhabe, etwa durch gender-smarte Technologien.
Ergebnisüberblick
Der Bericht zeigt, dass die EU im Vergleich zu wichtigen internationalen Wettbewerbern bei der Entwicklung und Anwendung von KI und Blockchain-Technologien an Boden verliert. Sie kann ihn jedoch wieder gutmachen, wenn sie ihre Führungsrolle in der Spitzenforschung und ihren großen Pool an digitalen Talenten nutzt.
Die Studie nennt drei große Themen rund um KI und Blockchain, bei denen die EU ansetzen muss:
- Entwicklung
- Markteinführung
- Ökosystem für Innovation in der EU
Ein Hemmschuh ist das mangelnde Kapitalangebot für Start-ups und Scale-ups in der EU. Hinzu kommt die schleppende Akzeptanz eingeführter Technologien im Markt. Und schließlich braucht es eine bessere Vernetzung europäischer Innovationszentren, um den Zugang zu Talenten, Know-how und Finanzierungen zu erleichtern.
Europas Firmen und Staaten investieren deutlich weniger in KI und Blockchain-Technologien als andere führende Regionen. Die EU tut sich erkennbar schwer, ihre wissenschaftlichen Leistungen in Geschäftsanwendungen und wirtschaftlichen Erfolg umzumünzen.
Geschätzte Risikokapital-Investitionen in KI- und Blockchain-KMU nach Regionen, 2010–2019
Gegenüber anderen großen Volkswirtschaften weist die Europäische Union keine grundlegenden strukturellen Unterschiede auf, die auf eine geringere Nachfrage nach diesen Technologien und eine geringere Notwendigkeit der digitalen Transformation schließen ließen. Gleichwohl investieren die Vereinigten Staaten und China zusammen 80 Prozent der jährlich 25 Milliarden Euro an Eigenkapital in KI und Blockchain-Technologien, die EU mit rund 1,75 Milliarden Euro hingegen nur 7 Prozent.
Europas Ökosystem stellt in erster Linie Risikokapital für KI- und Blockchain-KMU in der Frühphase bereit (zehn Prozent des gesamten Risikokapitals in der EU, gegenüber fünf Prozent in den USA). In den nachfolgenden Finanzierungsrunden für Expansion und Wachstum fällt die EU jedoch klar ab.
Praktisch alle Sektoren der EU-Wirtschaft nutzen mittlerweile KI, aber manche tun dies systematischer als andere, und auch zwischen den Ländern gibt es große Unterschiede. In Europa, den USA und Indien konzentriert sich ein relativ großer Teil der KI-Firmen auf Information und Kommunikation sowie auf geschäftliche, wissenschaftliche und technische Aktivitäten. In China hingegen sind über die Hälfte der KI-Firmen im verarbeitenden Gewerbe tätig, was der generellen Stärke Chinas in diesem Sektor entspricht. In Japan verteilen sich die KI-Firmen gleichmäßiger auf die verschiedenen Sektoren. Dort entfallen mehr als 25 Prozent auf das verarbeitende Gewerbe und ein beträchtlicher Teil auf den Groß- und Einzelhandel – ähnlich wie in den USA und Kanada.
KI-Firmen nach Wirtschaftssektor (in %), 2009–2018
Alle großen Volkswirtschaften der Welt – auch die Europäische Union – kämpfen um die Vormachtstellung in der Entwicklung und Nutzung von KI und Blockchain-Technologien.
Europa hinkt trotz seiner wissenschaftlichen Exzellenz hinterher, vor allem an der Finanzierungsfront. Aufstrebende Start-ups brauchen mehr Feuerkraft, um global mitzuhalten. Und wir müssen die Ökosysteme stärken und besser vernetzen, damit Ideen kommerziell verwertet werden können.
Die Europäische Kommission hat einiges getan, um auf diesem Feld voranzukommen: Über die Initiative Horizont 2020 flossen 2018–2020 insgesamt 1,5 Milliarden Euro in KI. Weitere 2,5 Milliarden Euro sollen aus dem Programm Digitales Europa unter dem mehrjährigen Finanzrahmen 2021–2027 hinzukommen, für Investitionen in KI und deren Nutzung durch Unternehmen und öffentliche Verwaltungen.
An der Investitionsfront hat die Europäische Investitionsbank (EIB) eine Ko-Investitionsfazilität von 150 Millionen Euro aufgelegt. So kann sie sich an der Seite von Fondsmanagern und privaten Investoren, die der Europäische Investitionsfonds (EIF) absichert, an Projekten beteiligen. Der EIF startete zudem kürzlich die Pilotphase für ein Investitionsprogramm von 100 Millionen Euro speziell für KI- und Blockchain-Projekte. Neben solchen zweckgebundenen Mitteln stellt die Europäische Kommission zusätzliche Mittel unter dem aktuellen mehrjährigen Finanzrahmen und dem Aufbauinstrument NextGenerationEU bereit – vor allem die Aufbau- und Resilienzfazilität, die besonders für strategische Technologien gedacht ist.
Analysen, Umfragen und Interviews zeigen Engpässe auf, die KI- und Blockchain-Firmen in Europa den Zugang zu Kapital erschweren.
Auf der Nachfrageseite brauchen kleine Firmen passende Fachleute, um Innovationen und eine erstklassige FuE voranzutreiben; außerdem einen einheitlichen digitalen Markt, in dem sie ihre Produkte in der Breite anbieten können. Auf der Angebotsseite brauchen Risikokapitalgeber, Banken und andere Geldgeber ausreichend Kapital für Investitionen, die richtigen Tools zur Bewertung komplexer Technologien und die Bereitschaft, diese zu finanzieren.
KI- und Blockchain-KMU mit externem Finanzierungsbedarf (Ergebnisse der KMU-Umfrage)
Neben Angebot und Nachfrage untersuchte die Studie auch das Markt-Matching, also wie KMU und Investoren zum Vorteil aller zusammenfinden. Außerdem beleuchtete sie das gesamte Innovations-Ökosystem und seine Wertschöpfungskette, in der alle Akteure abgestimmt kooperieren müssen. Hier spielen öffentliche Initiativen eine wichtige Rolle bei der Festlegung der Strategie und der Priorisierung und Förderung der Zusammenarbeit.
Gesamtzahl der KI- und Blockchain-KMU je 1 Million Arbeitskräfte, April 2020
Das InnovFin-Programm
InnovFin – EU-Mittel für Innovationen ist eine gemeinsame Initiative der Europäischen Investitionsbank-Gruppe (EIB und EIF) und der Europäischen Kommission im Rahmen von Horizont 2020. InnovFin soll innovativen Unternehmen und Einrichtungen in Europa leichter und schneller Zugang zu Kapital ermöglichen.
InnovFin – Beratung hilft förderfähigen öffentlichen und privaten Partnern, große und komplexe Innovationsprojekte mit hohem langfristigem Investitionsbedarf bankfähig und für Investoren interessant zu machen.